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Wirtschaft: Wirtschaftsforscher sehen Rußland am Abgrund

BERLIN (dw).Rußland bewegt sich am Rande des Abgrunds - und selbst langfristig ist keine Verbesserung der Lage in Sicht.

BERLIN (dw).Rußland bewegt sich am Rande des Abgrunds - und selbst langfristig ist keine Verbesserung der Lage in Sicht.Zu diesem alarmierende Schluß kommen drei renommierte deutsche Forschungsinstitute in ihrem am Donnerstag gemeinsamen vorgelegten Bericht "Die wirtschaftliche Lage Rußlands".Danach ist das Bruttoinlandsprodukt - die Summe der in Rußland erzeugten Waren und Dienstleistungen - in diesem Jahr um fünf Prozent zurückgegangen.Die Investitionen seien auf ein Fünftel des Niveaus von 1990 zurückgefallen und reichten kaum noch aus, den Verfall des gegenwärtigen Kapitalstocks - der Maschinen und Anlagen - aufzuhalten.Die Teuerungsrate liege über 50 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze.Nur deswegen gebe es im Riesenreich noch keine ausgewachsene Hungerkatastrophe, weil sich die Bevölkerung aus ihren Gärten und Datschen immer mehr selbst versorge."Der Vertrauensverlust der Wirtschaftspolitik sowohl im eigenen Lande als auch auf den internationalen Märkten hat verheerende Ausmaße angenommen", schreiben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin), das Institut für Weltwirtschaft (IfW, Kiel) und das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH, Halle).

Das Urteil der Wirtschaftsforscher für die Regierung Jelzin fällt vernichtend aus: "Zu keiner Zeit hat die russische Wirtschaftspolitik in befriedigendem Maße den Anforderungen entsprochen, die eine erfolgreiche Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft stellt." Dabei habe es noch 1997 so ausgesehen, als seien die Marktkräfte stark genug, eine Wende zum Positiven herbeizuführen.Der Verfall der Energiepreise sowie die Asienkrise vereitelten jedoch 1998 einen Aufschwung.Nach Auffassung der Forscher fehlte es an Vertrauen in die Regierung, mit diesen Rückschlägen fertig zu werden.Erste Anzeichen waren bereits im August feststellbar.Die Einzelhandelsumsätze stiegen in diesem Monat um 4,6 Prozent: Panik- und Hamsterkäufe, die den Zusammenbruch des Finanzmarktes im Oktober ankündigten.

"Das Bankensystem ist faktisch insolvent, der Zahlungsverkehr ist zusammengebrochen und der Außenwert des Rubels ist auf rund ein Drittel seines Wertes vor der Krise geschrumpft", stellen die Institute fest.Aus Sicht der Geldpolitik sei "die völlige Erosion des Vertrauenes in den Rubel" der ausschlaggebende Grund für den Verfall.Die ambitionierten Versuche, die Wechselkurse gegen alle Widrigkeiten stabil zu halten, seien nicht von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten gedeckt gewesen."Realzinsen, die seit Beginn der Stabilisierung teilweise weit über 15 Prozent lagen, sind auf Dauer für keine Volkswirtschaft tragbar", stellen die Wissenschaftler fest.Verschlimmernd komme der fehlende Wille der Regierung hinzu, ihre Steuerforderungen einzutreiben.Die offenen Forderungen betrügen zur Zeit mehr als umgerechnet elf Mrd.US-Dollar.Ebenso wenig gebe es sechs Jahre nach dem Verfall der Sowjetunion ein System des Finanzausgleichs zwischen der Förderation und den Gebietskörperschaften.

Um das Steuer noch herumzureißen, empfehlen die Institute eine konsequente Reformpolitik.Die Banken etwa sollten nicht mehr länger vor ausländischer Konkurrenz geschützt bleiben.Damit sich die Unsicherheiten ein Jahr vor den Parlamentswahlen nicht verschlimmern, müsse die Regierung Mut zu unpopulären Maßnahmen finden: Vor allem eine Wechselkurspolitik, die ausreichende Abwertungen zuläßt.

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