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Wulf Bernotat, Eon AG: "Die Kohle wird noch wichtiger"

Ohne erneuerbare Energien geht es nicht. Aber die Versorgung muss verlässlich und bezahlbar bleiben

Wenn wir uns die Herausforderungen ansehen, vor denen die europäische Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten steht, ist der Vergleich mit dem Riesenprojekt der Mondlandung durchaus angebracht. Drei Entwicklungen – jede für sich genommen schon kritisch – überschneiden sich:

Länder wie China und Indien haben eine beeindruckende Wachstumsdynamik freigesetzt und dabei großen Energiehunger entwickelt. Im vergangenen Jahr haben die Industrieländer erstmals weniger Energie verbraucht als alle anderen Länder der Welt. Zugleich hat China die USA als weltgrößten CO2-Emittenten abgelöst. Die Internationale Energieagentur erwartet in ihrer Referenzprognose, dass der weltweite Energiebedarf bis 2030 um fast die Hälfte ansteigen wird. Die Kohle wird dabei ihre Rolle als führender Energieträger in der Verstromung sogar noch weiter ausbauen.

Gleichzeitig werden die Reserven von Öl und Gas in den kommenden Jahrzehnten spürbar knapper. Öl- und Gaspreise bleiben hoch. Darin liegt allerdings die Chance für erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie, schneller wettbewerbsfähig zu werden. Denn: Wenn weltweit immer mehr Öl, Gas und Kohle verbrannt werden, geht dies aus Sicht des Klimaschutzes in die völlig falsche Richtung. Um die globale Erwärmung bei gerade noch verkraftbaren zwei Grad Celsius zu halten, müssen die weltweiten Emissionen von CO2 und damit der Verbrauch fossiler Energieträger bis zur Jahrhundertmitte mindestens halbiert werden.

Um noch einmal die Größe der Herausforderung zuzuspitzen: Für das Wachstum der Schwellenländer werden 50 Prozent mehr Energie benötigt, während 50 Prozent weniger fossile Energie das Klima retten würden. Aus diesem Dilemma kommen wir ohne neue Technologien nicht heraus. Vor allem müssen erneuerbare Energien schnell zur Wirtschaftlichkeit weiterentwickelt und breit eingesetzt werden. Darüber sind sich heute alle einig. Es mag ja richtig sein, dass große Energieunternehmen wie Eon hier keine Vorreiter waren. Aber inzwischen engagieren wir uns hier mit allen Möglichkeiten eines großen Konzerns. Und das ist auch dringend nötig, weil industrielle Lösungen notwendig sind, um die erneuerbaren Energien so auszubauen, wie es für das Klima erforderlich ist. Für Eon sind erneuerbare Energien längst kein „nice to have“ mehr, sondern ein Schwerpunkt unserer Strategie. In dieses Geschäft werden wir von 2007 bis 2011 europaweit acht Milliarden Euro investieren. Erneuerbare Energien werden 2030 mit 36 Prozent den größten Anteil an unserer Erzeugungskapazität haben. Er wird das Dreifache der Kernenergie betragen.

Die technologischen Entwicklungen, die auf dem Weg sind, werden den Energiemarkt fundamental verändern und klimaverträglicher machen. Das kann gelingen, wir müssen nur alle Möglichkeiten nutzen: also Effizienzsteigerung von Kraftwerken bis hin zur Beleuchtung, erneuerbare Energien für Strom, Wärme und Verkehr, Smart Grids, Smart Meter, Gebäudedämmung, innovative Materialien, Elektromobilität, um nur die wichtigsten zu nennen.

Trotz dieser Innovationen werden wir in den nächsten Jahrzehnten auf einen ausgewogenen Energiemix nicht verzichten können. Es gibt dabei auch keinen Gegensatz zwischen erneuerbaren Energien einerseits, Kernenergie und Kohle andererseits. Im Gegenteil: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss noch lange durch Grundlast-Kraftwerke abgestützt werden, um das Netz stabil halten zu können. Dies gilt so lange, wie neue, intelligente Netz- und Speicherkonzepte noch nicht marktreif sind. Und davon sind wir heute noch ein gutes Stück entfernt.

Aufgabe der nächsten Jahrzehnte ist es, die notwendige Übergangsphase so zu organisieren, dass Energie verlässlich und bezahlbar bleibt. Beim Umbau der Energieversorgung sollten wir deshalb neue Strukturen nicht auf den Trümmern, sondern auf dem Fundament der alten aufbauen.

Der Autor ist Vorstandschef der Eon AG, einem Mitglied der BDI-Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“ (www.wirtschaftfuerklimaschutz.eu).

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