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Wirtschaft: „Wir sind einmalig“

Der Chefstratege von Daimler-Chrysler, Rüdiger Grube, über den Sinn der Fusion, die Notwendigkeit von Größe und Markenbewusstsein

Herr Grube, wie oft haben Sie in den vergangenen Jahren gezweifelt, ob die Fusion von DaimlerBenz und Chrysler gut geht?

Ich glaube seit dem ersten Tag an den Erfolg unserer Fusion. Sie ist in ihrer strategischen Ausrichtung absolut richtig. Doch die Strategie ist das eine, die operative Umsetzung das andere, das braucht Zeit und geht in vielen Schritten. Dabei gab es auch einige operative Herausforderungen. Diese haben wir erfolgreich bewältigt oder sind auf gutem Wege. Aber wie gesagt, an der grundsätzlichen strategischen Weichenstellung habe ich nie gezweifelt.

Auch nicht im Herbst 2000, als Chrysler zum Sanierungsfall wurde?

Definitiv nicht. Es gibt immer wieder operative Probleme in einem Unternehmen, auch in der mehr als hundertjährigen Geschichte von Mercedes-Benz. Und wir haben diese Herausforderungen stets gemeistert und sind gestärkt aus ihnen hervorgegangen.

Chrysler musste mit Mercedes-Geld gerettet werden.

Nein, das ist falsch. Im Gegenteil: Chrysler hat seit 1998 5,3 Milliarden Euro zum Operating Profit des Konzerns beigetragen. Im übrigen ist gerettet das falsche Wort, Chrysler hat sich strategisch neu ausgerichtet.

Insbesondere die Analysten mosern seit Jahren, dass allein mit Mercedes-Benz das Unternehmen heute besser da stünde als mit Chrysler?

Vor der Fusion 1997 haben wir pro Jahr rund 700000 Mercedes-Benz-Pkw hergestellt und hatten einen Weltmarktanteil von 1,6 Prozent. Heute stellen wir mit den Marken der Mercedes Car Group, der Chrysler Group und mit unserem Partner Mitsubishi Motors rund 6,2 Millionen Autos pro Jahr her und verfügen über einen Weltmarktanteil von zehn Prozent. 1997 waren wir weltweit innerhalb der Autoindustrie die Nummer 15. Diesen Platz gibt es heute wgen der Konzentration in dieser Branche bereits nicht mehr.

Ohne die Fusion gebe es Daimler-Benz nicht mehr?

1980 gab es weltweit noch 28 unabhängige Autohersteller, 1997 18 und heute sind es elf. Von diesen elf können Sie vier abziehen, die entweder in Familienbesitz oder in Abhängigkeit großer Banken sind. Das sind BMW, PSA, Porsche und Honda. Die übrigen sieben sind General Motors, Ford, Daimler-Chrysler, Toyota, Hyundai mit Kia, Renault und VW. Rund 70 Prozent des gesamten Personenwagen-Weltmarktes liegen heute bereits in den Händen von fünf Herstellern, das sind GM, Ford, Toyota, VW und Daimler-Chrysler.

Also ist Größe alles?

In der Autoindustrie ist Größe ein ganz entscheidender Faktor. Daimler-Chrysler verfügt heute über insgesamt sechs Pkw-Marken, sieben, wenn wir unseren strategischen Partner Mitsubishi Motors mit berücksichtigen. Die zweite Säule ist das Nutzfahrzeuggeschäft, da haben wir sieben Marken und das Joint-Venture mit Mitsubishi-Fuso sowie mit Hyundai.

Die dritte Säule ist das Dienstleistungsgeschäft. Heute sind wir im Finanzdienstleistungsgeschäft weltweit die Nummer drei mit einem Gesamtportfolio von 104 Milliarden Dollar. Alles in allem ist Daimler-Chrysler innerhalb der Autoindustrie nach Umsatz die Nummer drei, nach Stückzahlen die Nummer fünf und bei Nutzfahrzeugen die Nummer eins.

Jürgen Schrempp sagt, eine Millionen Fahrzeuge im Jahr reichten nicht, um die immer höheren Entwicklungskosten umzulegen. Aber warum klappt das bei BMW?

BMW ist in seiner Struktur nicht mit einem international aufgestellten Konzern wie Daimler-Chrysler zu vergleichen und verfügt zum Beispiel nicht über eine Nutzfahrzeug-Sparte.

BMW ist klein und hochprofitabel.

Wenn Sie BMW mit Mercedes-Benz vergleichen, stehen wir gut da. In allen entscheidenden Kenngrößen, insbesondere beim Ertrag auf das eingesetzte Kapital, sind wir sogar sehr gut. Wer in der Autoindustrie überleben will, braucht Mengeneffekte. Die realisiert Daimler-Chrysler zum Beispiel mit der „World Engine“, einem Vier-Zylinder-Motorenprojekt zwischen Chrysler, Mitsubishi Motors und Hyundai. Wir kommen da auf mehr als 1,5 Millionen Motoren pro Jahr. Eine Marke für sich könnte niemals ein solches Volumen aufbringen.

Daimler-Chrysler hat sich mit dem Executive Automotive Committee (EAC) ein Gremium geschaffen, das auf die Identität der einzelnen Konzernmarken achtet. Vor allem doch wohl deshalb, weil es Befürchtungen um die Verwässerung der Marke Mercedes-Benz gab?

Das EAC wahrt die Identität und die Tradition aller Pkw-Marken unter dem Dach unseres Konzerns, also nicht nur der Mercedes Car Group, sondern auch von Chrysler, Jeep und Dodge. Das sind alles sehr wertvolle Marken. Das EAC managt das Pkw-Portfolio des gesamten Unternehmens. Dafür haben wir für die nächsten zehn Jahre für jede Marke eine Richtlinie entwickelt, die penibel unter anderem die Markenwerte, den Kundenanspruch und zum Beispiel das Design festschreibt. Unabhängig davon haben wir in einem langfristigen Produktplan festgehalten, wann welches Modell in welchem Segment und in welchen Markt kommt sowie welche Technologie zum Einsatz kommt.

Durch die Arbeit im EAC wissen Sie heute schon, welcher Mercedes und welcher Chrysler im Jahr 2013 auf den Markt kommt?

Ja, das wissen wir genau. Wir haben heute über alle Marken hinweg 72 verschiedene Pkw. 2013 werden das deutlich mehr sein.

Wie viele?

Lassen Sie sich überraschen.

Was bedeutet konkret Markenmanagement?

Ich habe ein persönliches Credo, das heißt Marke, Marke, Marke. Das Image und die Strahlkraft einer Marke sind die stärksten Attribute, über die wir als Autohersteller verfügen. Wir sehen unseren Job nicht darin, Synergien um der Synergien willen zu heben, sondern um unsere Kunden mit den attraktivsten Autos, den besten Marken und dem besten Service der Welt zu bedienen.

Aber Synergien waren ein wichtiges Motiv für die Fusion.

Sie sind ein Faktor. Bereits 1999, ein Jahr nach der Fusion, haben wir ein Sparpotenzial von 1,55 Milliarden Dollar realisiert - geplant waren 1,4 Milliarden Dollar. Heute kaufen wir im Jahr für 107 Milliarden Euro ein. Wir schauen genau, welche Teile und Komponenten in allen Marken verwendet werden können, ohne deren Image zu beeinträchtigen. Bei Mercedes-Benz lassen sich in etwa 24 Prozent, bei Chrysler 28 Prozent und bei Mitsubishi Motors 33 Prozent der Komponenten bündeln, um Skaleneffekte zu erzielen. Im Vordergrund steht bei diesen Überlegungen aber stets, dass das Markenimage in keiner Weise tangiert werden darf.

Warum kommen die vielen guten Botschaften nicht an der Börse an?

Wenn Sie die Marktkapitalisierung von Daimler-Benz 1995 sehen, als Jürgen Schrempp das Unternehmen übernommen hat, dann waren das damals 17 Milliarden Euro und Chrysler lag bei 10,3 Milliarden Euro. Heute hat Daimler-Chrysler eine Marktkapitalisierung von gut 30 Milliarden Euro. Aber keine Frage, der Kapitalmarkt spielt verrückt - Nissan ist derzeit so viel wert wie BMW und VW zusammen.

Warum sollte ein Anleger Daimler-Chrysler-Aktien kaufen?

Unsere strategische Ausrichtung mit globaler Präsenz, starken Marken, einer umfassenden Produktpalette und dem technologischen Führungsanspruch ist in der Autoindustrie einmalig. Wir geben jedes Jahr über sechs Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus und investieren bis 2005 42 Milliarden Euro in neue Produkte. In den kommenden drei Jahren bringen wir 53 neue Fahrzeuge auf den Markt.

Hilmar Kopper glaubt, dass Daimler-Chrysler in drei Jahren das profitabelste Autounternehmen sein könnte. Das wären dann acht Jahre nach der Fusion. Warum dauert das so lange?

Ganz einfach: Ein Automobilunternehmen ist von Produktzyklen abhängig. Ein Auto ist heute durchschnittlich sechs bis sieben Jahre auf dem Markt. In den ersten Jahren nach der Fusion lag der Schwerpunkt darauf, Prozesse zu analysieren und zu harmonisieren. Von 2001 an ging es um Teile und Komponenten, um Motoren und Getriebe. Jetzt geht es um Produkte. Daimler-Chrysler ist auf einem sehr guten Weg und wird spätestens in drei Jahren die Früchte ernten.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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