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Wirtschaft: Wirtschaft in Sorge über deutsche Russlandpolitik

Klaus Mangold, Vorsitzender des Ost-Ausschusses, warnt vor Hürden gegenüber russischen Investoren

Berlin - Die Spannungen im deutsch-russischen Verhältnis versetzen zunehmend auch die Unternehmen in Sorge. Klaus Mangold, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, appellierte an die Politik: „Wir müssen zur Normalität zurückkommen.“ In den vergangenen Monaten habe es „Irritationen auf beiden Seiten“ gegeben, sagte Mangold dem Tagesspiegel. Er warnte davor, „die Russen zu überfordern, wenn man ihnen ständig Fehler vorhält oder alle zwei Tage etwas von Demokratiedefiziten erzählt“. Auf der anderen Seite sei es „Blödsinn“, wenn ein Bundestagsabgeordneter von Russen festgehalten werde. Volker Beck von den Grünen war in Moskau während einer Demonstration kurzzeitig festgenommen worden.

Die „Eintrübung in der Politik“ habe die Geschäfte bislang aber noch nicht beeinflusst. „Es gibt auch keine nachhaltige Beeinträchtigung von Investitionen“, sagte Mangold. „Der Handel boomt.“ Der Export nach Russland werde in diesem Jahr das Niveau von 2006 nochmals übertreffen. So habe der deutsche Maschinenbau in den vergangenen Monaten seine Ausfuhren um fast 37,6 Prozent gesteigert. Bedauerlich sei aber, dass das angestrebte neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen im Moment auf Eis liege. Auch bei dem geplanten Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO gebe es „quasi Stillstand“.

Spätestens mit der Wahl eines Nachfolgers für Präsident Wladimir Putin im nächsten Frühjahr könnte sich das russisch-deutsche Verhältnis wieder entspannen, hofft Mangold. Unter Putin seien Innen- und Außenpolitik zunehmend verschränkt worden, indem der Präsident mit außenpolitischer Härte seine Position im Innern gestärkt habe. Viele Russen, hat Mangold beobachtet, hätten große Angst vor einer ähnlichen Entwicklung wie in der Ukraine, wo es nach der Orangenen Revolution zunehmend instabile Verhältnisse gebe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die vor zwei Wochen beim EU-Russland-Gipfel in Samara mit Putin aneinandergeraten war, nahm Mangold in Schutz. „Als EU-Ratspräsidentin mit einer hohen Verpflichtung zum inneren Ausgleich konnte sie gar nicht anders agieren.“ Merkel müsse „einen Spagat machen zwischen deutschen und europäischen Interessen“. Die Kanzlerin bemühe sich um „Bedachtsamkeit“, und Mangold hält es durchaus für möglich, dass sich nach dem Ende der deutschen EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte das deutsch-russische Verhältnis wieder beruhigt.

Mangold plädierte dafür, wechselseitige Unternehmensbeteiligungen zu fördern. „Die Wirtschaft steht dem Thema aufgeschlossen gegenüber, die Politik eher weniger“, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses. Beteiligungen in Russland seien „schwierig, wenn dabei die Rohstoffe eine Rolle spielen“. Auf der anderen Seite ziehe es russische Firmen gen Westen, um als Anteilseigner etwa der Baukonzerne Hochtief und Strabag Zugang zu Technologien zu bekommen. Alles in allem lägen wichtige Bereiche der russischen Industrie mit ihrer technologischen Ausstattung „20 Jahre hinter westeuropäischen Standards“.

Vorbehalte und Hürden auf deutscher Seite gegenüber russischen Investoren hält Mangold für unangebracht. „Wir als der Exportweltmeister und mit einer globalen Geschäftsausrichtung können uns da keine Tricks leisten.“ Eine Beteiligung des Telekommunikationskonzerns Sistema an der Deutschen Telekom fände er „in einer offenen Volkswirtschaft normal“, sagte der Ost-Experte. Sistema hatte mehrfach Interesse an Anteilen bekundet, die noch bei der bundeseigenen KfW-Bankengruppe liegen. Bei einem Verkauf an die Russen wäre das Kanzleramt beteiligt, was Mangold zufolge in Moskau als positives Signal gewertet würde. Alfons Frese

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