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Wirtschaft: Wünsch dir was

Der Traum vom sauberen Batterieauto inspiriert Industrie und Verbraucher – einen Markt gibt es noch nicht

Zum Greifen nah wird die Zukunft sein, wenn in der kommenden Woche die Internationale Automobilausstellung (IAA) ihre Tore öffnet. Die weltgrößte Branchenschau widmet sich in ihrem 64. Lebensjahr in einer ganzen Halle der Elektromobilität. Opel Ampera, Smart Electric Drive, BMW i-Klasse, VW Up – so viele batteriebetriebene Fahrzeuge, Studien und alternative Antriebskonzepte gab es noch nie gleichzeitig zu sehen. Beim Probesitzen und -fahren werden die IAA-Besucher einen Eindruck bekommen, wie automobile Fortbewegung in der Zukunft sein könnte: komfortabel, emissionsfrei, bezahlbar.

Doch die Frankfurter Elektro-Show verspricht mehr, als die Realität in deutschen Autohäusern schon hergibt. Auch der Autoverband VDA räumt ein, dass die Mobilität von morgen wohl noch „einer gemeinsamen Kraftanstrengung bedarf“. Das ist vorsichtig formuliert. Beim Modethema Elektromobilität klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch eine enorme Lücke.

SAUBERE ALTERNATIVE

Keine Abgase, null CO2-Emissionen – das ist die Vision der Elektromobilität. Doch die Wertschöpfungskette eines E-Autos reicht weiter als der Weg von der Steckdose zur Batterie. Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) hat die komplette Ökobilanz von herkömmlichen und elektrischen Fahrzeugen verglichen – von der Produktion bis zum Recycling und unter Berücksichtigung des deutschen Strommixes mit einem Anteil erneuerbarer Energien von nur rund 20 Prozent. „Daraus ergeben sich etwa 240 Gramm CO2 pro Kilometer für Fahrzeuge mit Ottomotor, 195 Gramm für Diesel und 225 Gramm für batterieelektrische Fahrzeuge, die mit Durchschnittsstrom betrieben werden“, sagt Ifeu-Forscher Julius Jöhrens. Je nachhaltiger der Strom, desto besser die Ökobilanz des E-Autos. Doch was passiert mit der Batterie, wenn sie als Speicher im Auto ausgedient hat? General Motors (GM) und der Anlagenbauer ABB testen, wie man ausgediente Akkus als Energiespeicher weiter nutzen kann. GM glaubt, dass eine alte E-Auto-Batterie erst gut ein Viertel ihrer Lebensdauer hinter sich hat und ein Energieversorger den Akku noch gut 15 Jahre lang einsetzen kann. Doch das Recyclingproblem bleibt und verschärft sich, je mehr E-Autos auf die Straße kommen. Sauberes Fahren wird für lange Zeit eine Vision bleiben.

BEZAHLBAR UND KOMFORTABEL

Der Opel Ampera, der einen Reichweitenverlängerer (Range Extender) an Bord hat – einen kleinen Verbrennungsmotor, der die Batterie unterwegs auflädt –, kostet knapp 43 000 Euro. Das dürfte für den Massenmarkt reichlich viel sein. Doch selbst kleine Stadtwagen mit begrenzter Reichweite (100 Kilometer) sprengen das Budget vieler Autofahrer. „Kleinwagen mit rein elektrischem Antrieb dürften vorerst wohl kaum unter 30 000 Euro zu haben sein“, glaubt Eric Heymann von DB Research. Damit reine Elektrofahrzeuge ohne Subventionen für den Massenmarkt attraktiv würden, müssten die Batteriekosten, die heute bei mindestens 10 000 Euro lägen, um etwa 70 bis 80 Prozent sinken. Heymann: „Dies ist kurzfristig nicht zu erreichen.“ Mehr als 250 000 Kilometer müsse man schon fahren, damit sich der Aufpreis für ein reines E-Auto lohne – „vorausgesetzt, die Batterie muss vorher nicht ausgetauscht werden“.

SCHNELLER DURCHBRUCH

Trotz vieler Hürden auf dem Weg zur elektromobilen Gesellschaft erwarten europäische Automanager nach einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Ernst & Young im Jahr 2020 den Durchbruch zum elektromobilen Massenmarkt. Die von der Bundesregierung eingesetzte Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) spricht vom „Markthochlauf“ bis 2017 und einem „beginnenden Massenmarkt“ bis 2020. Dann sollen in Deutschland eine Million elektrische Autos unterwegs sein – das ist das Ziel der Bundesregierung. Obwohl eine Million nicht mal 0,3 Prozent des aktuellen Autobestandes in Deutschland entsprechen, müssten in neun Jahren ungefähr 960 000 batteriebetriebene Fahrzeuge (aktuell: 40 000) neu angemeldet werden. Viele Experten halten dies ohne zusätzliche finanzielle Anreize für gewerbliche und private Käufer für sehr ambitioniert. „Es ist noch ein weiter Weg bis zum Massenmarkt“, sagt auch Eric Heymann. Zusammen mit dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) legt er an diesem Montag eine Studie vor, die den Titel trägt: „Elektromobilität – noch nicht auf der Überholspur“.

Auch Automarktanalyst Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Essen- Duisburg spricht von „Ernüchterung“ und verweist auf China, das für viele Automanager als gelobtes Land der Elektromobilität galt. Ministerpräsident Jiabao hatte unlängst mit Blick auf die milliardenschwer geförderten Elektroautos gesagt, er sei nicht sicher, ob sich „diese Fahrzeuge letztlich durchsetzen“. Das wurde in der Branche als Vollbremsung gewertet. Reaktion der Börse: Sie ließ das Unternehmen BYD (Build Your Dreams), E-Autopionier und Partner von Daimler und VW, fallen.

LEITMARKT DEUTSCHLAND

Hat die Autonation Deutschland beste Chancen, auch im elektromobilen Zeitalter Weltmarktführer zu bleiben, wie die von Ernst & Young befragten Manager glauben? Nicht wenige Beobachter zweifeln daran. Zu spät kämen die deutschen Hersteller dennoch nicht, wenn sie erst 2013 batteriebetriebene Fahrzeuge auf den Markt brächten, sagt DB-Research- Experte Heymann. „Der Markt ist bislang extrem klein.“ Soll heißen: Noch ist nichts verloren für die deutschen Autohersteller – aber gewonnen auch noch nichts.

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