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Wirtschaft: „Wir sollten nationale Interessen wahrnehmen“

Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank, über die Rolle des Staates – etwa bei EADS und der Deutschen Börse

Herr Ackermann, die Deutsche Bank beschäftigt sich zurzeit sehr intensiv mit globalen Entwicklungen wie dem rapide zunehmenden Bevölkerungswachstum und der Verstädterung der Welt. Warum interessiert Sie das?

Erstens sind wir in fast allen diesen städtischen Ballungsgebieten sehr aktiv. Wir sind in New York, in Mumbai, in Schanghai, in London und auch in Berlin vertreten. Als Bürger dieser Städte interessiert uns auch, wie sie sich entwickeln, wie sicher sie sind, wie die Umweltbelastung ist. Aber es geht um noch etwas viel Wichtigeres: Die Städte sind die Orte, in denen sich die Probleme der Welt zuerst zeigen, in denen sie sich konzentrieren. Je erfolgreicher die Städte die gewaltigen Probleme meistern, die auf sie zukommen, desto besser wird es in der Welt aussehen, was Wohlstand und Frieden angeht. Wenn wir die Herausforderung nicht meistern, werden wir auch die globalen Probleme insgesamt nicht in den Griff bekommen.

In Paris gibt es Jugendaufstände, hier diskutieren wir über die abgehängte Unterschicht, die sich in bestimmten Stadtteilen konzentriert. Ist das ein ernstes Problem?

Es sind erste Anzeichen, dass es zu einem ernsten Problem werden kann, wenn die Städte nicht mehr Wohlstand für alle bieten können. Wenn Viertel entstehen, in denen vor allem die Menschen leben, die nicht mehr in die Gesellschaft integriert sind, weil sie einen anderen ethnischen Hintergrund haben oder weil sie wirtschaftlich zu den Verlierern gehören, sind das Signale und Probleme, die man ernst nehmen und lösen muss. Aber sie stehen in keiner Relation zu den Problemen in anderen Teilen der Welt, die dazu noch mit einer regelrechten Bevölkerungsexplosion umgehen müssen.

Viele sagen, dass es nicht die Aufgabe der öffentlichen Haushalte, sondern der Unternehmen ist, Wohlstand für alle zu ermöglichen. Aber die gelten eher als Ursache dieses Problems.

Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, das ist eine Aufgabe, die immer komplexer wird. Die Unternehmen stehen heute in einem sehr scharfen globalen Wettbewerb. Es gibt viele Unternehmen, die in den vergangenen Jahren gezeigt haben, dass man diese Herausforderung auch aus Deutschland heraus hervorragend meistern kann. Unsere Stärken liegen im Bereich der Kreativität, der Kultur und der Wissenschaft. Wir haben wirklich sehr gute Standorte im hoch kreativen und im Dienstleistungsbereich. Allein wenn ich mir ansehe, was in den vergangenen Jahren in der Wissenschaft passiert ist, oder inwieweit sich der Finanzplatz Frankfurt als innovativer Standort profiliert hat: Da gibt es keinen Grund, sich ängstlich zurückzuziehen, auch wenn die wirtschaftliche Dynamik aus anderen Erdteilen kommt - solange wir offen genug für Talente sind, die aus diesen Regionen zu uns kommen. Aber Sie haben natürlich recht: Auch die Wirtschaft muss ihren Beitrag leisten.

Welche Rolle spielt die Politik in den Nationalstaaten überhaupt noch angesichts der Globalisierung und der wachsenden Bedeutung transnationaler Unternehmen?

Das ist für mich eins der schwierigsten Themen überhaupt. Wenn ich feststelle, dass viele Länder sich heute mehr und mehr auf ihre nationalen Interessen zurückziehen, hat das viel damit zu tun, dass alle politischen Erfolge auf nationaler Ebene erzielt werden. Bundeskanzler werden Sie nun einmal mit deutschen Stimmen und nicht mit den französischen. Auf der anderen Seite erschwert das die Suche nach europäischen Lösungen, die wir dringend bräuchten.

Wo zum Beispiel?

Nehmen wir die Deutsche Börse. Es scheint mir so zu sein, dass wir in Europa eher bereit sind, amerikanische Partner zu akzeptieren anstatt mit allen Kräften nach einer europäischen Lösung zu suchen. Ich verstehe, dass es schwierig für jedes Land ist, hier Konzessionen zu machen: Wenn die Standorte in ihrem Land sind, sitzen eben auch die Entscheidungsgremien in diesem Land. Aber ich finde den Trend zugunsten der Nationalinteressen längerfristig für Europa gefährlich. Wir sollten alles tun, um eine europäische Lösung anzudenken. Wenn das später auch zu globalen Lösungsansätzen führt, ist es gut. Aber der erste Schritt sollte europäisch sein.

Waren es nicht die an der Deutschen Börse beteiligten Unternehmen wie die Deutsche Bank, die durch ihren Rückzug als Aktionäre die Probleme erst geschaffen haben ?

Es ist tatsächlich von großer Bedeutung für eine Stadt oder eine Region, wo die Innovationskraft ist und wo die Entscheidungen getroffen werden. Da findet dann oft auch das zukünftige Geschäft statt. Wir waren ja deshalb auch bereit, uns wieder an der Deutschen Börse zu beteiligen. Auch, um ein Signal zu setzen, dass wir interessiert sind, eine starke Börse am Finanzplatz Frankfurt zu haben und unseren Beitrag zu leisten.

Betrifft Ihr Ruf nach europäischen Lösungen auch die Strategie des deutschen Staates, wegen der Airbus-Probleme über eine Beteiligung an der EADS nachzudenken?

Eindeutig ja. Es ist auch eine Frage, ob Politik und Wirtschaft da nicht gemeinsam die deutschen Interessen im Rahmen einer europäischen Lösung wahrnehmen sollen und wollen. Ich bin der Meinung, dass wir in einem Umfeld, das doch unterschiedlich operiert, unsere eigenen nationalen Interessen wahrnehmen sollten. Ich würde nicht weitergehen, aber wenn es wirtschaftlich und kommerziell zu rechtfertigen ist, sollten solche Überlegungen durchaus eine Rolle spielen.

Ist das eine Besinnung auf alte Werte?

Es ist eine grundsätzliche Frage, ob man die Deutschland AG, die man in den vergangenen Jahren aufgegeben hat, wieder zurückbuchstabieren will. Da bin ich eindeutig: nein. Wir haben davon profitiert, dass wir die Unternehmenskontrolle über freie Kapitalmärkte vergrößert haben. Wir haben dadurch viele Impulse ausgelöst, die in den vorherigen geschützten Strukturen nicht möglich gewesen wären. Und am Schluss ist es wichtig für ein Land, ob die Unternehmen wieder wettbewerbsfähig sind, Gewinne erzielen, Steuern zahlen und in der Lage sind, soziale Aufgaben wahrzunehmen.

Wie viel Steuern zahlen Sie?

Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 800 Millionen Euro Steuern bezahlt in Deutschland, und die Deutsche Bank gibt jedes Jahr 90 Millionen Euro für gesellschaftliche und soziale Aufgaben aus. Das kann man nur tun, wenn man zuerst profitabel arbeitet.

Sie setzen die Politik unter Druck?

Die Unternehmen können nur begrenzt für gewisse öffentliche Aufgaben eintreten. Aber wenn sich Unternehmen im Rahmen von Sicherheit und Rechtssicherheit entwickeln können, dann spielt der volkswirtschaftliche Beitrag an das Land, in dem man operiert, doch eine Rolle. Dafür sollte der Dialog zwischen Wirtschaft und Politik intensiviert werden, wie das in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA oder auch in Frankreich der Fall ist. Wir haben zwar oft unterschiedliche Interessen, aber eben auch häufig gemeinsame Interessen.

Ist die Resonanz auf den Vorschlag bei der großen Koalition besser als unter Rot-Grün?

Man findet immer viel Zuspruch für die Idee, aber konkret in die Tat umgesetzt wurde das dann doch nicht. Es ist natürlich auch immer ein bisschen kompliziert, weil die Wirtschaft oft nicht mit einer Sprache spricht, sondern Partikular- interessen vertreten werden. Aber dort, wo es um globale Zusammenhänge geht und um Fragen des Standortes und um die weltweite Konkurrenzfähigkeit, sind die Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, interessiert, den Dialog mit der Politik zu intensivieren.

Das Gespräch führte U. Weidenfeld.

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