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Afrika: Wettlauf um die Bodenschätze

Wer auf dem Kontinent investieren will, der braucht starke Nerven und eine hohe Risikobereitschaft.

„Man kann schwerlich über Afrika sprechen, ohne als Träumer oder als Zyniker zu gelten“, sagt ein Investor, der seit Jahren auf dem Kontinent aktiv ist. 900 Millionen Menschen leben heute zwischen Kapstadt und Kairo. Doch nur ein Bruchteil davon hat genug Geld, um davon mehr als das tägliche Überleben zu sichern. Verlockend ist der Rohstoffreichtum. Doch nur selten ist die für Investitionen nötige Infrastruktur vorhanden.

Nun ist Afrika auch noch in den Sog der Finanzkrise geraten – und dies, obwohl es kaum mit der Weltwirtschaft verzahnt ist und deshalb zunächst als krisenresistent galt. Gerade erst hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose abermals nach unten korrigiert: Mit durchschnittlich nur noch knapp zwei Prozent dürfte das Wirtschaftswachstum erstmals seit zehn Jahren wieder unter der Bevölkerungszunahme von etwa 3,2 Prozent liegen. Gleichwohl scheint selbst die jüngste Wachstumszahl nach dem dramatischen Einbruch der Rohstoffpreise äußerst optimistisch zu sein, zumal mit Südafrika gerade die größte Wirtschaft des Kontinents in die Rezession schlittert.

Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass Afrika verstärkt in den Blick der internationalen Geschäftswelt geraten ist. Begründet liegt dies vor allem im zunehmenden Interesse aus Asien: Während das Afrikageschäft vieler deutscher Konzerne so klein ist, dass es im Geschäftsbericht selten separat ausgewiesen wird, haben Inder und vor allem Chinesen seit einigen Jahren im großen Stil investiert, überwiegend ins Rohstoffgeschäft. Gestützt wird der Optimismus von den Berichten der Weltbank, die allerdings seit Jahren unentwegt Erfolgsgeschichten aus Afrika meldet. Für sie steht der Kontinent wieder einmal vor einer „neuen Ära“. So hätten die 48 Länder südlich der Sahara in den vergangenen fünf Jahren die wirtschaftlich besten Zeiten seit Beginn der Unabhängigkeit vor 50 Jahren erlebt. Besonders ermutigend ist nach Ansicht der Weltbank, dass diesmal nicht nur Afrikas Rohstoffsektor expandiere, sondern auch die Agrar- und Mobilfunkbranche. Kaffee und Kakao, so heißt es, würden auch in Krisenzeiten getrunken. Und telefoniert werde allemal.

Kenias Mobilfunkbetreiber Safaricom symbolisiert dies wie kein anderes Unternehmen. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat Safaricom die Zahl seiner Kunden von 20 000 auf mehr als zehn Millionen geschraubt – und ist damit zum profitabelsten Unternehmen in Ost- und Zentralafrika geworden. Das Erfolgsrezept: Kunden zahlen für ihre Sprechzeit im Voraus und stellen dadurch kein Kreditrisiko dar. Zudem werden Anrufe im Sekundentakt und nicht für jede angebrochene Minute berechnet. So können auch Arme telefonieren. Und schließlich gibt Safaricom seinen Kunden die Möglichkeit, Geldgeschäfte per SMS abzuwickeln, was billiger, schneller und ebenso sicher wie ein gewöhnlicher Banktransfer ist. Die neue Form der Kommunikation hat vielen Afrikanern eine ganz neue Welt geöffnet – und den Mobilfunkanbietern enorme Wachstumsraten beschert. Safaricom-Chef Michael Joseph ist überzeugt, dass der billige Erwerb einer eigenen Telefonnummer, ohne dass der Kunde eine feste Adresse oder finanzielle Sicherheiten hinterlegen muss, für viele Menschen weit mehr in ihrem Leben verändert hat als die gesamte westliche Entwicklungshilfe.

Nichts hat jedoch in Afrika mehr zum jüngsten Aufschwung beigetragen als der – nun zumindest zeitweilig unterbrochene – Rohstoffboom und der dadurch bedingte Wettlauf der großen Minenkonzerne um die Bodenschätze des Kontinents. Kein Zweifel: Wer in der internationalen Rohstoffliga ganz oben mitspielen will, der muss sich trotz des schwierigen geografischen, politischen und klimatischen Terrains in Afrika engagieren.

Gleichwohl bedürfen Investitionen in Afrika wegen der tief verankerten Korruption, aber auch der oft völlig unzureichenden Rechtssicherheit selbst in Jahren der Hochkonjunktur starker Nerven und hoher Risikobereitschaft. Dies gilt besonders für Investitionen im Energiesektor. In welch’ schlechtem Zustand die Infrastruktur gerade hier oft ist, zeigt Nigeria, das trotz seiner 140 Millionen Einwohner nur ein Zehntel der Stromkapazität von Südafrika mit rund 47 Millionen Einwohnern hat. Wie gering aber auch die Rechtssicherheit in Nigeria ist, zeigen die Erfahrungen der Pharmabranche: Bei rund 80 Prozent der dort verkauften Medikamente handelt es sich nach Ansicht von Insidern um Fälschungen. Bezeichnend ist aber auch, dass Afrika insgesamt noch immer nur über einen Anteil von wenig mehr als einem Prozent am Weltpharmamarkt verfügt. Mehr als die Hälfte des Geschäfts entfällt dabei zudem auf die drei wichtigsten Märkte Südafrika, Algerien und Ägypten. Gebremst wird das Geschäft neben der geringen Kaufkraft durch den fehlenden Patentschutz sowie die kaum entwickelten Gesundheitssysteme des Kontinents.

Trotz der ermutigenden Entwicklung in einzelnen Bereichen fußt das jüngste Wachstum in Afrika auf dem Anstieg der Preise für Erdöl und andere Rohstoffe. Zwar gibt es auch in Ländern wie Ghana oder Burkina Faso Fortschritte. Doch in der Mehrzahl der Länder fanden die notwendigen strukturellen Veränderungen nicht statt. Kein Wunder, dass der Anteil der Armen kaum sinkt und der Kontinent wohl als einziger die Ziele des Millenniumsplans der UN verfehlen wird. Dabei könnten sich viele der vermeintlichen Nachteile – wie die zeitweise stark gestiegenen Lebensmittelpreise – für Afrika letzten Endes als Segen erweisen: Vorausgesetzt sie tragen dazu bei, dass der Kontinent seine ineffiziente Landwirtschaft endlich umstrukturiert und profitabel gestaltet. „In Indien wird der größte Teil aller Lebensmittel auf Flächen von weniger als einem Hektar produziert“, gibt Gareth Ackerman von der südafrikanischen Supermarktkette Pick’n Pay zu bedenken. Anders als Afrika sei Indien in weiten Teilen des Landes dennoch in der Lage, seine vielen Menschen fast selbstständig zu ernähren.

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