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Wirtschaft: Wirtschaftsministerium: Zeuginnen der Anklage

Eigentlich sollte es eine Art Gerichtsverhandlung werden. So richtig mit Anklage und Verteidigung.

Eigentlich sollte es eine Art Gerichtsverhandlung werden. So richtig mit Anklage und Verteidigung. Die richtig große Verhandlung musste jedoch abgesagt werden, denn in letzter Sekunde hatten die Zeuginnen der Verteidigung abgesagt.

Auf der Anklagebank im großen Konferenzsaal des Wirtschaftsministeriums saß die Personalpolitik der deutschen Unternehmen. Denn trotz des Gleichstellungsgesetzes von 1994 hat sie es noch immer nicht geschafft, die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ausreichend zu fördern. Das bestritt auch niemand in der Runde. Unterschiedliche Auffassungen gab es jedoch in der Schuldfrage. Heide Pfarr, Geschäftsführerin der Hans Böckler Stiftung und Mitglied der "Initiative Taten statt Worte", die zu dieser Pro und Contra Verhandlung eingeladen hatte, vertrat die Meinung, dass es hauptsächlich die Unternehmen sind, deren Männer-Netzwerke und antiquierte Rollenbilder die Schuld an der stagnierenden Frauen-Quote in den Führungsetagen haben. Als Strafe fordert die Initiative daher, die öffentliche Auftragsvergabe an die Erfüllung von Gleichstellungszielen zu binden. Sie seien es einfach leid, zu warten, sagte Pfarr. Jetzt müsse einfach mal Druck gemacht werden. Die Erfahrungen aus den USA, wo es eine solche Koppelungen mit "Affirmative-Action-Programmen" gegeben hat, seien so gut, dass es keine Gründe gäbe, dieses Verfahren nicht auch in Deutschland anzuwenden. Heide Gölz, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Familienministerium, verwies darauf, dass in Deutschland der Frauenanteil in Führungspositionen mit elf Prozent weit hinter dem internationalen Schnitt liegt. In den USA seien es 46 Prozent, in Kanada 42 Prozent.

An einer entsprechenden Gesetzesnovelle arbeitet das Familienministerium schon seit einiger Zeit und ursprünglich sollte sie auch noch in diesem Jahr zur Abstimmung im Bundestag kommen. Aber weder das "ob" noch das "wie" des Gesetzes sei im Moment geklärt, sagte Heide Gölz. Die Grundüberlegung ist, wer einen öffentlichen Auftrag haben will, muss sich verpflichten, innerhalb der nächsten zwei Jahre Verbesserungen wie familiengerechte Arbeitszeiten, Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen oder einen Betriebskindergarten vorzuweisen. Die konkreten Projekte sollen die Unternehmen aber selbst entwickeln.

Die Verteidigung der Unternehmen übernahm die Staatssekretärin des Bundeswirtschaftsministerium, Margarete Wolf (Grüne). Sie sei gegen die Verknüpfung von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen mit Gleichstellungsprogrammen, da es zu Wettbewerbsverzerrung und einer enormen Bürokratisierung der Abläufe kommen würde, Kosten, die aus Steuergeldern bezahlt werden müssen. Außerdem sei der Bund nur im Straßenbau und in der Rüstung ein relevanter Nachfrager, er hätte also viel zu wenig Aufträge zu vergeben, um die Gleichstellung überhaupt merklich zu verbessern. "Einspruch", rief Heide Gölz von der Gegenseite, die die 180-200 Milliarden Mark Auftragsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen im Jahre 1995 für völlig ausreichend hielt. Immerhin seien das 21 Prozent des gesamten Auftragsvolumens. Die Wirtschaftsanwältin Doris Schuster von der Verteidigungsseite gab zu Bedenken, dass die Idee des Gesetzesentwurf, sozialrechtliche Kriterien an die Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu koppeln, EU-rechtswidrig sei, denn es würde zu einer Diskriminierung von Ländern wie Portugal führen, die kein Gleichstellungsgesetz haben. Und das hatte der europäische Gerichtshof für nicht zulässig erklärt. Zudem sei ihr nicht klar, was passiert, wenn ein Unternehmen zwar verspricht, in den nächsten zwei Jahren für Gleichstellungsprogramme zu sorgen, es aber nicht tut. Es fehlten klare Sanktionsmechanismen, die gegen ein solches Unternehmen verhängt werden könnten. In der jetzigen Form würde das Gesetz nicht den Frauen, sondern nur den Wirtschaftsanwälten nützen. Und das mache es überflüssig. Damit war die Verhandlung geschlossen. Auf ein Urteil wurde aufgrund der fehlenden Zeuginnen verzichtet, aber die Diskussion ging weiter. Wie im echten Leben.

Kerstin Kohlenberg

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