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Wirtschaftskrise: Notausgang gesucht

Die Weltwirtschaft ist glimpflicher davon gekommen als befürchtet. In Washington versammelt sich die globale ökonomische Elite anderthalb Jahre nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, der zum Inbegriff der Finanzkrise wurde, zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.

Die Rezession, die viele 2009 mit der großen Depression der 1930er Jahre verglichen hatten, scheint gemeistert, jedenfalls auf den ersten Blick. Um rund vier Prozent ist die globale Konjunktur 2009 eingebrochen. Für 2010 rechnen die Experten mit 4,2 Prozent Wachstum, für 2011 mit 4,3 Prozent. Insider loben die „erstaunlich schnelle Erholung“.

So richtig optimistisch sind die Vertreter von Weltbank und IWF, die in Hintergrundgesprächen gerne Auskunft geben, sich aber nicht namentlich zitieren lassen wollen, dennoch nicht. Das hat mehrere Gründe.

Erstens sind die Trends in den einzelnen Weltregionen sehr unterschiedlich. Der Einbruch 2008/09 verlief „weltweit ziemlich synchron“, die Erholung 2009/10 nicht. Die wichtigsten Schwellenländer erleben einen „starken Aufschwung“: China um 8,5 Prozent 2010, Indien um 6,5 Prozent. Die USA, Ausgangspunkt und Zentrum der Krise, wachsen 2010 um 3,1 und 2011 voraussichtlich um 2,6 Prozent; Europa dagegen nur um 1,0 Prozent 2010 und 1,5 Prozent 2011. Die Krise beschleunigt also die Gewichtsverschiebung von den alten Zentren hin zu den „Emerging Markets“ – und bestätigt zudem die Regel, wonach sich die USA dank ihrer weniger regulierten Marktmechanismen nach Rezessionen doppelt so schnell erholen wie Europa.

Zweitens trauen die Fachleute der Erholung noch nicht. Auf die Frage, was die Erklärung für die glimpfliche Entwicklung sei – wurden die Gefahren zuvor übertrieben oder haben die Regierungen mit optimalen Reaktionen verhindert, dass die düsteren Warnungen eintrafen? -, antworten sie verhalten: „Die Krise ist nicht vorbei, sie hat sich nur in eine neue Phase verlagert.“ In vielen Ländern haben milliardenschwere Konjunkturpakete eine künstliche staatliche Nachfrage entfacht. Sie hielten die nationalen Volkswirtschaften über Wasser. Doch das lässt sich nicht fortsetzen. Nun werden die staatlichen Defizite zum Problem, wie die Beispiele Griechenland, Großbritannien, Spanien, USA zeigen. In den US-Medien kann man die Unsicherheit nachlesen, wohin die Reise geht: Auf optimistische Berichte, dass der Konsum wieder anziehe, folgen regelmäßig Warnungen vor einem „double dip“, einem zweiten Einbruch.

Drittens müssen bei der hohen staatlichen Kreditaufnahme irgendwann die Zinsen steigen; und das wird das Wachstum bremsen. Die meisten Industrieländer sind in der Größenordnung von über 100 Prozent ihres Bruttosozialprodukts verschuldet, Japan sogar mit 200 Prozent. Ähnliches gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg wegen der außergewöhnlichen Militärausgaben. Der IWF empfiehlt deshalb als „Exit-Strategie“ den „Ausstieg aus den Konjunkturprogrammen spätestens 2011“; die Zinsen müssten noch etwas länger niedrig gehalten werden, damit die beiden Bremseffekte nicht gleichzeitig kommen.

Viertens ist noch nicht ausgemacht, dass die Lehren wirklich beherzigt werden. Die Neigung, die Finanzwirtschaft zu regulieren, war stärker, solange die bösen Folgen der Krise noch direkt spürbar waren. Der glimpfliche Ausgang senkt die Bereitschaft zu Eingriffen, die einerseits politisch umstritten sind, andererseits die Gefahr bergen, den Aufschwung zu bremsen. In den USA soll ein entsprechendes Gesetz am Montag im Senat diskutiert werden. Präsident Obama hat am Donnerstag mit einer Rede vor Wall-Street-Bankern dafür geworben. Aber dieser Entwurf wie auch die Vorhaben anderswo sind zahmer, als vor einem Jahr gefordert.

Auch in anderer Hinsicht fällt die Frühjahrstagung 2010 aus dem Rahmen. In den letzten Jahren fand der IWF meist mehr Interesse als die Weltbank, weil er seine Stimmrechte an die Verlagerung von den klassischen Industriestaaten zu den Schwellenländern anpasste. Jetzt wird der IWF wegen des Zwischenberichts zur „Exit-Strategie“ wenige Wochen vor dem nächsten G-20-Treffen in Toronto und seiner Rolle bei der Griechenland-Hilfe Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Doch in der Krise hat die Weltbank eine zentrale Rettungsrolle übernommen. Sie hat 2009 45 Milliarden Dollar ausgereicht, drei Mal so viel Geld wie vor der Krise, und wird deshalb ihre erste Kapitalerhöhung seit 1988 vornehmen. Die dient zugleich der Umverteilung der Stimmrechte – nach dem IWF-Vorbild. China rückt von Platz 17 auf Platz 3. Auch Afrika bekommt einen zusätzlichen Sitz im Board.

Die Weltbank finanziert nicht mehr vornehmlich klassische Entwicklungsprojekte, sondern Programme zur langfristigen Budgetsanierung, zum Beispiel die Rentenreformen in Polen und Serbien. Zuletzt gingen 60 Prozent der Mittel in die direkte oder indirekte Budgethilfe einzelner Länder und 40 Prozent in Infrastrukturmaßnahmen. Vor der Krise war es umgekehrt.

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