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Wirtschaft: „Wir haben die Bindung ans Öl fest im Auge“ Kartellamt zeigt Verständnis für Gaspreisboykotte

Herr Böge, Sie müssen sich immer wieder mit mächtigen Unternehmen anlegen. Macht Ihnen das eigentlich Spaß?

Herr Böge, Sie müssen sich immer wieder mit mächtigen Unternehmen anlegen. Macht Ihnen das eigentlich Spaß?

Nun, es geht um die Durchsetzung des Kartellrechts. Das müssen wir sachlich machen, und das machen wir emotionsfrei. Auf der anderen Seite habe ich dieses Amt natürlich übernommen, weil ich aus Überzeugung für das Wettbewerbsprinzip eintrete. Es ist die Basis unserer Gesellschafts und Wirtschaftsordnung.

In manchen Bereichen ist der Wettbewerb aber nicht sehr ausgeprägt.

Leider. Nicht in allen Branchen ist er eine Selbstverständlichkeit. Das gilt vor allem für die Bereiche, die früher vom Kartellrecht freigestellt waren, zum Beispiel für die Gas- und Stromwirtschaft.

Derzeit gehen Sie gegen die lange Laufzeit von Lieferverträgen zwischen Gas-Importeuren und Stadtwerken vor. Was ist dagegen einzuwenden, wenn zwei freie Unternehmen einen Vertrag miteinander aushandeln?

Wir wollen nicht in die Vertragsfreiheit eingreifen. Ein Problem ist es aber, wenn der Wettbewerb beeinträchtigt wird. Dann endet die Vertragsfreiheit. Sonst müssten wir ja auch akzeptieren, wenn in Verträgen Kartelle abgesprochen werden. Diese Grenze hat der Gesetzgeber klar gezogen.

Haben die langfristigen Verträge Kartellcharakter?

Sie behindern ganz klar den Wettbewerb, gar keine Frage.

Sehen Sie noch Spielraum für Verhandlungen mit den Unternehmen?

Nein. Mit unserer Kompromisslinie sind wir bei einer Verhandlungslösung am Ende. Seit Anfang dieses Jahres wissen die Unternehmen, was wir von ihnen wollen. Jetzt liegt es an ihnen, diesen Weg mit uns zu gehen.

Eon-Ruhrgas will das Kartellamt verklagen, wenn Sie die Langfristverträge untersagen.

Ja, das habe ich gelesen. Aber wir warten erst einmal den 21. September ab. Bis dahin haben die Unternehmen, auch Eon, Zeit, auf unsere Vorschläge einzugehen.

Werden die Gaspreise sinken, wenn es keine Langfristverträge mehr gibt?

Die Endkundenpreise hängen von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt davon, wie viel die Produzenten für ihr Gas verlangen. Aber unter sonst gleichen Bedingungen ist völlig klar, dass mehr Wettbewerb eine preisdämpfende Wirkung hat.

Heiß diskutiert wird derzeit auch die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis. Wann werden Sie sich dieses Themas annehmen?

Für die Verbraucher ist nicht nachvollziehbar, welche Gasmengen ein Stadtwerk zu welchen Zeitpunkten zu welchen Preisen bezieht. Deshalb kann kein Kunde wissen, inwieweit Gaspreiserhöhungen tatsächlich auf gestiegene Bezugskosten ihres Versorgers zurückzuführen sind. Wenn die Stadtwerke den Ölpreis einseitig als Argument benutzen, um die Gaspreise anzuheben, besteht ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Das gilt vor allem dann, wenn beim Sinken des Ölpreises der Gaspreis nicht entsprechend gesenkt wird.

Sind in dieser Richtung offizielle Verfahren geplant?

Wir haben die Ölpreisbindung auf jeden Fall fest im Auge. Die Tatsache, dass sich das Bundeskartellamt in die Debatte einmischt, hat sicher eine Wirkung auf den Markt. Jetzt liegt die Bringschuld bei den Stadtwerken, sie müssen für ihre Kunden mehr Transparenz schaffen.

Viele Verbraucher weigern sich, ihre gestiegenen Gasrechnungen zu bezahlen. Haben Sie dafür Verständnis?

Die Kunden fragen sich natürlich, ob die Steigerungen beim Gaspreis gerechtfertigt sind. Sie stehen Monopolunternehmen gegenüber und können sich keinen anderen Anbieter aussuchen. Da muss man Verständnis dafür haben, dass die Verbraucher Fragen stellen.

Das Interview führte Anselm Waldermann

Ulf Böge (63) ist Präsident des Bundeskartellamts. Den Gasmarkt hat er seit längerem im Visier. Derzeit geht er gegen langfristige Lieferverträge zwischen Importeuren und Stadtwerken vor.

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