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Wirtschaft: Wer steht für mehr Wirtschaftswachstum? Der Wirtschaftswissenschaftler

Deutschland war im EU-Vergleich in 2001 am Ende der EU-Wachstumstabelle. Ein Abstiegsplatz in der Wachstumsliga Westeuropas wäre nicht weiter bedenklich, wenn es sich um eine vorübergehende Formschwäche handeln würde.

Deutschland war im EU-Vergleich in 2001 am Ende der EU-Wachstumstabelle. Ein Abstiegsplatz in der Wachstumsliga Westeuropas wäre nicht weiter bedenklich, wenn es sich um eine vorübergehende Formschwäche handeln würde. Tatsächlich handelt es sich bei näherem Hinsehen um eine strukturelle Formkrise, die Anlass zu Besorgnis gibt.

Das Wachstum des realen – inflationsbereinigten – Bruttoinlandsprodukts erreichte in Deutschland im Zeitraum 1992-2001 jahresdurchschnittlich 1,5 Prozent, während die Partnerländer der Eurozone 2,3 Prozent schafften. Fast ein Prozentpunkt Wachstumsrückstand sowohl in der ersten Hälfte der 90er Jahre wie in den späten 90er Jahren deuten auf einen erheblichen Mangel an Dynamik im wiedervereinigten Deutschland. Im genannten Zeitraum war das Wachstum Deutschlands bis auf 1993 immer geringer als bei den Partnerländern der Eurozone.

Warum ist nachhaltiges hohes Wachstum wichtig? Einfach, weil bei schwachem Wachstum die Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung verbaut, die Sanierung der Staatsfinanzen illusorisch und eine stabile Finanzierung der Sozialpolitik unmöglich ist. Im Übrigen trägt Wachstumsschwäche zu nachlassender EU-Integrationsbereitschaft in Deutschland bei, was im Vorfeld der EU-Osterweiterung problematisch wäre.

Wäre Deutschland in den 90er Jahren genauso schnell wie die elf Euro-Partnerländer gewachsen, dann wäre das deutsche Bruttosozialprodukt in 2001 um rund 200 Milliarden Euro höher ausgefallen, die Zahl der Beschäftigten hätte plus drei Millionen verzeichnet. Die Einnahmen des Staates aus Steuern und Sozialabgaben wären um etwa 80 Milliarden Euro höher gewesen. Statt eines Haushaltsdefizits von 52 Milliarden Euro hätte es also einen Überschuss von 38 Milliarden Euro gegeben, und zwar selbst bei einer kräftigen Erhöhung der investiven und wachstumsförderlichen Staatsausgaben.

Tatsächlich kann der Staat ja mit verstärkten Ausgabenprioritäten bei den wachstumsförderlichen Ausgabenposten Bildung, Forschungsförderung und Infrastruktur maßgeblich zum Wachstum beitragen. Im Vergleich zu den USA oder auch zu den skandinavischen Ländern fehlen unter Eichel bei den Staatsausgaben in diesen drei Bereichen etwa zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, das sind 40 Milliarden Euro.

Hat Finanzminister Hans Eichel eine wachstumsfördernde Politik betrieben? Die Antwort ist Nein. Denn sein Hauptziel heißt einfach Haushaltsausgleich in 2006. Bei wie wenig Wachstum und wie viel Millionen Arbeitslosen sich der der Brüsseler Kommission versprochene Etatausgleich ergibt, ist offenbar egal. Die bisher von Eichel durch- und noch angesetzten Kürzungen der öffentlichen Investitionen dokumentieren seine wachstums- und beschäftigungsschädliche Finanzpolitik.

Hat CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber ein Programm für mehr Wachstum? Tatsächlich sind Versprechungen in Richtung Bürokratieabbau und Steuersenkungen für die Unternehmen Impulse in die richtige Richtung. Aber Ankündigungen, man werde bis zu 600 Euro Familiengeld zahlen, sind populistische und wachstumsschädliche Elemente im Wirtschaftsprogramm des Bayern.

Angesichts der Notwendigkeit zur längerfristigen Haushaltskonsolidierung müssen Ideen zu einer großzügigen Familienpolitik gegenüber der Priorität für höhere Ausgaben bei Forschungsförderung, öffentlichen Investitionen und Bildung für einige Jahre zurückstehen. Erst nachdem nachhaltiges hohes Wachstum und eine deutlich geringe Arbeitslosenquote erreicht wurden, kann eine verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik die Sozialausgaben wieder erhöhen.

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