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Wirtschaftskrise: Zwischen Horror und Hoffnung

Trotz düsterer Vorhersagen der Forscher sehen die Unternehmen eine Konjunkturwende – das ist nur scheinbar ein Widerspruch.

Berlin - Mitten in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte fassen viele Unternehmen offenbar wieder Mut. Das signalisiert zumindest Deutschlands wichtigster Konjunkturindikator, der Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo-Instituts. Der Index, der die Stimmung in deutschen Chefetagen spiegelt, stieg im April von 82,2 auf 83,7 Punkte. Vor allem die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate verbesserten sich deutlich. Viele Ökonomen sprechen deshalb bereits von einer Trendwende. Zumal am Dienstag auch der Konjunkturindikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) eine Erholung signalisiert hatte.

Doch wie vertragen sich solche Meldungen mit dem düsteren Ausblick, den die führenden Forschungsinstitute (darunter das Ifo) am Donnerstag gezeichnet haben? Einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent in diesem und um weitere 0,5 Prozent im kommenden Jahr sagen die Forscher voraus – Aufschwung sieht anders aus.

Doch so widersprüchlich, wie es auf den ersten Blick scheint, sind die Zahlen nicht. Denn erstens signalisieren die Stimmungsindikatoren alles andere als einen kräftigen Aufschwung. Und zweitens dürfte die Wirtschaft den schlimmsten Teil der Minus-sechs-Prozent-Prognose wegen des schlechten ersten und zweiten Quartals bald hinter sich haben.

Der Ifo-Index liegt trotz der leichten Erholung im April noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau. So schlecht wie in den vergangenen fünf Monaten schätzten die Unternehmer die aktuelle Lage seit der Wiedervereinigung noch nie ein. Das hat sich im April nicht geändert. Angesichts der verheerenden Situation ist es also fast logisch, dass ein immer größerer Teil der Unternehmen glaubt, dass es nur noch aufwärtsgehen kann. Und dennoch ist der Anteil der Optimisten laut Ifo-Umfrage noch deutlich niedriger als der der Pessimisten. Von Aufschwung also keine Spur. Wohl aber gibt es bei Firmen und Experten Hoffnung, dass der Abschwung sich verlangsamen und womöglich bald den Tiefpunkt finden könnte.

„Wenn die Prognosen zutreffen, dann sind wir jetzt am Tiefpunkt“, sagte Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Tagesspiegel. „Und das ist die Voraussetzung für eine Wende.“ Noch optimistischer ist der Chefvolkswirt der Postbank, Marco Bargel. „Wir haben die wirtschaftliche Talsohle erreicht oder vielleicht bereits hinter uns gelassen“, meinte er. Bundesbankpräsident Axel Weber ist etwas vorsichtiger, sprach am Freitag aber von „ersten Hoffnungszeichen“ und rechnet für das kommende Jahr mit einer „schrittweisen Erholung“ der deutschen Wirtschaft.

Auch die wichtigsten Industrieländer, die G-7, sehen Anzeichen für ein langsames Auslaufen der Rezession. „Jüngste Daten legen den Schluss nahe, dass das Tempo des Abwärtstrends in unseren Volkswirtschaft nachgelassen hat und einige Anzeichen der Stabilisierung auftauchen“, hieß es laut Reuters in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des G-7-Treffens in Washington.

Umstritten ist, wie rasch es aufwärts geht. Ökonomen bemühen das Alphabet: Sie sprechen von einer V-Rezession, wenn die Wirtschaft schnell stark einbricht und es dann ebenso schnell und steil wieder aufwärts geht. An dieses Szenario glaubt aber fast niemand mehr. Als wahrscheinlicher gilt die U-Rezession, die länger dauert, aber irgendwann von einem Aufschwung abgelöst wird – im zweiten Halbjahr 2009 oder Anfang 2010. Vertreter dieser These setzen auf die Wirkung der weltweiten Konjunkturprogramme und der Zinssenkungen durch die Notenbanken. Diese Maßnahmen wurden in Europa erst im Winter auf den Weg gebracht und brauchen meist ein halbes Jahr, bis sie wirken. Weil die USA schneller reagiert haben, könnte die Erholung dort eher beginnen und den deutschen Export stimulieren. Hoffnung macht die allmähliche Stabilisierung des Finanzsektors. Sollte es in den nächsten Monaten gelingen, die faulen Wertpapiere aus den Bilanzen in Bad Banks zu übertragen, könnte sich die Erholung festigen.

Doch es kann auch anders kommen: Die dritte Variante, die L-Rezession, würde die deutsche Wirtschaft auf Jahre stagnieren lassen. So erging es etwa Japan nach einer schweren Bankenkrise Anfang der 90er Jahre. Trotz Null-Zinsen fielen die Preise, es kam zu einer Deflationsspirale. Dass so etwas auch Deutschland droht, gilt als unwahrscheinlich, ist aber nicht auszuschließen – etwa wenn die Stabilisierung der Banken misslingt.

Die Bürger neigen eher zu einer pessimistischen Einschätzung. Laut dem Politbarometer, einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag von ZDF und Tagesspiegel, glauben nur zwölf Prozent, dass die Wirtschaftskrise noch 2009 überwunden werden kann. 86 Prozent meinen, sie werde länger dauern.

Stefan Kaiser

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