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Wohin soll es gehen? Was ist mir wichtig? Diese Fragen machen junge Arbeitslose in dem Theaterstück "Dunkelbunt" zum Thema.

© Marco Baass

Wie junge Menschen auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden: Generalprobe

Etwa jeder siebte Jugendliche in Berlin ist arbeitslos. Die Jobcenter tun einiges, um das zu ändern. Zum Beispiel fördern sie das Theaterprojekt Jobact.

Petra Donner hat bereits zahlreiche berufsvorbereitende Kurse geleitet. Zwei Jahre war die Diplom-Pädagogin als Dozentin in Jobcenter-Maßnahmen tätig und für jugendliche Arbeitslose zuständig. „Da stand ich dann vor diesen Klassen und erzählte den Jugendlichen, wie wichtig Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Beruf sind“, sagt die 38-jährige. Doch der Erfolg wollte sich nicht einstellen. Die üblichen Berufsbildungsangebote machten für sie immer weniger Sinn. Im Studium hatte sie sich vor allem mit Theaterpädagogik befasst. „Als ich dann von Jobact las, wusste ich ziemlich schnell: Das ist es!“

Ein paar Jahre später nun leitet sie das von den Jobcentern geförderte bundesweite Theater- und Schauspielprojekt für Arbeitslose unter 25 Jahren für den gesamten ostdeutschen Raum. Außerdem ist sie für „Lingua Szena“ zuständig, das Pendant für Menschen mit Migrationshintergrund. Bei den Projekten kann mitmachen, wer Hartz IV bezieht. Häufig haben die Teilnehmer keine oder ein abgebrochene Ausbildung.

Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen ist ein großes Problem in Berlin. 14 Prozent der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren waren nach Angaben der Agentur für Arbeit im März ohne Job, in etwa genauso viele wie im Vorjahr. Die meisten von ihnen haben keinen Schulabschluss oder einen Hauptschulabschluss. Ihre Vermittlungschancen in den ersten Arbeitsmarkt sind gering. Jobact soll ihnen helfen. Doch warum sollen junge Arbeitslose Theater spielen, wenn sie irgendwann als Friseure oder Mechatroniker, aber nicht als Schauspieler arbeiten werden?

„Wenn Jugendliche ein Theaterstück konzipieren und aufführen, tun sie etwas für die Persönlichkeitsentwicklung“, sagt Petra Donner. Dies ist ein wichtiger Baustein bei Jobact: Das Projekt will junge Menschen ein kleines Stück in Richtung Arbeitswelt begleiten.

Mit verschiedenen Maßnahmen versuchen die Jobcenter und freie Träger, den Jugendlichen das Selbstbewusstsein zu geben, das ihnen oft im Laufe ihrer schulischen und beruflichen Niederlagen abhanden gekommen ist. Die Projekte sollen sie bei der Berufsentscheidung unterstützen, sie coachen und sie motivieren, einen Schulabschluss nachzuholen oder eine Ausbildung zu absolvieren.

Das Ergebnis solcher Maßnahmen kann sich durchaus sehen lassen. Im Jahr 2010 waren beim Jobcenter Tempelhof-Schöneberg 180 Tage nach dem Ende eines berufsfördernden Angebotes immerhin knapp 40 Prozent der Jugendlichen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Jobact ist einer der Leuchttürme der Maßnahmen. Sogar 60 Prozent der Teilnehmer werden in eine Ausbildung oder auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.

Jobact wird von der „Projektfabrik“ koordiniert, einem freien Träger mit Hauptsitz in Witten im Ruhrgebiet. Seit der Gründung 2005 gab es 123 Theaterprojekte in 39 Städten. Gründerin Sandra Schürmann erhielt für die Theaterpädagogik und Bewerbungsmanagement verbindende Konzeption 2010 das Bundesverdienstkreuz. In Berlin gab es das Projekt erstmals 2007.

Und so läuft es ab: Eine Gruppe von 15 bis 20 Teilnehmern entwickelt während des Kurses über zehn Monate hinweg ein Theaterstück. Daneben steht aber auch politisch-gesellschaftliche Bildung auf dem Programm, etwa durch Gruppenexkursionen. In der Regel wird Jobact potenziellen Interessenten im Jobcenter vorgestellt und ihnen als Weiterbildungsmaßnahme angeboten. Für manche ist die Teilnahme auch verpflichtend. „Das funktioniert aber nicht. Wenn jemand nicht aus freien Stücken kommt, dann fehlt er andauernd“, sagt Donner.

Die Jugendlichen lernen kollegialen Umgang

Fürs Leben. Wer bei Jobact mitmacht, verbessert seine Berufsperspektiven. Laut Statistik müsste mehr als jeder zweite Teilnehmer in diesem Jahr einen Job finden.
Fürs Leben. Wer bei Jobact mitmacht, verbessert seine Berufsperspektiven. Laut Statistik müsste mehr als jeder zweite Teilnehmer in diesem Jahr einen Job finden.

© Marco Baass

Ob es weitere Jobact-Projekte in Berlin geben wird, steht noch nicht fest. Aber Jobcenter unterschiedlicher Bezirke haben Interesse bekundet. „Die Gespräche laufen“, berichtet Donner.

In der Regel absolvieren die Teilnehmer nach der Theaterarbeit ein Betriebspraktikum, das ist vorgesehener Bestandteil des Projekts. Im Idealfall läuft das so wie beim ehemaligen Teilnehmer Haroun: Der Libanese arbeitete in der Maßnahme an seinem Auftreten, suchte sich dann ein Praktikum im Elektronikfachhandel und ist nun dort als Auszubildender angestellt.

Was macht Theaterpädagogik mit den Menschen? „Hier in Berlin sind die Theatergruppen zunächst einmal Stabilisierungsprojekte“, sagt Donner. Es gehe oft darum, soziale Kompetenzen, Grundsätzliches zum Arbeitsleben und zum kollegialen Umgang zu vermitteln.

Starkes Ich. Theaterspielen fördert die Auseinandersetzung mit sich selbst.
Starkes Ich. Theaterspielen fördert die Auseinandersetzung mit sich selbst.

© Marco Baass

Die Auseinandersetzung mit sich, mit der Arbeitswelt, mit der Lebenswirklichkeit ist bei Jobact entscheidend. Bei vielen Teilnehmern sehe man offensichtliche Entwicklungsschritte. Woran Donner das festmacht? „Manchmal sieht man es schon an der Körpersprache, dass Jugendliche offener werden.“ Die Projektleiterin zitiert den Schweizer Theaterpädagogen Felix Rellstab: „Theaterpädagogik festigt das Selbstbewusstsein des Einzelnen, regt die Kommunikationsfähigkeit an und erleichtert das Zusammenleben mit Gleichgesinnten und mit fremden Anderen.“

Kritikern von Jobact ist das zu wenig. Sie bemängeln, derartige Maßnahmen führten nicht direkt zur beruflichen Befähigung und seien demnach zu kostenintensiv. Jüngst strahlte der Sender 3Sat die Dokumentation „Die Hartz-Maschine“ aus, bei der die Kosten für die Jobact-Kurse aufgelistet wurden. Sie stünden in keinem Verhältnis zu den Kompetenzen, die sie vermittelten, hieß es. Bis zu 100 000 Euro werden für ein einzelnes Projekt laut „Projektfabrik“ aufgewendet. Fehlgeleitetes Geld, wie die Autorin des Beitrages meint.

Was Donner ihr entgegnen würde? „Wenn wir nicht in die Zukunft unserer Jugend investieren, in was denn dann?“, gibt sie die Worte der Jobcenter-Geschäftsführerin in Tempelhof-Schöneberg, Ingrid Wagener, wieder.

Donner und ihre Schüler haben im März die Premiere des Stücks „Dunkelbunt“ gefeiert. 140 Besucher saßen bei der Aufführung im Schöneberger Nachbarschaftsheim im Publikum. „In dem Stück stellt sich die Hauptfigur die Frage, was sie eigentlich vom Leben erwartet, was sie erreichen will und welche Werte für sie wichtig sind“, sagt Donner.

Auch die Projektleiterin war vor der Premiere ziemlich nervös. Aber wieder einmal ging alles gut.

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