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Wirtschaft: Wiener Börse Newex: Eine Börsen-Brücke nach Osteuropa

Sie will eine Art Neuer Markt für Mittel- und Osteuropa sein. Seit wenigen Tagen erst ist Europa um eine Börse reicher: in Wien ging die Newex (New Europe Exchange) an den Start, eine Spezialbörse für Aktien und Neuemissionen aus Rußland, Polen, Tschechien, Ungarn und anderen Ost-Ländern.

Sie will eine Art Neuer Markt für Mittel- und Osteuropa sein. Seit wenigen Tagen erst ist Europa um eine Börse reicher: in Wien ging die Newex (New Europe Exchange) an den Start, eine Spezialbörse für Aktien und Neuemissionen aus Rußland, Polen, Tschechien, Ungarn und anderen Ost-Ländern. Die beiden Mütter des neuen Börsenkinds, die Deutsche Börse in Frankfurt und die Börse Wien, wollen mit der Newex einen "Qualitätsmarkt" schaffen, der privaten und institutionellen Investoren mehr Sicherheit und den aufstrebenden Ost-Unternehmen Zugang zu westlichem Kapital verschafft - eine Art Börsen-Brücke nach Osteuropa also.

Der Standort Wien wurde gewählt, weil Österreich und seine Finanzwirtschaft aufgrund von Geschichte und räumlicher Nähe die Märkte in Mittel- und Osteuropa am besten kennen. Angesichts des schwachen Börsenumfelds sei man rundum zufrieden mit dem Start der Börse, so Newex-Sprecherin Christel Koch.

Wegen der mangelnden Transparenz und der spärlichen Informationen über die einzelnen Unternehmen scheuten sich viele Anleger noch, in den östlichen Reformländern zu investieren, sagt Erich Obersteiner. Zu Unrecht, meint der österreichische Banker, der zusammen mit Michael Radtke von der Dresdner Bank die neue Börse leitet. Denn die östlichen Volkswirtschaften, prophezeit Obersteiner, würden "in den nächsten zehn bis 15 Jahren mindestens doppelt so stark wachsen wie die Euro-Zone" - allen voran Tschechien, Polen und Ungarn, die nächsten Beitrittskandidaten für die Europäische Union.

Die neue Börse vesteht sich als einheitliche, verlässliche und sichere Plattform, auf der nur Firmen zugelassen seien, die gewisse Standards erfüllten. Die Newex habe sich dabei, so Obersteiner, am Regelwerk des Neuen Marktes in Frankfurt orientiert. Am Start sind zunächst einmal 91 Firmen, von denen acht im Qualitätssegment NX.plus, der Rest im Basissegment notieren. Eine Hauptrolle an der Newex soll, wie am Neuen Markt, der NX.one-Markt für Neuemmissionen spielen. Die ersten Ost-Börsengänge stehen allerdings erst Anfang nächsten Jahres auf der Agenda und sollen junge und vor der Restrukturierung stehende Ost-Firmen mit westlichem (Risiko-)Kapital zusammenbringen. An beide Segmente stellt die neue Börse hohe Qualitäts-Anforderungen: Die gelisteten Firmen müssen nach internationalen Kriterien bilanzieren, regelmäßig Analystenkonferenzen abhalten und Quartalsberichte vorlegen und kursrelevante Nachrichten sofort veröffentlichen, um Anleger vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren. Die Einhaltung dieser Standards werde man "kompromisslos einfordern", verspricht der Newex-Vorstand. Wer sich nicht daran halte, müsse mit Sanktionen rechnen - bis zum Entzug der Zulassung.

Gegenwärtig in der Newex-Bundesliga NX.plus notiert sind unter anderem die russischen Ölgiganten Lukoil, Sibneft und Tatneft, der ungarische Konservenkonzern Globus und die Slowakopharma. Insgesamt beginnt die Ost-Börse laut Obersteiner mit einer Marktkapitalisierung von 54 Milliarden Euro, das entspricht in etwa dem halben Börsenwert aller börsennotierten Unternehmen der Region. Gehandelt werden alle Papiere grundsätzliche in Euro und - soweit möglich - in Form von Originalaktien, die bessere Aktionärsrechte verbriefen als die sogenannten American Depositary Receipts (ADR), eine Art Ersatzaktie für den Handel vor allem russischer und polnischer Papiere abseits der Heimatbörse. Geplant ist auch der Handel mit Anleihen und Optionsscheinen, zudem soll es ab 2001 einen eigenen Index für Ost-Bluechips geben.

Was sollte einen Anleger bewegen, an der Newex zu kaufen - und nicht, wie bisher, beispielsweise an der Berliner Börse, die sich auf osteuropäische Papiere spezialisiert hat? Obersteiner wirbt mit einem "völlig neuen Marktmodell, das wir speziell für Aktien der Region entwickelt haben." Denn das Hauptproblem der meisten Ost-Papiere ist die oft mangelnde Liquidität: Wenn an einem Tag nur wenige Stücke umgehen, hat das meist extreme Kursschwankungen, teils unrealistische Kursfeststellungen und teure Teilausführungen von Aufträgen zur Folge. Die Newex will das Problem lösen, indem sie das elektronische Handelssystem Xetra mit der Kursfeststellung durch Makler verbindet. Letztere führen ein permanent offenes Orderbuch, garantieren fortlaufend neue Kurse und Liquidität, während Xetra für die technisch effziente Orderabwicklung sorgen soll. Der Anschluss an Xetra soll der Newex zudem helfen, Anleger aus ganz Europa zu gewinnen. Zum Start sind 20 Banken und Broker aus Deutschland, Österreich und Großbritannien mit von der Partie, darunter Deutsche und Dresdner Bank und, als Online-Bank, die Direkt Anlage Bank.

An der Berliner Börse, mit 145 Ost-Aktien, zahlreichen Anleihen und Umsätzen von acht Milliarden Mark im Jahr bisher Deutschlands wichtigste Adresse für Osteuropa-Anleger, gibt man sich betont gelassen. "Die Anleger haben keinen Grund, sich umzuorientieren", beteuert Börsensprecherin Eva Klose. "Konkurrenz belebt das Geschäft", heißt es dazu im Newex-Vorstand, der Anleger wie Unternehmen in der Startphase mit "Sonderangeboten" nach Wien locken will: Firmen zahlen ein Jahr lang keine Listing-Gebühren, die Banken sparen sich drei Monate lang die Transaktionskosten.

Veronica Csizi

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