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Wirtschaft: Wer schneller schaltet

Deutsche Unternehmen sparen an der Entwicklung innovativer Produkte – und verpassen damit die Chance, neue Märkte zu erobern

Von Alfons Frese

und Maurice Shahd

Die Statistiken zeigen es: Die Forschungsaktivitäten der deutschen Firmen nehmen immer weiter ab. „Verhaltene Entwicklung im Jahr 2002 und Stagnation 2003“, „Erwarteter Rückgang des FuE-Personals (Forschung und Entwicklung)“ und „Abschwächung der Dynamik in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen“: So fasst der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seine jüngste Studie zusammen. „Mitte der 90er Jahre hatten Forschung und Entwicklung Konjunktur“, sagt Christoph Grenzmann vom Stifterverband. Doch inzwischen schlage eine „depressive Stimmung“ durch. Wer von der Zukunft nichts Gutes erwarte, der investiere nicht in langfristige Forschungsvorhaben.

Offenbar ist die Depression der Firmen eine langwierige Sache. 1987 entfielen noch 72,3 Prozent aller FuE-Ausgaben in der Bundesrepublik auf die Unternehmen, zuletzt waren es nur noch knapp 70 Prozent. Der Anteil staatlicher Einrichtungen beziehungsweise öffentlicher Gelder nahm also zu. Zieht man die Inflation von den Steigerungsraten ab, dann sind 2002 und 2003 die Ausgaben der Unternehmen für die Forschung sogar gesunken. Und damit auch die Beschäftigung. Im Jahr 2000 waren in der betrieblichen Forschung und Entwicklung rund 312500 Personen beschäftigt, ein Jahr darauf waren es bereits 5000 weniger. Und es geht weiter nach unten.

Zu einem ähnlich schlechten Befund kommt das Münchener Ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Während Ende der 90er Jahre noch knapp 60 Prozent der Unternehmen Produkt- oder Prozessinnovationen durchgeführt haben, waren es 2002 nur noch 53 Prozent. „Zuerst haben die kleineren und mittleren Firmen bei Forschung und Entwicklung gespart, dann auch die großen Konzerne“, sagt Horst Penzkofer, Innovationsexperte am Ifo-Institut. Penzkofer kritisiert, dass es den deutschen Unternehmen an Risikobereitschaft fehlt. Im Jahr 2002 hätten es nur zehn Prozent der Unternehmen gewagt, außerhalb ihres Kerngeschäfts zu investieren. „Eine Produktpolitik, die auf Halten ausgerichtet ist, eröffnet keine Expansionschancen“, sagt Penzkofer.

Ein wichtiger Grund für die mangelnde Dynamik der vergangenen Jahre ist nach Ifo-Angaben die schwache Konjunktur. An den FuE-Budgets zu sparen, ist nach Ansicht von Penzkofer allerdings der falsche Weg: „Eigentlich müssten die Unternehmen in der Krise investieren, um im Aufschwung mit neuen Produkten auf dem Markt zu sein.“ Die Unternehmen werden aber auch von zahlreichen externen Faktoren bei ihren Innovationsaktivitäten behindert. Besonders schwer wiegen laut einer Ifo-Umfrage unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten. „Wegen der hohen Abgabenbelastung fehlt es vielen Unternehmen an Kapital“, sagte Arend Oetker, Chef des Stifterverbandes und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Hinzu komme die schlechte Verfassung des deutschen Finanzsystems. Als zweites Hemmnis macht das Ifo-Institut den Mangel an qualifiziertem Personal aus, an dritter Stelle stehen bürokratische Hürden. Dazu zählten langwierige Verwaltungsverfahren und restriktive Gesetze.

Allen drei Problemen will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seiner Innovationsoffensive zu Leibe rücken. Bei einem Treffen mit den Spitzen aus Wirtschaft und Wissenschaft verkündete er die Einrichtung eines Kapitalfonds, der mit 500 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Schon zuvor hatte er mit dem Plan für Aufsehen gesorgt, mit dem Aufbau von zehn Elite-Universitäten die Qualität der Bildung zu erhöhen.

Nach Ansicht von Oetker liegt es aber an der Wirtschaft selbst, für mehr Dynamik zu sorgen. In der Vergangenheit hätten viele deutsche Firmen die Entwicklung auf den Weltmärkten schlicht „verschlafen“. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) startete deshalb eine Kampagne zur Verbesserung des Innovationsstandorts. „Unser Innovationsfundament bröckelt Besorgnis erregend“, sagt DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun, der als Chef der Medizintechnikfirma B. Braun Melsungen in einem forschungsintensiven Bereich tätig ist. Der Politik wirft Braun „Lippenbekenntnisse“ vor, unter anderem, weil sie „den Betrieben durch eine neue Mindeststeuer den finanziellen Spielraum für Forschung und Entwicklung nimmt“, sagte Braun dem Tagesspiegel.

Auf dem DIHK-Innovationskongress am 3. Februar in Berlin „erwarten wir von Bundeskanzler Schröder und CDU-Chefin Angela Merkel verbindliche Konzepte für eine nachhaltige Verbesserung des Innovationsstandortes Deutschland“. Der DIHK werde mit fünf weiteren Kongressen im Verlauf des Jahres versuchen, dem Thema weiter Schwung zu geben. „Eine Vielzahl regionaler Veranstaltungen wird folgen“, kündigt Braun an.

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