zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Wir fordern unsere Ansprüche bei der Bahn ein“

Verkehrsminister Tiefensee über Immobiliengeschäfte des Staatsunternehmens und die Auswirkungen auf den Börsengang

Herr Tiefensee, der Bundesrechnungshof wirft der Bahn vor, Immobilien innerhalb des Konzerns falsch verbucht und dadurch zu Unrecht öffentliche Zuschüsse kassiert zu haben. Werden Sie dieses Geld von der Bahn zurückfordern?

Wenn für den Steuerzahler ein Schaden entstanden sein sollte, dann wird der Bund Rückforderungen geltend machen. Es gab in einem Schreiben aus meinem Ministerium an den Bundesrechnungshof leider eine missverständliche Formulierung. Ich will klar sagen: Wenn die Bahn zu Unrecht Fördergelder erhalten haben sollte, werden sie vom Bund zurückgefordert. Übrigens macht der Bund gegenüber der Bahn jedes Jahr Forderungen geltend, wenn Mittel nicht korrekt eingesetzt wurden. Seit 1996 musste die Bahn 2,4 Milliarden Euro zurückzahlen. Das sind rund sieben Prozent der Investitionssumme. Hinzu kommen 330 Millionen Euro Zinsen.

Der Bundesrechnungshof spricht bei den Immobilien von einem Schaden in nicht weiter bezifferter Millionenhöhe. Wissen Sie schon, um wie viel Geld es geht?

Im Moment sieht es nicht so aus, als wenn der Bund tatsächlich geschädigt wurde. Wir sind aber noch mitten in der Prüfung, sodass es noch kein abschließendes Ergebnis gibt.

Trotzdem bleibt das Problem der falschen Zuordnung der Immobilien ...

Ja, seit Jahren ist die falsche Zuordnung von Immobilien bekannt und geduldet worden. Fördergelder wurden nicht nach geltendem Recht eingesetzt, weil die Bahn ihre Immobilien nicht wie vereinbart korrekt zwischen Holding und Konzerntöchtern verteilt hat. Allein das ist gravierend, selbst wenn kein monetärer Schaden für den Bund entstanden sein sollte. Bund, Bahn und Rechnungshof arbeiten zusammen mit Hochdruck daran, endlich ordentliche Verhältnisse herzustellen.

Ende September soll eigentlich die Entscheidung über den Börsengang der Bahn fallen. Können Sie den Zeitplan halten?

Davon gehe ich aus, auch wenn wir durch die Immobilienfrage Zeit verlieren und Kräfte binden. Qualität geht aber vor Schnelligkeit. Ein Börsengang hat nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn den potenziellen Anlegern mit größtmöglicher Transparenz klar ist, wie das Unternehmen tatsächlich dasteht. Deshalb habe ich den Bahnvorstand auch im Februar aufgefordert, die Grundlagen dafür zu schaffen. Dazu gehört für mich auch der Netzzustandsbericht ...

... in dem die Bahn nachweist, wie gut der Zustand des Schienennetzes in Deutschland ist.

Dieser Bericht liegt inzwischen in einer ersten Fassung vor. Dann müssen die Eckpunkte einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn und Bund geklärt sein, um den Rahmen für die Investitionen ins Schienennetz auch nach einem Börsengang der Bahn zu schaffen. Und die Immobilienfrage muss vom Tisch.

Die Bahn vertritt bei den Immobilien allerdings eine vollkommen andere Rechtsauffassung als der Bund.

Wir haben seit einiger Zeit bereits eine Grundsatzeinigung. Der Bund besteht auf seiner Position, dass die Bahn-Holding nur die Immobilien behalten darf, die für ihre Aufgaben notwendig sind. Bund, Bahn und Bundesrechnungshof sind in einer Arbeitsgruppe dabei, diese komplexe Materie in einen Vertragstext zu gießen.

Was passiert, wenn Sie sich doch nicht mit der Bahn einigen können?

Wir müssen zusammen zu einem Ergebnis kommen, das dem geltenden Recht entspricht und das alle mittragen. Sonst würde der Prozess der Bahnprivatisierung ins Stocken geraten.

Die Parlamentarier fühlen sich von Ihnen bisher nicht ausreichend informiert, die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss, wenn Ende August nicht bestimmte Fragen beantwortet werden. Werden sie die Antworten bekommen?

Ja. Ich lege großen Wert darauf, dass das Parlament wie bisher alle notwendigen Informationen erhält. Ich arbeite daran, dass wir zu einem Ergebnis kommen, dem nicht nur die Koalition, sondern auch die Opposition zustimmen kann.

Unklarheit herrscht auch bei einem wichtigen Immobilienprojekt für Berlin - der Schienenanbindung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg International, BBI. Die Bahn hat sich lange gesträubt, Risiken zu tragen. Sind Sie da weitergekommen?

Nach einem Gespräch zwischen Herrn Mehdorn und mir gibt es jetzt eine Einigung. Anfang September werden wir die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnen. Die Bahn baut und muss pünktlich zur Eröffnung des BBI 2011 fertig sein. Wird der Termin nicht eingehalten, muss die Bahn Vertragsstrafen zahlen. In dieser Frage hat sich der Bund nach schwierigen Verhandlungen durchgesetzt.

Das Interview führte Bernd Hops.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false