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Wirtschaft: Werbung zum Mitnehmen

Mehr als drei Milliarden Euro geben deutsche Unternehmen jedes Jahr für kleine Geschenke aus. Die Kunden nehmen sie gerne an

Von Carla Neuhaus

Berlin - Das Reich von Marcus Runow ist bunt. Auf dem Holztresen in der Mitte seines Ausstellungsraumes sitzen gelbe Quietscheenten neben blauen Tesafilmhaltern und Frisbeescheiben, dazwischen liegen rote Butterbrotdosen und grüne Textmarker. In den Wandregalen stehen Tassen in den verschiedensten Formen und Farben neben Kerzenständern und Weckern. „Es gibt kaum etwas, das sich nicht als Werbeartikel eignet“, sagt Runow. Er ist Inhaber von Ellmenreich Werbemittel, einer Berliner Firma, die Unternehmen hilft, das perfekte Giveaway zu finden.

Giveaways, das sind all die kleinen Dinge, die Unternehmen tagtäglich verschenken: vom Kugelschreiber bis zum Eiskratzer. Beschenkt werden Kunden und solche, die es noch werden sollen. Hat das Unternehmen Glück, wird aus dem Werbeartikel ein ständiger Begleiter: die Lieblingstasse für’s Büro, der Anhänger für den Haustürschlüssel, die Jutetasche für den Einkauf im Supermarkt. Und das Markenlogo ist immer dabei.

Mit den kleinen Geschenken verfolgen Unternehmen eine klare Strategie: Sie sollen neue Kunden locken, einen Markennamen stärken oder Sympathie für das Unternehmen schaffen.

Mittlerweile steht hinter den Giveaways ein eigener Wirtschaftszweig. Der Gesamtverband der Werbeartikelwirtschaft (GWW) geht davon aus, dass in Deutschland über 5000 Firmen in der Branche tätig sind. Sie stellen Giveaways her, handeln mit ihnen oder beraten die Unternehmen, welche Werbegeschenke am besten zu ihnen passen. Nach Angaben des Verbands geben die deutschen Unternehmen im Jahr über drei Milliarden Euro für Werbeartikel aus – mehr als für Onlinewerbung oder Hörfunkspots.

Weil die Giveaways in der Anschaffung meist billig sind, können sie sich auch sehr kleine Unternehmen leisten. Aus den Verbandszahlen geht hervor, dass selbst Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern im Jahr durchschnittlich 1430 Euro für Giveaways ausgeben. Handwerker verteilen mit ihrem Logo bedruckte Zollstöcke, Apotheker geben ihren Kunden Taschentücher mit.

Der Vorteil der kleinen Werbeartikel: In der Regel nehmen die Verbraucher sie gerne an – anders als etwa Fernsehwerbung, die sie oft als störend empfinden. „Ein Giveaway ist ein starker Sympathieträger“, sagt Elena Ottaviano von der Baumarktkette Obi. Das Unternehmen verteilt regelmäßig Kugelschreiber und Schlüsselbänder. Für Kinder gibt es den Plüsch-Biber, das Maskottchen der Kette. „Das schafft eine Verbindung zwischen dem Kunden und uns“, sagt Ottaviano.

Während Unternehmen wie Obi die Giveaways möglichst breit streuen, setzen andere sie ganz gezielt ein. So zum Beispiel das Telekommunikationsunternehmen Freenet. „Wir nutzen Werbeartikel in erster Linie als Ergänzung zu unseren großen Kampagnen“, sagt Stephanie Steensen, Teamleiterin für Consumer Marketing. Für die aktuelle Kampagne „Deutschland wählt Freiheit“ wirbt die Kette zum Beispiel mit Pfefferminzbonbons, die „frische Redefreiheit“ versprechen, und Brause „für prickelnde Freiheit“. Außerdem gibt es Tattoos mit dem Spruch „So frei bin ich“, die man sich auf die Zunge kleben kann. Was heraussticht, bleibt im Gedächtnis. Das war auch der Hintergedanke, als Freenet zur vergangenen Fußballweltmeisterschaft Flaschenöffner in Form eines kleinen Fußballs produzieren ließ. Sie gaben beim Öffnen der Flasche den Spruch von sich: „Mach mich auf, mach mich alle.“

Damit ein Giveaway gut bei den Kunden ankommt, muss es nicht unbedingt lustig sein. Wichtiger ist, dass es eine gute Qualität hat. „Geht ein Werbeartikel schnell kaputt, fällt das auf das werbende Unternehmen zurück“, sagt Patrick Politze, Vorsitzender des Gesamtverbands der Werbeartikelwirtschaft. Ein Eiskratzer, der beim ersten Wintereinsatz zerbreche, schade der beworbenen Marke mehr, als er ihr nutze. Denn der Kunde schließt von der Qualität des Giveaways auf die des beworbenen Produkts.

Wie wichtig es ist, dass Werbegeschenke hochwertig sind, zeigt das Beispiel Ikea. Die schwedische Möbelhauskette musste 2006 1,8 Millionen Spielzeugeisenbahnen zurückrufen, die in den Ikea-Restaurants verschenkt worden waren. Das Problem: Die Räder konnten sich lösen und von Kindern verschluckt werden, hatte das Unternehmen damals mitgeteilt. Produktsicherheit geht auch bei Werbegeschenken vor.

Stimmt die Qualität und gefällt das Giveaway demVerbraucher, kann das durchaus seine Kaufbereitschaft beeinflussen. „Werbegeschenke lösen ein Verpflichtungsgefühl aus“, sagt Tobias Vogel von der Universität Mannheim. Je teurer das Geschenk, desto stärker fühlen sich Konsumenten verpflichtet und desto eher kaufen sie später tatsächlich ein Produkt der beworbenen Marke.

Aus eben diesem Grund mag Giveaway-Fachmann Marcus Runow den Begriff des „Werbegeschenks“ nicht: „Ein Unternehmen verschenkt nichts“, sagt er. „Es macht Werbung.“

Runow glaubt zu wissen, womit sich die Konsumenten am ehesten umwerben lassen. Auf der Suche nach dem perfekten Giveaway ist er regelmäßig auf Messen unterwegs und durchforstet die neuesten Kataloge. Eines ist dabei klar: Werbeartikel setzen keine Trends, vielmehr folgen sie ihnen. „Im Kommen sind im Moment vor allem Werbeartikel, die biologisch abbaubar sind“, sagt Runow. Zu diesen grünen Giveaways gehören zum Beispiel Handytaschen aus Filz oder Notizbücher aus Umweltpapier. Selbst biologisch abbaubare Kugelschreiber gibt es bereits. Sie werden aus Kunststoffen auf Mais- oder Holzbasis hergestellt.

Wirbt Runow mit Giveaways für seine eigene Firma, setzt er aber lieber auf Klassiker wie den ganz normalen Kugelschreiber und den Haftnotizblock.

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