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Wirtschaft: „Wir leben von der Fantasie der Kinder“

Die Playmobil-Chefin Andrea Schauer über teures Spielzeug, die Produktion in Billiglohnländern und den schwachen Dollar

Frau Schauer, in den Kinderzimmern stehen schon 1,7 Milliarden PlaymobilFiguren. Schaffen Sie zum Jahresende die Zwei-Milliarden-Grenze?

Nein, auf gar keinen Fall. Es kommen jedes Jahr rund 70 Millionen dazu, mehr nicht. Aber wir wollen auch gar nicht mit phänomenalen Zahlen aufwarten, sondern mit substanziellem Wachstum.

Playmobil ist nicht billig. Wie verträgt sich das mit der „Geiz-ist-geil"-Mentalität?

Playmobil ist kein billiges Spielzeug, aber es ist seinen Preis wert. Gerade in wirtschaftlich kritischen Zeiten überlegen die Konsumenten sehr genau, für was sie ihr Geld ausgeben, und sie sind sich bewusst, dass Playmobil einen Wert darstellt. Sie investieren lieber in diesen Wert, als Schnickschnack zu kaufen.

Lego macht auch Qualitätsspielzeug, steckt aber in der Krise.

Ich möchte mich nicht zu Lego äußern, aber ich kann Ihnen sagen, was wir tun. Wir entwerfen Rollenspiele. Unsere Geschichten haben keinen vorgegebenen Anfang und keinen definierten Schluss. Außerdem kann man die verschiedenen Spielwelten kombinieren und ergänzen.

Und was tun Sie nicht?

Vor acht Jahren begann auf dem Spielzeugmarkt der Trend, dass jede Spielwarenmarke auch bei Computerspielen vertreten sein sollte. Wir haben uns gefragt: Passt das zu uns? Und wir haben dann beschlossen, lieber unser Playmobil weiter zu entwickeln. Heute fasst man das gern unter dem Begriff Kernkompetenz zusammen, aber damals brauchten wir schon starke Nerven, um „nein" zu sagen. Wir galten seinerzeit als verschlafen, aber heute haben sich alle unsere Mitbewerber wieder aus dem Computermarkt zurückgezogen.

Sie haben auch den Harry-Potter-Boom an sich vorbeiziehen lassen.

Wir legen Wert auf offene Geschichten. Lizenzen wie für Harry Potter passen dazu nicht. Lizenzen sind verbunden mit Filmen oder Serien. Dort haben sie ihren Anfang und ihr Ende. Außerdem muss man für solche Lizenzen viel Geld bezahlen – zwischen sieben und 15 Prozent vom Umsatz, und die muss man auch garantiemäßig leisten, egal ob sich die Lizenzware gut verkauft oder nicht. Wir haben auch hier „nein" gesagt. Man darf sich nicht verzetteln.

Gehören zu Ihrer Kernkompetenz auch Freizeitparks?

Nein, wir sehen unseren Freizeitpark, den „Funpark“ hier in Zirndorf, nicht als Geschäftseinheit, die sich selbstständig tragen muss. Wir sind eine Marke und leben von der Fantasie der Kinder. Es ist gut, wenn man dieser Fantasie ab und zu mal einen Megaimpuls geben kann. Die Kinder können sich hier einen ganzen Tag lang als Playmobil-Figur fühlen und die Ritterburg erstürmen oder das Piratenschiff entern. Für die Marke ist ein solcher Tag im Playmobil-Land immens wichtig, denn er gibt neue Spielideen. Der „Funpark“ wird nicht unser letzter Freizeitpark sein. Wir suchen gerade einen weiteren Standort in Deutschland.

Welche Neuheiten wünschen sich Kinder von Ihnen?

Einige wünschen sich ganz konkrete Ergänzungen zu vorhandenen Welten. Andere verlangen nach neuen Welten. Es gibt zum Beispiel Kinder, die sich Panzer wünschen oder eine Bundeswehr.

Und: Gibt es bald Playmo-Panzer?

Nein, wir wollen keinen Horror, keine überzogene Gewalt und keinen Krieg, obwohl wir damit bestimmt viel Umsatz machen könnten.

Wie lange spielen Kinder mit Playmobil?

Unsere Kernzielgruppe liegt zwischen drei und acht Jahren. Mit zehn Jahren hören Kinder auf, sich Playmobil zu wünschen. Früher lag die Grenze bei 14 oder 15 Jahren, aber die Kinder werden immer früher erwachsen. Das ist für die Spielwarenbranche ein kritisches Phänomen. Hinzu kommt, dass es auch immer weniger Kinder gibt.

Im welchem Land verkaufen Sie am meisten?

Deutschland ist unserer wichtigster Einzelmarkt, gefolgt von Frankreich und dem amerikanischen Markt.

Macht der schwache Dollar Ihr Spielzeug in den USA nicht unerschwinglich teuer?

Der amerikanische Spielzeug-Massenmarkt ist ein Niedrigpreis-Markt. Da gehen in hohen Stückzahlen nur Artikel bis 20 Dollar, die absolute Obergrenze sind 49 Dollar. Wir müssen für den amerikanischen Markt sehr genau kalkulieren, und der schwache Dollar erschwert uns das Geschäft. Das macht keinen Spaß. Aber ich glaube, der Dollar erholt sich wieder.

Verdienen Sie Geld in Amerika?

Im Moment ist das Geschäft eher kritisch.

Glauben die Deutschen, dass Playmobil aus Amerika kommt – wegen des Namens?

Vor zehn Jahren gab es mal eine repräsentative Untersuchung, da haben über 50 Prozent der Deutschen gesagt, wir seien eine amerikanische Marke. Uns ist aber wichtig, dass wir eine der wenigen Marken auf dem weltweiten Spielzeugmarkt sind, die in Europa fertigen. Wir produzieren 98 Prozent in Europa. Unser Hauptwerk ist 25 Kilometer von unserer Zentrale in Zirndorf entfernt in Dietenhofen, von dort kommen 60 Prozent unserer Produktion. Unsere Figuren werden vor allem in Malta hergestellt, dann haben wir noch ein Werk in Spanien und eine Fertigung in Tschechien. Nur zwei Prozent sourcen wir nach China aus, das ist einmalig.

Viele Unternehmen lassen in China fertigen, weil dort die Lohnkosten viel niedriger sind. Wie schaffen Sie es, in Deutschland zu produzieren?

In China kostet eine Arbeitsstunde einen Dollar, in Dietenhofen sind es hingegen 22 Euro. Dazwischen liegen natürlich Welten. Aber unser Hauptmarkt ist Europa, und wir brauchen die Nähe zu unserem Markt. Außerdem kommen viele Unternehmer, die nur aus Kostengründen ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, jetzt schon wieder zurück. Jede dritte Verlagerung nach Fernost wird rückverlagert.

Das Interview führte Heike Jahberg

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