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Wirtschaftskrise: Wie schlimm wird die Wende am Arbeitsmarkt?

Die Wirtschaftskrise hat den Arbeitsmarkt erfasst. Nun streiten die Experten, wie stark die Arbeitslosigkeit steigen wird.

Berlin - Mit dem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf 3,1 Millionen im Dezember ist die Wirtschaftskrise auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt angekommen. Experten erwarten, dass sich dieser Trend über das laufende Jahr hinaus fortsetzt, umstritten ist allerdings, wie stark die Arbeitslosigkeit steigen wird.

Das in Berlin ansässige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet damit, dass es bis Ende 2010 rund 500 000 Arbeitslose mehr geben wird. Danach werde sich der Trend voraussichtlich wieder umkehren, meinen die Forscher. Damit gehören sie zu den Optimisten ihrer Zunft. Andere Experten sehen die Lage düsterer. „Bis Ende 2009 könnte es vier Millionen Arbeitslose geben“, sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, dem Tagesspiegel. Dieses Szenario drohe, wenn die große Koalition das zweite Konjunkturpaket nicht auf den Weg bringe. „Der Abschwung lässt sich aber selbst durch das Paket nicht aufhalten, er lässt sich nur abmildern“, sagte Horn. Im besten Fall dürfte die Zahl der Menschen ohne Job bis Ende 2009 nur auf rund 3,5 Millionen steigen.

Während Horn staatliche Unterstützung fordert, setzt das DIW darauf, dass sich die Weltkonjunktur weitgehend von alleine wieder erholt. Zwar werde die deutsche Wirtschaft 2009 wegen der wegbrechenden Exporterlöse um 1,1 Prozent schrumpfen, sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann am Mittwoch. Ende des Jahres könne es aber konjunkturell schon wieder aufwärtsgehen. Der Export werde dann nicht mehr so stark schrumpfen und der heimische Konsum die Wirtschaft beleben. „2010 würde das Wachstum dann bei etwas mehr als einem Prozent liegen“, sagte Zimmermann. Das von der großen Koalition geplante zweite Konjunkturpaket über insgesamt 50 Milliarden Euro sei darin noch nicht eingerechnet.

Für Steuersenkungen und Milliardeninvestitionen hat Zimmermann nicht viel übrig. „Mit kurzatmigem Aktionismus laufen wir Gefahr, Milliarden zu verbrennen, die uns für dauerhafte Investitionen in Bildung, Forschung und ökologische Infrastruktur fehlen“, sagte der Instituts-Chef. „Mit dem derzeitigen Konjunkturrettungswettlauf droht der teuerste Bundestagswahlkampf aller Zeiten.“

Dass die DIW-Forscher relativ optimistisch auf den Arbeitsmarkt schauen, liegt vor allem an einer Annahme: Die Firmen sollen eher auf Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten setzen, als massenhaft Leute zu entlassen. „Die Unternehmen wissen, dass sie eine temporäre Krise vor sich haben und werden deshalb versuchen, die Stammbelegschaft zu halten“, erklärte der Leiter der Konjunkturabteilung, Christian Dreger. Wie im vergangenen Aufschwung, so würden auch im nächsten wieder Fachkräfte fehlen. Von der nun drohenden Arbeitslosigkeit seien deshalb vor allem Geringqualifizierte und Beschäftigte in der exportorientierten Industrie betroffen. Der Bauwirtschaft stünden dagegen vergleichsweise gute Zeiten bevor. Sie werde von den staatlichen Konjunkturprogrammen besonders profitieren.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hielt sich mit einer Prognose zurück. Die Arbeitslosigkeit werde in den kommenden Monaten stärker zunehmen als für die Jahreszeit zu erwarten wäre, teilte die Behörde mit. Schon jetzt meldeten sich bereits zunehmend mehr Beschäftigte arbeitsuchend, weil ihnen gekündigt oder weil ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht verlängert wurde. Das Stellenangebot gehe deutlich zurück.

Besonders klar zeigt sich die Trendwende am Arbeitsmarkt in den saisonbereinigten Zahlen. Dabei werden jahreszeitlich bedingte Schwankungen herausgerechnet. Für Dezember kommt dabei erstmals seit 34 Monaten wieder ein saisonbereinigter Anstieg der Arbeitslosenzahl heraus, und zwar um 18 000. Genau genommen handelte es sich dabei sogar um den ersten Anstieg seit März 2005. Zwar sei auch im Februar 2006 die Arbeitslosenzahl saisonbereinigt gestiegen. Dies sei aber eine Ausnahme gewesen, weil damals die Zahldauer beim Arbeitslosengeld I für Ältere verkürzt worden war.

Für das Land Berlin meldete die Arbeitsagentur  keine saisonbereinigten Zahlen. Sie teilte jedoch mit, dass der Anstieg um 3121 auf 218 190 Arbeitslose gegenüber November jahreszeitlich bedingt sei und den Vorjahresmonaten entspreche. Mitarbeit: Yasmin El-Sharif

Stefan Kaiser

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