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Wirtschaft: Wer verliert, wer gewinnt – und wo Verlierer gewinnen

Die Profiteure der Kanzler-Pläne sind noch nicht wahlberechtigt. Und bei den anderen kommt es auf die Perspektive an

Gerhard Schröders Zielgruppe ist noch gar nicht geboren. Mit seinen Reformplänen will der Bundeskanzler „den nachfolgenden Generationen die Chancen auf ein gutes Leben“ eröffnen. Indem der Regierungschef „unser Land wieder zu einem Zentrum der Zuversicht“ machen will, sollen Kinder, Enkel und Urenkel der heutigen Wahlberechtigten profitieren. Das Versprechen, dass es die nächsten Generationen wenn schon nicht besser, dann wenigstens nicht schlechter haben sollen als die heutigen, soll die aktuellen Verlierer mit dem Generationenreformwerk versöhnen.

Wenig Anlass zur Zuversicht haben diejenigen, die heute um die fünfzig und jetzt schon arbeitslos sind. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld soll für die unter 55Jährigen von derzeit bis zu 26 Monaten auf zwölf Monate gekürzt werden und für Arbeitslose über 55 auf 18 Monate (derzeit 32 Monate). Großzügige Übergangsfristen von rund zwei Jahren werden für die heutigen Mittfünfziger den Reformschock abmildern.

Alle die, die zu jung für die Übergangsfristen, aber zu alt für den Arbeitsmarkt sind, werden voraussichtlich erleben, dass sie nach dem Arbeitslosengeld eine deutlich abgesenkte Arbeitslosenhilfe, dann Sozialhilfe beziehen werden. Auch wenn die zunächst durch Zuschüsse höher liegen wird als das Existenzminimum: Die Langzeitarbeitslosen werden Ansprüche und Geld verlieren. Derzeit bekommt ein Bezieher von Arbeitslosenhilfe 53 Prozent des letzten Netto-Einkommens, wenn er Kinder hat, gibt es 57 Prozent. An der Arbeitslosenhilfe will die Regierung drei Milliarden Euro sparen.

Derselbe Mechanismus wird die mittlere Generation in Ostdeutschland mit voller Wucht treffen, prognostizieren Arbeitsmarktexperten. Denn dort wird auch der positive Schub ausbleiben: Der nämlich, dass sich die Arbeitslosen künftig sehr schnell und mit Hochdruck um eine neue Stelle bewerben – und auch eine finden. Dem ostdeutschen Arbeitsmarkt, so sagt auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster, fehlt es nicht an der Motivation. Diesem Arbeitsmarkt fehlt es an Arbeit. Erst wenn die mittlere Generation aus diesem Markt herausgewachsen oder abgewandert sei, werde sich die Situation entspannen.

Zu den Verlieren gehören auf den ersten Blick auch die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse, die künftig das Krankengeld selbst finanzieren müssen. Bislang zahlten die Kassen, wenn der kranke Arbeitnehmer aus der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers herausfiel. Im Jahr 2002 machte das 7,8 Milliarden Euro aus, die – über die Beiträge zu den Krankenkassen – je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebracht wurden. Künftig zahlen die Arbeitnehmer allein, und zwar aus versteuertem Einkommen.

Das Problem: Sie werden auch zu den Gewinnern gehören. Wenn es der Bundesregierung tatsächlich gelingt, die Lohnnebenkosten auf 40 Prozent zu senken. Derzeit liegt der durchschnittliche Satz bei 42 Prozent – bei weiter steigender Tendenz. Je geringer die Beitragslast aber wird, desto mehr Geld bleibt den Arbeitnehmern (für den Konsum) und den Unternehmen (für Investitionen).

Volkswirte gehen von folgender Faustformel aus: Ein Prozentpunkt geringere Lohnnebenkosten bringt 100000 Arbeitsplätze. Wenn diese Rechnung aufginge, dann müssten – bei 40 Prozent Lohnzusatzkosten – also 200000 Arbeitsplätze entstehen können. Damit würden möglicherweise 200000 potenzielle Arbeitslose zu den Gewinnern der Sozialreformen gehören.

Zu den mittel- und langfristigen Reformgewinnern gehören deshalb neben Gruppen wie gut ausgebildeten jungen Akademikern, von denen man weiß, dass sie selbst mit einem Soziologiestudium meist noch irgendwann einen adäquaten Job finden, auch Überraschungen: So trösten die Regierungsvolkswirte neuerdings auch die schlecht ausgebildeten Jungen. Wenn die Belastungen auf den Faktor Arbeit sinken, werden sie wieder beschäftigungsfähig – weil die Arbeit insgesamt billiger wird. alf/uwe

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