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Allein auf der Regierungsbank: Wolfgang Schäuble bei der Bundestags-Abstimmung über Griechenland am Freitag.

© Tim Brakemeier/dpa

Wohin mit den Überschüssen?: Sparen allein reicht nicht

Deutschland schwimmt im Geld. Wolfgang Schäuble nutzt die Gelegenheit, um Schulden abzubauen. Das ist richtig, aber Sparen ist nicht alles. Ohne Investitionen ist Deutschland nicht zukunftsfähig. Ein Kommentar

Es war die Woche des Wolfgang Schäuble: Erst konnte sich der Finanzminister über ein sattes Milliardenplus in den öffentlichen Kassen freuen, dann rief die Bundesagentur für Arbeit das neue deutsche Jobwunder aus und verkündete die niedrigsten Februar-Arbeitslosenzahlen seit 24 Jahren. Und schließlich stimmte auch noch der Bundestag den Griechenland-Hilfen zu. Zeit gewonnen, die Gefahr eines „Grexit“ gebannt, der deutsche Finanzminister kann stolz auf sich sein. Tatsächlich steht das Land so gut da wie lange nicht mehr. Trotz aller Krisen in der Welt ist die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen und dürfte das auch weiterhin tun. Das billige Öl und der schwache Euro wirken für deutsche Unternehmen wie ein Konjunkturprogramm. Volle Auftragsbücher in der Wirtschaft, viele Menschen, die Arbeit haben, das lässt die Steuereinnahmen sprudeln. Im Januar kassierten Bund und Länder über 43 Milliarden Euro an Steuern, rund vier Prozent mehr als vor einem Jahr. Das freut den obersten Kassenwart der Republik.

Steuern senken?

Viele Finanzpolitiker würden jetzt überlegen, was sie mit dem vielen Geld anstellen könnten. Man könnte die Steuern senken und die kalte Progression abschaffen. Das wäre ein schönes Signal an die Millionen Menschen, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass Deutschland da steht, wo es zur Zeit ist. Allerdings: Wirklich Not tut eine solche Maßnahme derzeit nicht. Denn wegen der niedrigen Inflation schlägt sich die kalte Progression auf dem Gehaltszettel so gut wie nicht nieder. Zudem steigt in diesem Jahr der Grundfreibetrag, ein größerer Teil des Einkommens bleibt daher steuerfrei. Und dank der Gehaltserhöhungen, die es jetzt wieder gibt, haben viele Menschen ohnehin mehr Geld in der Tasche. Dass die Deutschen in allerbester Konsumlaune sind, hängt auch damit zusammen.

Reiche zur Kasse bitten?

Man könnte die guten Zeiten aber auch dazu nutzen, ein wenig Umverteilung zu betreiben und die Vermögensverteilung im Land gerechter zu gestalten. Mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer etwa, die sich jetzt, wo die Reichen in Zeiten ständig neuer Börsenrekorde und steigender Immobilienpreise nahezu im Schlaf immer reicher werden, leichter durchsetzen ließe als sonst. Und auch die Drohung davor, dass das Geld der Wohlhabenden dann in kapitalfreundlichere Finanzoasen abwandert, verliert an Wucht, seitdem sich über 50 Länder in die Hand versprochen haben, Steuerhinterziehung global zu bekämpfen und die Banken unter verstärkter Beobachtung der Steuerfahnder stehen. Doch eine Vermögensteuer will selbst der sozialdemokratische Vizekanzler Sigmar Gabriel nicht, warum also sollte sich Wolfgang Schäuble in die Nesseln setzen? Der Proteststurm, den er für seinen Versuch erntet, Erben von Betrieben bei der Erbschaftsteuer stärker zur Kasse zu bitten, dürfte ihm reichen.

Schäuble spart

Nein, der Finanzminister nutzt die guten Zeiten, um seine Finanzen in Ordnung zu bringen. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Schäuble, Jahrgang 1942, gehört zu der Generation, die mit solchen Sprüchen groß geworden ist. Oder mit der Fabel des Alt-Griechen Aesop von der Heuschrecke, die sich den Sommer über auf dem Feld vergnügt und mit ihrer Geige vor sich hin fidelt, während die Ameise schuftet und für den Winter Getreide sammelt. Am Ende kann die Grille nur überleben, weil die Ameise mit ihr teilt. Parallelen zur griechischen Neuzeit lassen sich nicht ganz von der Hand weisen.

Sanierungsfall: Die Rheinbrücke auf der A 40 zwischen Düsseldorf und Essen hat wegen Bauarbeiten für die nächsten sechs Wochen nur eine Spur.
Sanierungsfall: Die Rheinbrücke auf der A 40 zwischen Düsseldorf und Essen hat wegen Bauarbeiten für die nächsten sechs Wochen nur eine Spur.

© dpa

„Ein jeder kehr vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier“, mit dem Goethe-Zitat wird Schäuble gern zitiert. Und so wie der deutsche Finanzminister die Griechen dazu bringen will, sich an Verabredungen zu halten, so hält er es auch mit Deutschland. „Pacta sunt servanda“, Verträge müssen eingehalten werden, das lernen Jurastudenten im ersten Semester, der Jurist Wolfgang Schäuble beherzigt diesen Grundsatz auch in seiner Finanzpolitik. Er will den hohen deutsche Schuldenberg abbauen, und das zu Recht. 25,6 Milliarden Euro zahlt Schäuble als Schuldendienst in diesem Jahr, das ist einer der größten Ausgabeposten in seinem Etat. Zwar hat es der Finanzminister geschafft, im vergangenen Jahr keine neuen Schulden zu machen und will das auch in diesem Jahr tun, der Schuldenberg wird dadurch aber nicht kleiner. Er wird nur nicht höher. Jetzt in guten Zeiten Vorsorge zu treffen für schlechtere, ist richtig. Denn wer garantiert, dass die Zinsen nicht wieder steigen? Schuldenabbau schafft gestalterische Freiheit und ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

Es wird zu wenig investiert

Aber das reicht nicht. Jeder Ökonom weiß: Für die Erträge von morgen muss man heute investieren. Was für jedes Unternehmen gilt, trifft auch auf den Staat zu. Der Staat muss den Rahmen schaffen, damit Deutschland zukunftsfähig bleibt. Das beginnt bei den maroden Straßen und Brücken, die den Warentransport behindern, es setzt sich beim Netzausbau fort, der langsamer in Schwung kommt als nötig wäre. Marode Schulen, die keine Lust aufs Lernen machen, und Schulabbrecher, die statt eine Ausbildung zu machen zu Sozialfällen werden, kann sich das Land nicht leisten. Junge Unternehmen klagen darüber, dass sie keine Geldgeber für ihre Ideen finden, und die deutsche Industrie leidet unter den hohen staatlichen Steuern und Abgaben für den Strom. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Das ist richtig. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.

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