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Wirtschaftskrise: Freiberufler fürchten um 400.000 Jobs

Weil Investoren Bauaufträge verschieben oder stornieren, haben viele Architekten weniger zu tun. Bei einigen geht das an die Substanz. Der Bundesverband der Freien Berufe appelliert an Regierung: Nicht nur Opel helfen.

Berlin - Viele Freiberufler in Deutschland müssen wegen der Wirtschaftskrise um ihre Jobs fürchten. „Bei den rund eine Million Anwälten, Steuerberatern, Ärzten oder Architekten mit ihren 2,9 Millionen Beschäftigten sind mittelfristig rund 400 000 Arbeitsplätze bedroht“, sagte Arno Metzler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB) dem „Handelsblatt“. Nach seiner Erinnerung habe es in den letzten Jahrzehnten keine so schwierige wirtschaftliche Lage für die Selbstständigen gegeben, sagte Metzler, dessen Berufsverband am Mittwoch sein 60-jähriges Bestehen feiert.

„Viele Architekten und Ingenieure stehen ohne Aufträge da, Anwaltskanzleien müssen Partner und Mitarbeiter entlassen und den Ärzten drohen durch die sinkenden Kassenbeiträge ganz harte Zeiten“, sagte Metzler. Bei den Steuerberatern sehe es noch gut aus. „Doch es ist absehbar bei sinkenden Bilanz- und Lohnvolumen der Firmen, dass auch dieser Berufszweig von der Wirtschaftskrise nicht verschont bleiben wird“, sagte Metzler.

Die Vertreter des Berufsverbands wollen deshalb bei der Veranstaltung zu ihrem 60-jährigen Bestehen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (DCU) appellieren, nicht nur über Hilfen für Opel und andere große Industrieunternehmen nachzudenken. „Die Politik muss auch den kleinen Freiberuflern bei Betriebsmittelkrediten helfen, um die eigene Liquidität zu sichern und sich auch gegen Risiken wie etwa Insolvenzen von Dritten zu sichern.“ Zudem müsse über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) spezielle Beratungshilfe gewährt werden. In der Krise sei die Nachfrage nach Beratung durch Anwälte oder Steuerberater höher. Gleichzeitig aber seien die gewerblichen Mittelständler weniger liquide. „Kurz: Es muss sichergestellt werden, dass der höhere Krisenberatungsbedarf bezahlt werden kann“, sagte Metzler. Außerdem sollte vor allem die öffentliche Hand mit Blick auf die eigenen Haushalte die Zahlung von Rechnungen nicht so lange zurückhalten. Der komplette Forderungskatalog läge längst auf dem Tisch der Bundesregierung. Diese habe vieles bislang nicht aufgenommen.

Auf die Mittelständler kommen nach Ansicht des Verbands große Herausforderungen zu. Rechts- und steuerberatende Berufe sind eng an die mittelständischen Unternehmen gekoppelt, die sich oft die Honorare nicht mehr leisten können. Bei Ingenieuren und Architekten kam die Krise zuerst an, da Investoren Bauaufträge aufgeschoben oder storniert haben. Der Bundesverband begrüßt deshalb, dass die Bundesregierung das Konjunkturpaket II aufgestockt hat. „Die Programme zur Sanierung von Gebäuden und Infrastruktur können helfen, die wegbrechende private Nachfrage aufzufangen“, sagte Metzler.

Insgesamt bleibt aber die Befürchtung, dass in vielen der mit geringem Eigenkapital ausgestatteten Freiberuflerpraxen zunächst Kurzarbeit droht. „Kurzfristig hat es zudem einzelne Entlassungen gegeben, mittelfristig ist das nicht aufzuhalten“, sagte Metzler. Hinzu kommen komplizierte Verhandlungen mit Kunden, die nicht mehr zahlen können. Die Ursache für die Wirtschaftskrise liegt aus Sicht des Verbands nicht nur an den Problemen der internationalen Finanzmärkte. Viele der Schwierigkeiten in Deutschland sind aus Sicht der Ärzte, Anwälte oder Steuerberater auch hausgemacht. Vor kurzem forderten die Freiberufler bereits einen Verfassungs-TÜV in Form eines Sachverständigengremiums, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. HB

Thomas Sigm

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