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Wirtschaft: Wie die Werbung für sich selber werben will

BONN .Es sieht schon sehr staatsmännisch aus, wie Hartmut E.

BONN .Es sieht schon sehr staatsmännisch aus, wie Hartmut E.Reuff da sitzt.Hanseatisch blauer Anzug.Die Hände vor der Brust gefaltet.Und die ernsten Worte, die Reuff spricht.Er redet von "Liberalität" und "Meinungsfreiheit".Von "Jobs" und von dem "Transmissionsriemen zwischen Produktion und Verbrauch", dem "Schmiermittel des Marktes sozusagen".Richtig.Es geht um die Werbung.Bei Hartmut E.Reuff geht die Angst um.Die Angst vor einer Welt ohne Werbung.Ausgelöst hat sie die EU-Kommission in Brüssel mit ihrem Verbot der Tabakwerbung, das schrittweise bis 2001 in den EU-Ländern umgesetzt werden soll.Aber vielleicht kommen bald weitere Werbeverbote dazu, denkt sich Reuff.Vielleicht für Autos, weil sie zu schnell fahren.Oder für Alkohol, weil manche Menschen von der Flasche nicht mehr lassen wollen.Ringsum Werbe-Verbote.Eine schreckliche Vorstellung für Reuff.Also will der Chef der Organisation Werbungtreibende im Markenverband den Anfängen wehren, und deshalb sitzt er an diesem Dienstag morgen im Bonner Presseclub, flankiert von zwei Kollegen aus den Verbänden der Werbewirtschaft.

Sie zeigen eine neue Kampagne.Mit Fernsehspots, Anzeigen und Plakaten wollen sie den Verbraucher von dem hohen volkswirtschaftlichen Wert der Werbung überzeugen.30 Mill.DM geben Verbände und Medien dafür aus.Es geht um viel Geld.60 Mrd.DM dürften Unternehmen, Ministerien und andere Kunden in diesem Jahr für TV-Streifen, Radiospots, Anzeigen oder Plakate ausgeben.Tendenz steigend.Allein bei Zeitschriften, Zeitungen und Fernsehsendern bleiben gut 40 Mrd.hängen.Auf diese hübschen Summen will man nicht verzichten, also muß beim Verbraucher für den Sinn der Werbung richtig geworben werden.Aber wie? Schließlich lösen Waschmittelspots auf der Mattscheibe den Fluchtreflex aus.Inzwischen schalten sogar Geräte den Fernseher aus, wenn ein Werbestreifen flimmert.Wie also überlistet man den Verbraucher? Die Werbeverbände versuchen es mit Argumenten.Sie wollen den Konsumenten davon überzeugen, daß Werbung Arbeitsplätze sichert, den Wettbewerb in der Wirtschaft fördert, eine Vielfalt der Anbieter schafft und die Preise für Produkte senkt.Die Werbung - das Heinzelmännchen des Kapitalismus.Immerhin arbeiteten 1997 gut 350 000 Menschen in der Branche, bei Agenturen und Zulieferern.Und wenn eine Waschmittelpackung heute nur noch ein Viertel soviel kostet wie vor 30 Jahren, liegt das auch an der Werbung - sagt Hartmut E.Reuff.Ziemlich trockene Argumente für das MTV-Zeitalter.Der Sofasitzer verlangt nach schnellen Schnitten und rasenden Kamerafahrten, die schöne Menschen zeigen.Also sehen die Journalisten an diesem Dienstag das Ergebnis der Bemühungen.Ein junger Mann schaut fern und knabbert Chips.Plötzlich wird er von dem Bildschirm aufgesogen und an ferne Küsten gebeamt - wie Captain Kirk im Raumschiff Enterprise.Dort steht er vor einer Wand von Fernsehern, die nach und nach verlöschen.Keine Werbung.Keine Produkte.Kein Service.Keine Programme.So einfach ist das.Und wuuusch - beamt ihn die unsichtbare Kraft zurück in seine Wohnung.Ausgedacht hat sich das Fernsehkonzept übrigens die Düsseldorfer Werbefirma Grey.Das war die Agentur, die den Computerunternehmer Jost Stollmann zum Wirtschaftsminister aufbauen wollte.Vielleicht klappt es mit der Werbung besser als mit der Politik.

ANDREAS HOFFMANN

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