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Wirtschaftskrise: In den Kirchen wird es klamm

Auch katholische und evangelische Gemeinden leiden unter der Wirtschaftskrise. Doch einige Probleme sind hausgemacht

Berlin - Als er die hauseigene Finanzkrise offiziell für beendet erklärte, war ihm wohl klar, dass die nächste schon begonnen hat. Per Brief hatte sich Berlins Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky im August bei allen Gemeindevorständen, Schwestern und Brüdern für die tatkräftige Mitarbeit bei der Umsetzung des sogenannten „Pastoralplans 2009“ bedankt. „Ich darf dankbar feststellen, dass die strukturellen Vorgaben und Ziele des Planes weitgehend erreicht und umgesetzt werden konnten“, schrieb er.

Hinter den sozialistisch anmutenden Begriffen verbarg sich ein dreijähriges Sanierungsprogramm, mit dem das Bistum die Folgen seiner Quasi-Insolvenz von 2003 abschließend bewältigen wollte. Unter dem Motto „Sanieren, konzentrieren, profilieren“ verkaufte die katholische Organisation Immobilien, legte Gemeinden zusammen, entließ Mitarbeiter. Die verbleibenden Angestellten dürften es im Sommer als erlösende Botschaft aufgenommen haben, als ihr Kardinal abschließend schrieb: „Ein neuer detaillierter Plan mit strukturellen Vorgaben ist im Moment nicht beabsichtigt.“

Doch dann kam die Wirtschaftskrise, also geht das Sparen doch weiter. Erzbistumssprecher Stefan Förner bestätigte dem Tagesspiegel am Dienstag, dass die Hedwigs-Gemeinde zum Beispiel ihren 17 festangestellten Friedhofsgärtnern Aufhebungsverträge vorgelegt hat. Bis Sommer 2010 sind die Gärtner der sechs betreuten Friedhöfe ihre Jobs los. Die Arbeiten sollen ausgeschrieben und an Fremdfirmen vergeben werden. Teil der Sanierung sei es, sich von verhältnismäßig teuren Festangestellten zu lösen.

Das scheint bitter vor dem Hintergrund, dass es dem Erzbistum zuletzt ja gelungen war, keine neue Schulden zu machen. Bundesweit waren die Kirchensteuereinnahmen bis nach 2009 hinein gestiegen – bei katholischer Kirche und der evangelischen Konkurrenz. Das lag an der robusten Konjunktur und der verhältnismäßig geringen Arbeitslosigkeit. 2008 erzielten die 27 katholischen Bistümer noch Steuereinnahmen von insgesamt 5,07 Milliarden Euro – ein Plus von 8,8 Prozent gegenüber 2007. Ende 2008 brachen dann die Börsen ein, Privatvermögen schmolzen dahin, was noch mehr Menschen einen Grund gegeben haben könnte, sich durch einen Kirchenaustritt von der Steuer zu befreien, mutmaßt man bei der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Für 2009 rechnen die Katholiken jetzt mit einem Minus von fünf bis zehn Prozent. Das Erzbistum Berlin schaut noch weiter. „Für den Haushalt 2010 sind 18 Prozent weniger als 2008 veranschlagt“, sagt Sprecher Förner.

Es scheint aber wohlfeil, allein die Sünder zwischen Wall Street und dem Frankfurter Parkett für die neue ökonomische Kirchenkrise verantwortlich zu machen. Das Problem ist auch hausgemacht. So verzeichneten viele Städte unmittelbar nach den umstrittenen Entscheidungen des Papstes zur ultrakonservativen Pius-Bruderschaft besonders viele Austritte. Ironischerweise traten auch viele evangelische Christen aus, was den Lutheranern finanzielle Verluste einbrachte – obwohl sie mit dem Papst wahrlich nichts am Hut haben.

Bischöfin Margot Käßmann, die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirchen, glaubt offenbar nicht, dass die Zahl der Kirchenmitglieder bald wieder steigt. „Ganz realistisch: Die Gesellschaft schrumpft in Deutschland, und das wird auch die evangelische Kirche betreffen“, sagte sie diese Woche. Die Demografie gilt sicher als Faktor, weil mit den Alten insgesamt ein Stück traditioneller Kirchentreue stirbt. Zugleich stellen beide Kirchen fest, dass sich zuletzt wieder mehr junge Menschen bei ihnen engagieren – wenn auch nicht finanziell.

In der Not machen Kirchenfunktionäre auch die Regierung verantwortlich: Ende 2008 gab es eine Änderung der Besteuerung von Spekulationsgewinnen, der Abgeltungssteuer. Die Banken konnten die Kirchensteuer auf die Gewinne fortan direkt abführen, erklärt der evangelische Oberkirchenrat Thomas Begrich. Da sei bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, es handele sich um eine neue Steuer. Ein Missverständnis.

Tatsache aber ist, dass die Einnahmen der Kirchensteuer in erster Linie in die Betreuung von Kindern, Alten, Kranken und Behinderten fließen. Man muss kein Christ sein, um das zu unterstützen.

Dass die Kirchenleute in ihrem Sanierungseifer aber manchmal übers Ziel hinausschießen, wurde am Montag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth deutlich: Dort wurde ein 68-jähriger ehemaliger Finanzverwalter der evangelisch-reformierten Kirche zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte rund 7,5 Millionen Euro veruntreut. Er investierte Kirchengeld erfolglos unter anderem in türkische Müllverbrennungsanlagen, einen Golfplatz und den Bau von Nachtspeicheröfen in China. Offenbar wollte er sich nicht persönlich bereichern. Der Mann verteidigte sich wie ein Börsenzocker, für den bis zum Crash alles prima lief: „Die Kirche konnte sich mehr leisten, und das hat dann auch mehr Wünsche und Begehrlichkeiten geweckt.“

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