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Wirtschaft: Willkommen im Kreml

Gerhard Schröder ließ sich gern als „Friedenskanzler“ bezeichnen. In einer anderen denkwürdigen Formulierung nannte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen „lupenreinen Demokraten“ und ignorierte kurzerhand dessen blutigen Krieg in Tschetschenien.

Gerhard Schröder ließ sich gern als „Friedenskanzler“ bezeichnen. In einer anderen denkwürdigen Formulierung nannte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen „lupenreinen Demokraten“ und ignorierte kurzerhand dessen blutigen Krieg in Tschetschenien. Nun wird der „Friedenskanzler“ für seinen Duzfreund in Moskau arbeiten. Weniger als einen Monat nachdem Schröder aus dem Amt schied, soll er Aufsichtsratschef der North European Gas Pipeline (NEGP) werden, die eine vier Milliarden Euro teure Gasleitung von Russland nach Deutschland baut. Der staatliche russische Energiekonzern Gasprom besitzt 51 Prozent des Betreiberkonsortiums. Willkommen im Kreml, Herr Schröder.

Der Altkanzler trieb den Deal Anfang September voran, also genau zu jener Zeit, als alle Umfragen darauf hindeuteten, dass er in Bälde seinen Kanzlerjob los sein würde. Genau wie ehemalige Präsidenten haben Altkanzler das Recht, neue Beschäftigungen anzunehmen. Dennoch „stinkt“ der Pipeline-Deal. Denn die Leitung durch die Ostsee wird Polen, die Ukraine und die baltischen Staaten umgehen. Das ist kein Zufall. Russland gewinnt so mit deutscher Hilfe mehr Einfluss auf seine früheren Vasallen. Niemand kauft den Beteiligten das Argument ab, dass die Ostsee-Pipeline Transitgebühren spart. Denn ihr Bau wird teurer als alternative Routen, die man hätte erwägen können.

Bedauerlich, dass Schröder an den üblichen Beschäftigungen für Staatsmänner im Ruhestand – zum Beispiel Häuser für die Armen zu bauen oder Vorträge zu halten – kein Interesse hat. Doch der ehemalige Bundeskanzler wird seinen neuen Job gewiss materiell lohnend finden und bei Gasprom sicher auch auf Genossen treffen, deren Sicht der Welt sich mit der seinen deckt. Beitrag aus: The Wall Street Journal.

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