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Ein Rad greift ins nächste. Mini-Zinsen und der Ölpreis speisen den Konsum in Deutschland. Das sorgte zuletzt für Steuereinnahmen in Rekordhöhe.

© Tomasz Zajda - Fotolia

Wirtschaftswachstum: Noch eine Drehung weiter

Deutschlands Wirtschaft läuft rund. Doch wie lange hält der Aufschwung noch?

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Spekuliert und orakelt wurde viel, seit Donnerstag ist es amtlich: Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, ist die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent zum Vorjahr gewachsen – also noch etwas stärker als 2014. Schon da legte die heimische Wirtschaft um 1,6 Prozent zu, was ein stattlicher Wert ist für ein hoch entwickeltes Industrieland. Im Schnitt der vergangenen zehn Jahre war die Wirtschaft um 1,3 Prozent pro Jahr gewachsen.

Die Statistiker präsentierten zudem die Abschlussrechnung der öffentlichen Haushalte. Sie rundet das Bild von Deutschland als Wirtschaftsprimus in Europa ab: Ein Plus in Höhe von 16,4 Milliarden Euro verbuchten die Kämmerer von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen unterm Strich. Zum Vergleich: Europas zweitgrößte Volkswirtschaft Frankreich dürfte für das vergangene Jahr 70 Milliarden Defizit melden.

Es bleiben Risiken

Einige Ökonomen und ihre Institute hatten sich in den vergangenen Tagen optimistisch gezeigt, dass das neue Jahr ähnlich gut – oder sogar noch besser – wird. Die Prognosen im noch jungen Jahr bewegen sich in der weiten Spanne zwischen 1,5 und 2,2 Prozent für 2016. Clemens Fuest, Präsident des Mannheimer Instituts ZEW und designierter Direktor am Ifo-Institut, gab zum Beispiel 1,5 bis 2,0 Prozent als Zielmarke aus – auch wenn die Probleme in China zum Beispiel den deutschen Exporteuren wohl verstärkt zusetzen dürften, sagte Fuest.

Die Probleme und Risiken sind mit dem Jahreswechsel ja nicht verschwunden: Neben China ist da die Euro-Schwäche, welche Importe verteuert, der mögliche Austritt der Griechen aus der Euro-Zone oder der Briten aus der EU. Und der Terrorismus. „Das Konjunkturjahr 2015 war mehr Schein als Sein“, mäkelte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammerdachverbandes DIHK. Auch der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (diese Branche ist der größte industrielle Arbeitgeber hierzulande) erwartet nach Nullwachstum in 2015 in diesem Jahr keine realen Zuwächse.

Das Wachstum fußt auf zwei Säulen

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt sich in seinen Reden schon seit Monaten als Zweckpessimist: Das Wachstum sei nicht nur aus eigener Kraft erreicht worden, etwa aufgrund stark gestiegener Produktivität, argumentiert er. Es gründe maßgeblich auf zwei Faktoren, die man in Deutschland nur schlecht beeinflussen kann: die extrem niedrigen Zinsen und den anhaltend niedrigen Rohölpreis. Beide stützen den Konsum, die mittlerweile wichtigste Säule des einstigen Exportweltmeisters Deutschland. Aber was, wenn sie wegbricht?

Bis dahin aber stützen Ölpreis, Mini-Zinsen und sogar die hohe Zahl an Flüchtlingen die Konjunktur. Der Umstand, dass der Staat für ihre Unterbringung und Betreuung viel Geld investiert, stützt – zumindest derzeit – viele Handwerker und Bildungsträger. Zudem sind die eine Millionen Menschen, die 2015 in Deutschland angekommen sind, schlicht: Konsumenten.

Staatskassen sind gut gefüllt

Die gute Konjunktur macht sich auch bei den Firmenpleiten bemerkbar. Gerade einmal 23 000 Unternehmen sind 2015 in die Insolvenz gegangen. „Das ist der niedrigste Insolvenzstand seit fast 20 Jahren“, sagte Wolfgang Spitz, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Inkassounternehmen in Berlin. Ob Firmen oder Verbraucher: Den Deutschen geht es finanziell gut, die meisten kommen mit ihrem Geld aus. In einer Umfrage gaben 90 Prozent der Inkassounternehmen an, dass die Zahlungsmoral derzeit genauso gut oder sogar besser ist, als noch vor einem halben Jahr – auch das ist ein Rekord. Als Grund für diese Entwicklung nennt Spitz die niedrige Arbeitslosigkeit, gute Lohnabschlüsse und stabile Aufträge der Unternehmen. „Damit kann die Wirtschaft robust und ohne Liquiditätssorgen in das neue Jahr starten“, sagte Spitz. Und es gehe gut weiter: „Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass die positive Entwicklung der letzten Jahre durch Rückschläge gefährdet wäre.“

Die durchschnittlich hohen Unternehmensgewinne und der starke Konsum, auch bedingt durch Reallohnsteigerungen, die viele Berufsgruppen 2015 erlebten, hat die Staatskassen gut gefüllt, vor allem die des Bundes. Der steuerte zwölf der 16,4 Milliarden Euro zu dem Überschuss der Haushalte bei. Ein Rekord, der Begehrlichkeiten weckt. So lobte der Wirtschaftsrat der CDU am Donnerstag vorsorglich die Bemühungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), auch 2016 zumindest einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. „Ausgabendisziplin ist das oberste Gebot der Stunde“, meint der Rat.

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