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Wissenschaftler Gornig: "Tegel bietet eine besondere Chance"

Wissenschaftler Gornig über Industriepotenziale

Herr Gornig, unter dem Motto „Future made in Berlin“ läuft die Industriekampagne. Ist das nicht etwas hochgestapelt?

Bei einer Werbekampagne muss man übertreiben, das liegt in der Natur der Sache. Und für die Berliner Industrie zu werben, ist völlig richtig, zumal die industriepolitischen Potenziale bislang nicht ausgeschöpft wurden.

Warum nicht?

Nach der Wende gab es einen tiefen Strukturwandel in beiden Stadthälften. Parallel zu diesem Wandel hätte eine Reindustrialisierung stattfinden müssen. Stattdessen gab es die Haltung, „hier läuft alles von selbst“.

Wie kann denn Politik Reindustrialisierung bewerkstelligen?

Man darf die Möglichkeiten der Politik natürlich nicht überschätzen. Aber ein Standort muss vermarktet werden, also aktives Werben für die Industrie und nicht allein Abwicklung der nicht mehr lebensfähigen Strukturen und Betriebe.

Aber wie lockt man Industriefirmen nach Berlin? Wie wichtig sind zum Beispiel große Flächen wie in Tempelhof und demnächst in Tegel?

Tegel bietet eine besondere Chance. Ähnlich wie in Adlershof könnte eine Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft gelingen. Dann hat man etwas Besonderes, das sich entsprechend vermarkten lässt. Dazu sollte in Tegel, sozusagen auch in Abgrenzung zu Adlershof, die Orientierung und Profilierung mehr in Richtung Produktion gehen.

Fast schon traditionell schwach ist die Berliner Industrie bei forschungsintensiven Produktionen. Wann wird das besser?

Die Defizite sind erheblich geschrumpft, doch womöglich brauchen wir noch zehn Jahre. Dabei gibt es Defizite auf beiden Seiten: Wirtschaft und Wissenschaft agieren zu sehr nebeneinander.

Wie lässt sich das ändern?

Inzwischen gibt es ja ein gemeinsames Bekenntnis der Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Stadtentwicklung zur Industrie. Dem sollte sich auch die Wissenschaftsverwaltung anschließen. Etwa nach dem Motto: Wir akzeptieren, dass die Ziele des Wirtschaftssenators auch unsere Ziele sind.

Warum sollte die Wissenschaft so denken?

Weil es hier auch um den Bildungsstandort geht. In Berlin ausgebildete Ingenieure wollen hier attraktive Arbeitsplätze finden, dafür brauchen wir wissensintensive Industrieunternehmen. Die Wissenschaft sollte sich nicht ausschließlich an akademischer Exzellenz ausrichten. Es geht vielmehr auch um die Frage, welche Bereiche an den Hochschulen entwickelt werden müssen, um die Betriebe zu unterstützen. Das gemeinsame Denken ist noch nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte.

Aber das Verständnis für die Notwendigkeit der Industrie ist gewachsen?

Ja, das belegt die Werbung für die Industrie und den Industriestandort. Mit dem Masterplan Industrie und dem Steuerungskreis ist in den vergangenen Jahren endlich etwas passiert.

Martin Gornig

arbeitet am

Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er ist Mitautor einer Studie über

Berliner Wachstumschancen. Mit Gornig sprach Alfons Frese.

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