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In den Sand gesetzt. Das schwer kriselnde Wüstenstrom-Projekt Desertec steht Insidern zufolge vor dem endgültigen Aus. Rund 400 Milliarden Euro sollte bis 2050 in Solarkraftwerke unter der Sonne Nordafrikas und dem Vorderen Orient investiert werden.

© picture-alliance/ dpa

Wüstenstrom-Initiative: Für Desertec sieht es finster aus

Das Wüstenstrom-Konsortium zeigt Auflösungserscheinungen. Gut fünf Jahre nach der Gründung könnten die Gesellschafter-Konzerne bei einem Treffen in Rom das Aus beschließen. Ein finanzielles Risiko droht auch noch von ganz anderer Seite

Berlin - Das Wetter zur Beerdigung soll heiter werden: Kaum Wolken, 25 Grad, lautet die Vorhersage für Rom am kommenden Montag. Es könnte der Tag werden, an dem führende Industrie- und Finanzkonzerne aus Europa, Afrika, Arabien, den USA und China ihre gemeinsamen Anstrengungen, Erneuerbare Energien in Sonnenregionen zu erzeugen, offiziell einstellen. Dort, in der klassizistischen Villa Miani auf einem grünen Hügel, werden Vertreter von Milliardenkonzernen diskutieren, ob sie gemeinsam nocheinmal mickrige zwei Millionen Euro aufbringen, um ihre vor gut fünf Jahren gegründete Desertec Industrie Initiative (Dii) ein weiteres Jahr zu finanzieren. Wie man hört, wollen sie das mehrheitlich nicht.

Ein Sprecher der Dii bestätigte im Kern einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Zumindest hätten sich die Unterstützerkonzerne im Vorfeld nicht auf eine Fortführung der Dii in bisheriger Form einigen können. Bleibt es dabei, wäre es zunächst das Aus für die Dii-Geschäftsstelle in München, wo heute rund 15 Experten unter der Führung des Niederländers Paul van Son Studien erstellen, Kontakte pflegen, bei der Koordination von Grünstrom-Projekten in der Mena-Region (Middle East and North Africa) helfen. Dii-Gründungsdirektor van Son selbst hatte bereits vor einem Monat im Tagesspiegel-Interview verkündet, dass er zum Jahreswechsel für RWE nach Dubai geht. Bei dem Treffen in Rom steht aber mehr auf dem Spiel als zwei Millionen Euro und die Karrieren derer, die van Son zurücklässt: Es geht auch um das Prestige führender deutscher Dax-Konzerne.

So haben Vertreter des Rückversicherer Munich Re, des Energieversorgers RWE, der Deutschen Bank und anderer im Sommer 2009 feierlich eine Erklärung unterzeichnet, in der sie eine langfristige Vision beschreiben: Bis zum Jahr 2050 sollen in den Wüstenregionen rund ums Mittelmeer rund 400 Milliarden Euro investiert werden, um regenerativen Strom zu produzieren. Im Raum stand die Idee, dass man klimafreundlich genügend Energie erzeugen kann, um nicht nur die Länder selbst zu versorgen, sondern auch mit Seekabeln genügend Strom nach Europa zu transportieren, um hier rund 15 Prozent des Bedarfs zu decken.

Die Unternehmen gaben sich damals gut 40 Jahre. Nach nur fünf geht ihnen die Puste aus. Einige, zum Beispiel Siemens und Bosch, sind schon vorher abgesprungen. Eon und die HSH Nordbank hatten bereits vor Monaten ihren Ausstieg zum Jahreswechsel angekündigt. Mittlerweile sind neue Desertec-Unterstützer dazugekommen, zum Beispiel ACWA Power aus Saudi Arabien, einem finanzstarken Mischkonzern, der die koordinierende Funktion der Dii in Deutschland gern weiter unterstützen würde. Auch der weltgrößte Stromnetzbetreiber China State Grid war erst spät eingestiegen. Andere Firmen, darunter größere Mittelständler wie Schott, hatten sich mehr von der Dii versprochen – vor allem konkrete Aufträge.

Bei der Dii hat man stets betont, dass man es nicht als Aufgabe versteht, konkrete Projekte zu entwickeln. „Mittlerweile sind in der Region bereits 68 Erneuerbare-Energien-Projekte mit einer Gesamtleistung von drei Gigawatt“, sagte Dii-Sprecher Klaus Schmidtke am Mittwoch. „Wir können schon für uns verbuchen, dass wir das Thema Wüstenstrom mit angeschoben haben, auch wenn wir selbst nicht unmittelbar an jedem Projekt beteiligt waren“. Er gehe auch nicht davon aus, dass die Wüstenstromidee tot ist, selbst wenn die Dii in bisheriger Form nicht überleben wird. Auch solle die nach der Gesellschafterversammlung am Montag in Rom angesetzte jährliche Expertenkonferenz wie gewohnt stattfinden.

Die Dii wird offenbar auch noch finanziell von anderer Seite bedroht. So heißt es, dass Paul van Sons ehemalige Co-Geschäftsführerin Aglaia Wieland mittlerweile Klage gegen das Konsortium eingereicht habe. Sie fordert unbestätigten Angaben zufolge insgesamt rund 350 000 Euro mit der Begründung, man habe ihr im Juli 2013 formal nicht korrekt gekündigt. „Müsste die Dii diese Summe zahlen, wäre das das endgültige Aus“, sagte ein Insider.

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