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Wirtschaft: "Wir freuen uns und wir leiden mit dieser Stadt"

TAGESSPIEGEL: Herr Rupf, im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft kommt es zu einer Reihe von Veränderungen.Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

TAGESSPIEGEL: Herr Rupf, im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft kommt es zu einer Reihe von Veränderungen.Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

RUPF: Jeder Aktionär erwartet von einem Aufsichtsrat, daß er den Vorstand qualifiziert berät und kontrolliert und daß er die Interessen der großen Aktionäre sachgerecht einbringt.Schließlich soll das Gremium eine Ausstrahlung nach außen haben.Aus dem alten Aufsichtsrat werden Edzard Reuter und einige andere aus Altersgründen ausscheiden.Die neuen Kandidaten stellen für die Bank aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung - wie schon ihre Vorgänger - eine Bereicherung dar.Die neuen Mitglieder kommen aus unterschiedliche Branchen, aus unterschiedlichen Unternehmen.Wir werden Aufsichtsräte haben, die selbst als Unternehmer aktiv sind und aus eigener Erfahrung Ratschläge geben können, auf was es ankommt.

TAGESSPIEGEL: Mit welchen Ratschlägen rechnen Sie denn?

RUPF: Die Bankgesellschaft hat eine klare unternehmerische Konzeption erarbeitet, jetzt beginnt die Umsetzungsphase.Dies bedeutet natürlich auch an der einen oder anderen Stelle unternehmerische Härte.Der Vorstand muß die Maßnahmen formulieren, aber der Aufsichtsrat muß sie begleiten, insbesondere ein mitbestimmter Aufsichtsrat, wie wir ihn bei der Bankgesellschaft haben.Gleichzeitig haben wir im Aufsichtsrat die Vertreter von Großaktionären, die aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich kommen und deshalb gesellschaftspolitischen Überlegungen in besonderem Maße unterliegen.Deshalb ist die Verantwortung derjenigen Mitglieder, die nicht aus diesen Segmenten kommen, besonders groß.Sie müssen den Sachverstand der Wirtschaft in das Gremium einbringen.

TAGESSPIEGEL: Ist der Vorschlag, Manfred Bodin von der Norddeutschen Landesbank in den Aufsichtsrat zu wählen, eine vorgezogene oder nachgezogene Fusion mit der NordLB?

RUPF: Nein, weder noch.Aber ich habe mich gewundert, daß die NordLB bisher keinen Vertreter im Aufsichtsrat hatte.Schließlich spiegelt die Mitgliedschaft in dem Gremium die Aktionärsstruktur wider.Und wenn man wie die NordLB zwischen 15 und 20 Prozent der Anteile hält, steht einem im Prinzip ein Sitz im Aufsichtsrat zu.

TAGESSPIEGEL: Bekannte Köpfe aus Berlin scheiden aus.Wenden Sie sich von der Stadt ab?

RUPF: Wir haben in Zukunft im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft etwas weniger Vertreter der Berliner Wirtschaft.Aber in den anderen Gremien im Konzern ist die Berliner Wirtschaft nach wie vor stark vertreten, und wir haben auch vor, bis zum Ende dieses Jahres einen Beirat der Bankgesellschaft zu installieren.Ihm werden Berliner, aber auch Persönlichkeiten aus dem Bundesgebiet angehören.Einige werden auch aus dem Ausland kommen beziehungsweise international orientiert sein.Dieser Beirat soll die Basis eines Netzwerks bilden.

TAGESSPIEGEL: Haben Sie eigentlich gewußt, was auf Sie zukam, als Sie sich 1996 entschieden haben, zur Bankgesellschaft zu wechseln?

RUPF: In den Grundzügen natürlich.Was Ausmaß und Komplexität der Aufgabe betraf, nicht in vollem Umfang.

TAGESSPIEGEL: Wenn Sie gewußt hätten, was auf Sie zukommt, wären Sie dennoch dem Ruf gefolgt?

RUPF: Ich habe auf die ersten Anfragen negativ reagiert.Zunächst hatte ich meine Zweifel an einem erfolgreichen Zusammenschluß mit dieser Struktur.1996 habe ich dann das Potential dieser Bank anders eingeschätzt und "Ja" gesagt.Ich sah eine interessante Aufgabe und war auch neugierig auf die werdende Hauptstadt.Den Ausschlag für meine Entscheidung gaben schließlich mehrere Gespräche mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Edzard Reuter - ein Unternehmer einerseits, aber auch ein ausgesprochener homo politicus.Auch ich bin unter anderem deshalb Banker geworden und geblieben, weil in dieser Rolle breitgefächerte Aufgaben zu lösen sind.Die Probleme in der Geld- und Finanzwirtschaft sind denen in Gesellschaft und Politik oft sehr ähnlich.

TAGESSPIEGEL: Was haben Sie sich für die kommenden drei Jahre vorgenommen?

RUPF: Wir haben viel Zeit auf externe Fragestellungen, etwa eine Fusion mit der NordLB, verwendet.Aus meiner Sicht ist dabei die Restrukturierung des Konzerns zu kurz gekommen.In drei Jahren soll diese Phase erfolgreich abgeschlossen sein.Der Konzern wird auf soliden Beinen stehen und in seinem Marktsegment ein qualifizierter Mitspieler sein.Dann können wir uns überlegen, welche soliden Wachstumsziele sich in den nächsten fünf Jahren realisieren lassen.Wir haben den Weg nach Mittel- und Zentraleuropa eingeschlagen.Südeuropa ist nicht unser Gebiet.Wir sind dabei, Personal und Know-how für Geschäfte beispielsweise in Polen und Tschechien sowie die dafür notwendige Infrastruktur aufzubauen.

TAGESSPIEGEL: Wie wird das Profil der Bankgesellschaft 2002 aussehen?

RUPF: Bis zum Jahr 2002 bleibt der Konzern in seiner gesellschaftsrechtlichen Zusammensetzung so, wie er ist.Ich glaube nicht, daß wir im Jahr 2002 ein Fusionsvorhaben mit der NordLB abgeschlossen haben werden.Unsere Aktionärsstruktur dürfte sich bis dahin nicht entscheidend verändert haben.Die Bank wird ein breites Universalbankgeschäft in Berlin/Brandenburg abdecken und einen hohen Marktanteil haben.Wir wollen weiter wachsen.Wir werden bis dahin auch unsere Risiko-Früherkennungssysteme so etabliert haben, daß wir sagen können, wir leben mit normalen, im Bankengeschäft üblichen Risiken.Daneben werden wir unser Kapitalmarktgeschäft weiter vertiefen.Und schließlich werden wir den Bereich Projektfinanzierung und das Immobiliengeschäft erweitern.

TAGESSPIEGEL: Wie wird denn die Bankenlandschaft in Deutschland überhaupt aussehen?

RUPF: Sicherlich wird es in Zukunft große Veränderungen sowohl im genossenschaftlichen Bankenbereich als auch im öffentlich-rechlichen und privat-rechtlichen Bankenbereich Strukturveränderungen und möglicherweise neue Verbindungen geben.Die Bankgesellschaft bietet schon heute eine solche Plattform.

TAGESSPIEGEL: Was bringt die Zukunft für die Berliner Bank?

RUPF: Die Berliner Bank ist unsere zweite Marke und wird sich wie heute von der Marke Sparkasse unterscheiden.Im Firmengeschäft hat die Berliner Bank eher den größeren Mittelständler als Kunden denn die Sparkasse.Beide Marken werden sich um junge wachsende Unternehmen kümmern.Die Berliner Bank wird sich auch intensiv um das gehobene Privatkundengeschäft kümmern, denn anderenfalls würde unser Markt von oben her angegriffen werden.

TAGESSPIEGEL: Warum soll die Marke Berliner Bank neben der Bankgesellschaft erhalten bleiben?

RUPF: Die Marke Berliner Bank hat in Berlin/Brandenburg durchaus einen guten Klang.Dagegen ist die Marke Bankgesellschaft Berlin bei Individualkunden nicht präsent.Wir wollen im breiten Universalbankgeschäft auch keine Marke Bankgesellschaft etablieren.Die Marke Bankgesellschaft steht von nun an für internationales Geschäft, das Geschäft mit Großkunden und das Kapitalmarktgeschäft.

TAGESSPIEGEL: Wie haben die Mitarbeiter auf die Veränderungen reagiert?

RUPF: Zunächst mit Zurückhaltung, nun rückt aber der unternehmerische Standpunkt bei den meisten in den Vordergrund.Dies hängt damit zusammen, daß der neue Vorstand sich gefunden hat, die erste Führungsebene benannt worden ist.Wir haben zudem eine breit angelegte Diskussion geführt.Die Mitarbeiter der Bank haben ein Durchschnittsalter von 37 Jahren, und die meisten wollen mitmachen.Die Aufbruchstimmung ist spürbar.

TAGESSPIEGEL: Das erste Quartal dieses Jahres liegt hinter uns.Wie sehen Sie das Geschäftsjahr 1999? Wie hoch werden die Wertberichtigungen sein, und können sich die Aktionäre auf eine Dividende freuen?

RUPF: Eine Dividende wird bezahlt werden.Bei den Ertragszahlen liegen wir im Plan, auch bei den Kosten hoffe ich, daß wir unsere Planungen realisieren können.Der Wertberichtigungsbedarf kann wieder eine Mrd.DM erreichen.Doch ich denke, er wird ein bißchen darunter liegen.Er wird diesmal auf jeden Fall auch einen Teil Vorsorge enthalten und nicht wie in den vergangenen Jahren nur Nachsorge.

TAGESSPIEGEL: Werden die Aktionäre zufrieden sein können?

RUPF: Zunächst frage ich mich: Wann ist der Aktionär zufrieden? Wenn er eine angemessene Dividendenrendite bekommt und wenn er zukünftiges Ertragspotential sieht, so daß er den Schluß daraus zieht, die Aktie hat noch nicht den Wert erreicht, den er ihr eigentlich zubilligt.Dann ist er ein treuer Aktionär.Also werden wir schauen, daß wir eine Dividende zahlen, daß wir sichtbar machen können, wie sich die Ertragskraft des Hauses verbessert und wie wir ertragsorientierte Substanz schaffen.

TAGESSPIEGEL: Was ist eine angemessene Dividende in Ihren Augen?

RUPF: Das hängt immer davon ab, zu welchem Kurs der Aktionär eingestiegen ist.Für das Kapital, das die Anteilseigner der Bank zur Verfügung gestellt haben, ist eine Dividende von 1,10 DM noch nicht angemessen.Wir meinen schon, daß unser ertragsorientierter Substanzwert höher liegt.Angenommen, dieser liegt bei 50 DM und man hält eine Dividende von fünf Prozent für angemessen, wären das dann 2,50 DM.Wenn wir von heute an gerechnet in zwei, drei Jahren eine Dividende von zwei DM zahlen und deutlich machen können, daß wir uns in den Feldern, in denen wir schon stark sind, weiter verbessern, bin ich überzeugt, daß der Kurs der Aktie weiter nach oben geht.

TAGESSPIEGEL: Was bedeutet Berlin für die Bankgesellschaft? Was bedeutet die Bankgesellschaft für Berlin?

RUPF: Berlin ist unsere Heimat.Wir freuen uns mit dieser Stadt, und wir leiden mit dieser Stadt.Wir sind mit dieser Stadt eng verzahnt und haben in Teilsegmenten einen Marktanteil von 70 Prozent.Wir haben aber auch die Verpflichtung, unser Geschäft als Bankgesellschaft so zu strukturieren, daß uns eine wirtschaftliche Talfahrt in dieser Region nicht umwirft.Das heißt, ein Teil unseres Geschäftes muß eine andere Risiko-Struktur haben.Mit unserem internationalen Kapitalmarktgeschäft können wir eine Durststrecke in unserem Heimatgeschäft überbrücken.Das ist auch wichtig für die Stadt, denn so sorgt die Bankgesellschaft für eine Stabilisierung auf dem Arbeitsmarkt und für stetige Steuereinnahmen.Wir versuchen aber auch die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region optimal zu unterstützen.Das nutzt der Stadt, aber auch uns.Wir werden uns verstärkt darum kümmern, daß kleine Unternehmen hier starten und wachsen können.So entsteht eine neue Basis - auch eine Industriebasis - in der Stadt.Wir engagieren uns in der Wissenschafts- und Technologieszene.Ich bin der Auffassung, daß diese Bereiche für die Entwicklung der Stadt ganz entscheidend sind.Schließlich wollen wir Know-how-Träger für Berlin anziehen.Nicht zuletzt deshalb betreiben wir nicht nur in London, sondern weiter auch von Berlin aus das internationale Kapitalmarktgeschäft.

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