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WTO: Viele Verlierer nach der gescheiterten Welthandelsrunde

EU-Kommissionspräsident Barroso ist tief enttäuscht und empfiehlt neuen Anlauf.

Genf - Nach der gescheiterten Welthandelsrunde hat sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso „tief enttäuscht“ gezeigt und den 27 EU-Staaten empfohlen, das Ergebnis genau zu überprüfen und mit den wichtigsten Partnern zur gegebenen Zeit einen neuen Anlauf zu versuchen.

In Brüssel identifiziert man die ärmsten Länder als Verlierer der gescheiterten Verhandlungen. EU- Kommissar Mandelson befürchtet eine „Entwicklungs-Tragödie“. Er sagte geknickt: „Dies ist ein ernsthafter Rückschlag für das internationale Handelssystem.“ Ein Unterhändler meinte: „Da ist die Luft raus, das könnte Jahre dauern.“ Denn auch wenn die Vertreter großer Handelsmächte jetzt allesamt beteuern, doch noch zu einem guten Ende kommen zu wollen: Auch in nächster Zeit ist kaum Bewegung zu erwarten, auch wegen der US-Präsidentenwahlen.

Kollabiert war das Genfer Meeting mit rund 40 Staaten an einem Streit der USA mit den großen Schwellenländern Indien und China. Neu-Delhi und Peking pochen auf einen Sonderschutz vor Agrarimporten für ihre armen Kleinbauern. Die USA akzeptierten diesen unter Druck ihrer heimischen Farmerlobby nicht. Damit setzte die WTO ihre Serie von Fehlschlägen fort: Seit Beginn der laufenden Welthandelsrunde 2001 in Doha, Katar, kollabierten Dutzende von Versuchen, die Verhandlungen zum Durchbruch zu bringen.

Die heute 153 WTO-Mitglieder konnten einen Grundkonflikt nie lösen: Weder die reichen noch die armen Länder wollen ihre Märkte radikal für die jeweils andere Seite öffnen. Entwicklungsorganisationen warnen die armen Länder davor, zu viele Zugeständnisse zu machen. Doch ohne ein WTO-Abkommen werden Versuche starker Wirtschaftsmächte zunehmen, bilaterale Handelsverträge mit einzelnen Ländern zu schließen, bei denen die Anliegen der Armen vollends außen vor bleiben könnten. Ein Unterhändler sagte: „Diese Abkommen sind technisch oft zu kompliziert für die Bürokratie der Armen.“ Wenn die EU mit Bosnien oder die USA mit Panama verhandeln, dürfte klar sein, wer am längeren Hebel sitzt.

Schon jetzt setzen die Wirtschaftsmächte immer stärker auf bilaterale Abkommen: Am 1. Juli traten ein Handelspakt der EU mit Bosnien und eine Übereinkunft Japans mit Indonesien in Kraft. Rund 400 solcher Übereinkommen sind in Kraft, in Verhandlung oder in der Planung. Im Gegensatz zu dem mühsamen WTO-Schacher erklären sich die meisten Partner dabei sogar bereit, ihre Märkte zu öffnen. So entsteht ein Geflecht von Handelsverträgen parallel zu den multilateralen WTO-Verträgen. Das WTO-Handelsgericht ist dafür nicht zuständig – so gibt es neben den kleinen und den Schwellenländern einen weiteren Verlierer: Die WTO selbst. Jan Dirk Herberman

Jan Dirk Herberman

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