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Wirtschaftskrise: Obama, hilf

Die Liste der Sorgen ist lang – was sich die deutsche Wirtschaft vom neuen US-Präsidenten erhofft.

Dass Barack Obama vor gigantischen Aufgaben steht – wer mag das bestreiten? Doch für die Deutsche Bank schmort der 44. US-Präsident seit seiner Vereidigung in sieben Fegefeuern, wie Analyst Klaus Deutsch schreibt.

Theologisch liegt der Volkswirt daneben, schließlich ist das Fegefeuer Verstorbenen vorbehalten. Doch die sieben Aufgaben, die der Deutsche-Bank-Mann beschreibt, dürften der To-do-Liste Obamas tatsächlich weitgehend entsprechen: Depression abwenden, Finanzsystem sanieren, Sozialsystem reformieren, Klimaschutz forcieren, Kriege und Konflikte beenden, Ansehen der USA erhöhen, Selbstvertrauen der Amerikaner erneuern.

„Die sieben Fegefeuer der amerikanischen Politik brennen ungleich stark“, warnt Deutsch. „Misslingt die Löschung des lichterloh brennenden Wirtschaftsproblems, fehlen die politischen und seelischen Voraussetzungen für die Prüfungen in allen anderen Feldern.“ Dem Rest der Welt bleibe nichts anderes übrig, als Obama Glück zu wünschen.

Das allerdings muss nicht alles sein. Von den US-Konjunkturpaketen werden auch deutsche Unternehmen profitieren. Steuererleichterungen für amerikanische Bürger können den Absatz deutscher Autos steigern, staatliche Investitionen helfen deutschen Energiespezialisten, und auch deutsche Banken profitieren davon, wenn die USA die Finanzkrise überwinden. Und das könnte die Rezession in Deutschland abschwächen.

DIE KONJUNKTUR

Denn wenn die USA Hunderte Milliarden in ihre Wirtschaft pumpen – die Rede ist von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts –, wird aller Erfahrung nach auch Deutschland davon profitieren. „Ein Effekt in dieser Größenordnung wird auch zu mehr Wachstum bei uns führen“, sagt Barbara Konnen, USA-Expertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Immerhin stehen die USA für ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung. Und nach Frankreich sind sie das zweitwichtigste Absatzland für deutsche Produkte – die Amerikaner kaufen für mehr als 73 Milliarden Euro pro Jahr Waren „made in Germany“.

Genau quantifizieren lässt sich der Wachstumseffekt aber nur schwer. Immerhin wissen die Ökonomen, dass Deutschland unter einer Krise in den USA stärker leidet, als es von einem Aufschwung dort profitiert. Das schreibt das Bundeswirtschaftsministerium in seinem jüngsten Monatsbericht. Als Faustformel gilt, dass ein Minus beim US-Bruttoinlandsprodukt von einem Prozent ein Minus in Deutschland von 0,1 bis 0,4 Prozentpunkten zur Folge hat.

Allerdings ist die Bedeutung der USA als Deutschlands Handelspartner gesunken. Der mächtige Partner steht für sieben Prozent des deutschen Außenhandels, vor einigen Jahren waren es noch zehn Prozent. Gleichwohl ist Amerika in den vergangenen Jahren immer wichtiger für die deutsche Konjunktur geworden. Das liegt an der Globalisierung und den enger zusammengerückten Finanzmärkten. Zudem verfügen die deutschen Firmen über mehr als 3000 Tochterunternehmen in den Staaten mit mehr als 670 000 Beschäftigten.

DIE AUTOBRANCHE

Die Krise der US-Autokonzerne bietet deutschen Herstellern nach Meinung von Experten gute Chancen, ihren Marktanteil auf dem wichtigsten Automarkt der Welt zu vergrößern. Aktuell liegt er bei sieben Prozent. Der Branchenverband VDA schätzt, dass zehn Prozent in einigen Jahren möglich sind. „Das ist durchaus plausibel, weil sich die US-Verbraucher für die effizienten deutschen Autos interessieren werden, sobald der Benzinpreis wieder massiv steigt“, sagt Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) in Geislingen. Dies sei den Deutschen bewusst. Volkswagen etwa baue ein eigenes Werk in den USA und werde wohl seine Produktion in Mexiko ausbauen. Porsche, BMW und Daimler litten zwar aktuell unter dem schwachen US-Markt, ständen aber in den Startlöchern, um den „Big Three“ – General Motors, Ford, Chrysler – und den Japanern Kunden abzunehmen. „Im Moment gewinnen die Deutschen Anteile, weil der Gesamtmarkt schrumpft“, sagt Diez. Kurzfristig erwartet der Autoexperte, dass die US-Konzerne auf Rabatte setzen. Auch habe sich die Nachfrage nach Geländewagen und Pickups angesichts des niedrigen Spritpreises stabilisiert, während der Absatz umweltfreundlicher Hybridautos gesunken sei. „Die US-Autobauer werden kämpfen“, glaubt Diez. Mittel- und langfristig schlage aber die Stunde der Deutschen.

DIE BANKEN

Auch deutsche Banker blicken derzeit hoffnungsvoll über den Atlantik. „Wenn Obama den US-Banken hilft, stützt er unbewusst auch die deutschen Banken“, sagt Finanzexperte Wolfgang Gerke. Das liegt an der engen Verflechtung der Branche, die man in negativer Hinsicht bei der Pleite von Lehman Brothers zu spüren bekam. Grundsätzlich gilt: Die meisten Schuldner der notleidenden Kreditforderungen in den deutschen Bilanzen sind US-Banken. Verschlechtert sich deren Situation, steigt hierzulande der Abschreibungsbedarf. Ginge ein weiteres der großen US-Häuser pleite, hätte das wohl verheerende Folgen für deutsche Institute. Geschäftlich und psychologisch: „Das ohnehin zerstörte Vertrauen würde ganz vernichtet“, sagt Christoph Kaserer, Betriebswirtschaftsprofessor an der TU München. Die Verflechtung der Finanzmärkte bedeutet aber auch: Verbessert sich die Bonität der US-Banken etwa durch staatliche Hilfe, steigt auch der Marktwert der sogenannten toxischen Papiere in Deutschland.

DIE ENERGIE

Obama hat im Wahlkampf Investitionen in erneuerbare Energie von 150 Milliarden Dollar angekündigt, die in zehn Jahren fünf Millionen „grüne Jobs“ schaffen sollen. Dadurch entsteht „ein hoch interessanter Exportmarkt für die deutsche Solarindustrie“, sagt Carsten König, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Viele deutsche Unternehmen sind bereits vor Ort, etwa die Berliner Solon AG, die in Tucson, Arizona, eine eigene Produktion betreibt. „Bei der Vergabe von Aufträgen spielt es keine unbedeutende Rolle, wo die Wertschöpfung stattfindet und wo Arbeitsplätze entstehen“, sagt Solon-Vorstandschef Thomas Krupke. Er war bei Obamas Amtseinführung in Washington und hat die glänzende Laune der Solarbranche vor Ort erlebt. Er rechnet damit, dass er die Zahl der Mitarbeiter in den USA im Jahresverlauf auf 200 verdoppeln kann. Eine ähnliche Dynamik erwartet Per Hornung, Vorstandschef des Windkraftanlagenherstellers Repower: „Derzeit haben wir in Portland über 40 Mitarbeiter, bis Ende 2009 planen wir, dort 90 Kollegen zu haben.“

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