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Wirtschaft: „Wir brauchen ein optimistisches Lebensgefühl“

Boss-Chef Bruno Sälzer über Mode für Männer und Frauen, die Konsumflaute und die Rabattaktionen des Einzelhandels

Herr Sälzer, warum tragen Männer eigentlich keine Röcke?

Das tun sie, in Schottland oder Indien zum Beispiel. Wir haben zwar keine im Programm, aber viele Designer entwerfen auch Röcke für Männer. Allerdings sind das häufig WerbeGags.

Wie ändert sich der Markt für die Mode langfristig?

Der Bereich Freizeit und Sport gewinnt ein immer größeres Gewicht. Unser Unternehmen kommt zwar aus der klassischen Herrenmode. Inzwischen ist bei uns der Anteil an freizeitorientierter Kleidung schon fast so hoch wie der der klassischen Mode.

Woran liegt das?

Der Mann kleidet sich heute in seiner Freizeit deutlich besser als früher. Noch vor zehn bis fünfzehn Jahren wurde in der Freizeit viel einfache Sportbekleidung getragen, also Jogginghose und T-Shirt. Das hat sich geändert.

Als Modekonzern müssen Sie immer den Geschmack der Käufer treffen. Wie spürt man Trends auf?

Dadurch, dass unser Hauptsitz in Metzingen liegt, kommt keiner auf die Idee, dass hier die Mode entsteht. Wir sind gezwungen, in die Welt zu gehen und dort die Mode zu spüren. Unsere kreativen Mitarbeiter reisen in die Metropolen dieser Welt und schauen sich in den angesagten Clubs, Bars und Restaurants um. Dort bekommen sie ein Gefühl für den Stil, der dort gerade gelebt wird. Unser Reisebudget ist astronomisch.

Was ist denn derzeit angesagt?

Man hat vor der Jahrtausendwende gedacht, der opulente Luxus kommt zurück. Das war nach einer Saison vorbei. Verschwenderischer Luxus ist in Krisenzeiten nicht angesagt. Bei Business-Kleidung bevorzugen die Kunden wieder mehr hochwertige Ware mit guter Verarbeitung. Das ist aber eher ein dezenter Schick. Zudem achten die Männer sehr stark auf Bequemlichkeit. Auch sehr moderne, eng geschnittene Anzüge müssen heute einen hohen Tragekomfort haben.

Sie planen jetzt schon die Mode und die Kollektionen für den nächsten Winter. Wie können Sie die Neuigkeiten so weit im voraus erkennen?

In der hochwertigen Herrenmode gibt es keine abrupten Brüche. Das entwickelt sich meist über mehrere Saisons in eine Richtung und dreht dann wieder. Nehmen sie den Anzug. Die Breite des Revers ändert sich nicht plötzlich von sehr schmal zu sehr breit. Das dauert einige Jahre. Ähnlich ist das bei der Knopfstellung.

Männer tragen immer noch den Einheitslook: Anzüge und Krawatten. Wann sind wir die Schlipse endlich los?

Erst einmal gar nicht. Der Trend geht sogar wieder zurück zur Krawatte. In Europa und USA ist die Entwicklung zu legerer Bekleidung gestoppt. Das hängt damit zusammen, dass die New Economy und die Wachstumsindustrien nicht mehr so angesagt sind. Wenn wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch wieder mehr das Seriöse gefragt ist, achten die Menschen auch wieder mehr auf eine formelle Bekleidung.

Hat die Konsumflaute in Deutschland und Europa auch Hugo Boss erwischt?

Wir haben in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres etwa sieben Prozent weniger Umsatz als im Vergleichszeitraum 2001 gemacht. In unserem Marktsegment, das sich an eine kaufkräftige Kundschaft richtet, ist das Geld aber nach wie vor da.

Und, wird es auch ausgegeben?

Das ist das Problem. Es wird nicht ausgegeben, weil man für unsere Produkte ein optimistisches Lebensgefühl braucht. Da muss Einkaufen Spaß machen, da muss es auch dem Nachbarn gut gehen. Diese positive Konsumstimmung haben wir in Deutschland nicht. Das ist übrigens nur hier so. Im Rest Europas und der Welt läuft es deutlich besser.

Ist die tatsächliche Lage in Deutschland schlechter als anderswo?

Nein. Die Lage ist nur in der Wahrnehmung der Menschen schlecht. Viele Konsumenten rechnen weiter mit steigenden Steuern und Abgaben, wissen aber noch nicht, was wirklich auf sie zukommt. Das verunsichert.

Und wie ist die Stimmung an ihrem Firmensitz im schwäbischen Metzingen?

Baden-Württemberg steht im Vergleich der Bundesländer sehr gut da. Die Arbeitslosenquote in unserer Region liegt bei rund fünf Prozent. Man spürt schon, dass der Pessimismus nicht so stark ist. Die großen Unternehmen in der Gegend wie Porsche oder Daimler-Chrysler halten sich sehr gut. Allein wir haben in diesem Jahr rund 500 neue Mitarbeiter eingestellt, davon mehr als 200 in Deutschland.

In den Geschäften tobt eine Rabattschlacht, um die Kunden zu locken, ihr Geld doch noch auszugeben. Beschädigt das eine Qualitätsmarke wie Boss?

Die Rabattaktionen sind eine Gefahr für die Markenhersteller. Die Konsumenten wissen nicht mehr, welcher Preis angemessen ist. Das ist eine Spirale abwärts, die wir nicht mitmachen wollen. Deshalb reden wir mit unseren Großkunden und tun alles, dass wir nicht in diese Rabattaktionen einbezogen werden.

Wird diese Rabattwelle anhalten?

Das wird sich wieder beruhigen. Nach dem Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung haben die Händler erst mal alles getestet, was möglich ist.

Boss will auch Frauen einkleiden. Die ersten Kollektionen waren ein Flop.

Der erste Versuch war nicht gelungen, weil wir es nicht geschafft haben, die Vorteile der Marke Boss auf die Damenkollektion zu übertragen. Das begann beim Design und endete bei der Passform. Das lag auch daran, dass die Damenkollektion in Mailand gemacht wurde und die Kommunikation mit dem Stammhaus nicht funktionierte.

Jetzt versuchen Sie es erneut. Was machen Sie anders?

Boss Woman managen wir jetzt in Metzingen. Modisch haben wir einen Relaunch gemacht. Die Modeaussage der neuen Kollektion passt jetzt besser zu der Herrenkollektion. Die Reaktionen aus dem Handel und von den Kunden stimmen uns positiv: Die neue Kollektion gilt als frischer, jünger und modischer.

Was macht denn die Marke Boss aus?

Eine Weltmarke wie Boss verkörpert ein bestimmtes Lebensgefühl. Männer, mit denen wir noch 95 Prozent unserer Umsätze machen, definieren sich über ihre Kleidung, Accessoires wie Uhren oder einen bestimmten Duft. Die Marke muss in der Werbung Hinweise für die unterschiedlichen Interessen und Werte des Mannes geben. Das machen wir, indem wir den dynamischen Teil der Marke über die Formel Eins abdecken, den sportlichen über Tennis und Golf. Kunst und Kultur sind in den vergangenen Jahren viel wichtiger geworden. Deshalb arbeiten wir in diesem Bereich schon seit Jahren mit dem Guggenheim-Museum zusammen.

Wie hoch ist der Marketing-Aufwand für die Marke Boss?

Für den gesamten Konzern sind das rund acht Prozent vom Umsatz, also rund 80 Millionen Euro. Bei Boss Woman ist der Anteil deutlich höher, weil die Marke noch neu ist. Eine Modemarke lebt von der Kommunikation, von der Auseinandersetzung der Kunden mit der Marke. Das muss man immer wieder in allen möglichen Facetten inszenieren.

Unter Ihrer Marke erscheinen Produkte wie Parfüms, Klappfahrräder oder Aschenbecher. Bauen sie das Lizenzgeschäft weiter aus?

Wir sind da sehr vorsichtig, weil die Gefahr besteht, die Marke zu überdehnen. Das heißt, der Verbraucher weiß irgendwann nicht mehr, für was die Marke eigentlich steht. Wir wollen bei der Kernkompetenz unserer Marke bleiben, die immer mit dem Körper des Mannes zu tun hat: Schuhe, Brillen, Uhren, Gepäck oder der Duft gehören dazu. Wenn wir Produkte wie Fahrräder oder Skateboards herstellen lassen, dann aus Gründen des Markenschutzes.

Produziert Boss eigentlich noch in Deutschland?

Wir haben hier in Metzingen noch eine Fabrik und betreiben noch drei weitere Produktionsstätten in der Türkei, der Schweiz und in den USA. Deutschland ist mit Abstand der teuerste Standort, den wir uns aber gerne leisten. Hier können wir unsere Ideen schneller umsetzen und komplizierte Sachen ausprobieren. Große Serien lassen sich hier aber nicht mehr produzieren. Rund drei Viertel der Produktion lassen wir von Partnern herstellen, die überwiegend in Ost- und Südosteuropa angesiedelt sind.

Ihre Aktie von hat seit März dieses Jahres etwa zwei Drittel ihres Wertes verloren ...

Die Aktie liegt jetzt bei einem Dreijahrestief. Vor drei Jahren hat die Euphorie für Boss Woman angefangen. Weil der Markt für Damenmode 60 bis 70 Prozent größer ist als bei den Männern, war da viel Fantasie bei den Anlegern. Nachdem wir die Erwartungen mit der Damenkollektion nicht erfüllt haben, hat uns die Börse abgestraft. Wenn wir es aber schaffen, den Trend bei Boss Woman zu drehen, dann ist wieder ein deutlicher Kursanstieg drin. Unser Ziel ist es, in zehn Jahren rund 30 Prozent des Umsatzes mit Damenmode zu machen.

Das Gespräch führte Maurice Shahd.

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