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Wirtschaft: „Wir müssen weg vom öffentlichen Dienst“

Herr Clausnitzer, in den Arbeitsämtern in Berlin und Brandenburg arbeiten rund 8000 Personen, wie viele davon sind mit der Vermittlung von Arbeitslosen beschäftigt? Schätzungsweise ein Viertel.

Herr Clausnitzer, in den Arbeitsämtern in Berlin und Brandenburg arbeiten rund 8000 Personen, wie viele davon sind mit der Vermittlung von Arbeitslosen beschäftigt?

Schätzungsweise ein Viertel.

Und wie viele könnten es sein, wenn das Arbeitslosengeld als Pauschale gezahlt würde, wie die Hartz-Kommission vorschlägt?

Das ist noch nicht genau abzuschätzen. Aber bereits jetzt haben wir unsere Vermittlungsanstrengungen erhöht, indem wir in diesem Jahr dafür 100 Personen zusätzlich einstellen konnten. Und wir haben weitere 100 Mitarbeiter aus der Verwaltung abgezogen, die nun in der Vermittlung tätig sind.

Und jetzt wird mehr vermittelt?

Es ist natürlich von Vorteil, wenn der einzelne Mitarbeiter weniger Arbeitslose betreuen muss; gegenwärtig sind das zwischen 600 und 800 Arbeitslose. Wenn wir auf Grund der Pauschalierung des Arbeitslosengeldes Mitarbeiter aus der Leistungsabteilung abziehen und in der Vermittlung einsetzen könnten, dann kämen wir auf 300 bis 400 Arbeitslose pro Mitarbeiter.

Fehlt den Arbeitsämtern Personal oder werden die Mitarbeiter falsch eingesetzt?

Wir brauchen Personal, um verstärkt in die Betriebe gehen zu können. Wir wollen regelmäßig jeden Arbeitgeber kontaktieren. Dafür müssen wir Abschied nehmen von den Strukturen des öffentlichen Dienstes und unsere Dienstleistung so anbieten, dass sie auch nachgefragt wird. Damit keiner wochenlang warten muss, bis Anträge bearbeitet werden und damit wir besser und länger erreichbar sind. Dienstleistung muss bei uns noch ganz anders gelebt werden.

Kann eine Behörde jemals so kundenorientiert arbeiten wie ein privater Dienstleister?

Wir werden nie konkurrieren können mit privaten Vermittlern, die bestimmte bürokratische Arbeiten nicht erledigen müssen. Der Staat erwartet von uns, dass wir bestimmte Statistiken führen. Dafür müssen Daten gesammelt und aufbereitet werden. Und im Gegensatz zu den Privaten müssen wir jeden nehmen: die Menschen, die beruflich nicht qualifiziert sind, die älter sind oder nicht richtig deutsch sprechen können. Um diese Menschen kümmert sich kein privater Vermittler, was auch vollkommen in Ordnung ist, denn die müssen ja Geld verdienen.

Arbeitslose können sich seit einigen Monaten mit Gutscheinen an private Vermittler wenden. Warum wird das kaum genutzt?

Es fehlen Arbeitsplätze, also kann auch der Private wenig vermitteln. Die bis zu 2500 Euro, die ein Gutschein wert ist und die also ein privater Vermittler verdienen kann, die sind schwer verdient.

Wie wird die Parole der Arbeitsmarktpolitiker, „Fördern und Fordern", mit der das neue Job-Aqtiv-Gesetz verkauft wurde, im Alltag der Arbeitsämter umgesetzt?

Man kann nicht erwarten, dass innerhalb kurzer Zeit nach Einführung eines Gesetzes sich die Welt verändert. Die Grundbedingung hat sich nämlich nicht verändert: Es fehlen Jobs. Aber das Job-Aqtiv-Gesetz hat uns einen neuen Freiraum gegeben. Zum Beispiel dadurch, dass Dritte stärker eingeschaltet werden.

Und Ihre Mitarbeiter können das Gesetz auch anwenden?

Job-Aqtiv ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Der Januar war der Monat, wo die Arbeitslosigkeit nach oben geschossen ist; die Flure waren bei uns schwarz. Wir hatte gar keine Möglichkeit, das Gesetz am ersten Tag anzuwenden, wir mussten uns um die Leute kümmern.

Wie ist aktuell die Lage in „Ihrem" Bezirk, in Berlin-Brandenburg?

Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit der Wende. Es kann nur dadurch besser werden, dass die wirtschaftliche Situation besser wird und Arbeitgeber Arbeitsplätze schaffen. Doch im Moment ist eher das Gegenteil der Fall. Ich weise nur hin auf die Insolvenzen von Cargolifter, Herlitz und dem Lausitzring und auf die Probleme bei der Bankgesellschaft Berlin. Da droht etwas.

Können die Arbeitsämter helfen?

Wir können anregen, informieren und hier und da auch eingreifen. Arbeitsplätze schaffen wir nicht, aber wir sollten das Geld, das uns zur Verfügung gestellt wird, kreativ einsetzen.

Sind ABM kreativ?

Solange wir kein anderes Instrument haben, brauchen wir in Ostdeutschland auch noch ABM, weil es zu wenig Arbeitsplätze gibt und weil man nicht jeden nach Baden-Württemberg vermitteln kann.

Wie mobil sind die Arbeitlosen?

In unserer Region sind die Menschen sehr mobil, in Brandenburg ist das noch etwas ausgeprägter als in Berlin. Im letzten Jahr haben wir beispielsweise 13000 Arbeitslose aus dieser Region nach Westdeutschland vermittelt, dafür haben wir rund 20 Millionen Euro an Mobilitätsprämien ausgegeben, sparen aber 80 Millionen Euro Arbeitslosengeld.

Brauchen wir noch Landesarbeitsämter?

Für die Fachaufsicht, denn wenn jedes Amt macht, was es will, gibt es irgendwann bei einigen der 181 Arbeitsämter ein Durcheinander. Aber man kann bei den Landesarbeitsämtern deutlich abspecken, also bestimmte Dinge woandershin geben.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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