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Wirtschaft: Zahnersatz bleibt Kassenleistung

Bundestag setzt sich über Widerstand der Union hinweg. Private Versicherer kommen nicht zum Zug

Berlin – Arbeitnehmer müssen ab Juli kommenden Jahres die nächste bittere Pille im Gesundheitswesen schlucken. Gegen die Stimmen der Opposition beschloss der Bundestag am Freitag, dass die Kassenpatienten die Versicherungskosten für Zahnersatz und Krankengeld künftig allein tragen müssen. Das kostet sie 0,9 Prozent des Bruttogehalts. Bisher beteiligen sich die Arbeitgeber hälftig an der Finanzierung. Zugleich verpflichtet das Gesetz die gesetzlichen Kassen, den allgemeinen Beitragssatz um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Die Arbeitgeber werden dadurch um Milliarden entlastet.

Der Abstimmung war im Parlament ein heftiger Schlagabtausch vorangegangen. Das Gesetz kippt nämlich die vor einem Jahr von Regierung und Opposition gemeinsam beschlossene Einführung einer einheitlichen Pauschale für den Zahnersatz. Damit wäre der Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen herausgefallen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte die Kehrtwende als „sozialverträglich“. Die Pauschale hätte einen unangemessen hohen Verwaltungsaufwand nach sich gezogen, sagte Schmidt. Zwei von sieben Euro hätte man für die Bürokratie ausgeben müssen. Dagegen sprach die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, von einem „Vertrauensbruch“ und „Vertragsbruch“. Die CDU-Politikerin warf Schmidt vor, den seinerzeit gefundenen Kompromiss sabotiert zu haben. Stoppen kann die Union das Gesetz jedoch nicht, weil es nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf.

Die privaten Krankenversicherer reagierten enttäuscht. Die Central Krankenversicherung AG hat nach eigenen Angaben bereits 20 Millionen Euro in die jetzt obsolet gewordenen privaten Zusatzversicherungen investiert und prüft eine Klage gegen die Gesetzesänderung. Der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) sprach von einer „Fehlentscheidung“. Bereits 500 000 Kassenpatienten hätten eine private Zahnersatz-Police abgeschlossen, die an Stelle der Kassenleistungen treten sollte. Die privaten Versicherer hoffen aber darauf, dass die Kunden bei der Stange bleiben. Die Unternehmen arbeiten schon an neuen Policen, die über den Grundschutz hinausgehen. Auch als die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer vor Jahren die von ihrem Vorgänger Horst Seehofer (CSU) initiierte Herauslösung des Zahnersatzes für Kinder wieder rückgängig gemacht hatte, hätten fast alle Eltern die bereits abgeschlossenen Zahnersatz-Policen weitergeführt, sagte PKV-Geschäftsführer Christian Weber.

„Schauen Sie in Ihre Police“, sagt Ulrike Steckkönig von der Stiftung Warentest. Deckt die private Versicherung nur den Grundschutz ab, ist der Vertrag hinfällig. Enthält die Police aber zusätzliche Leistungen, die über den Kassenrahmen hinausgehen, hat die Zusatzversicherung Bestand. Sie muss nach Meinung der Verbraucherschützerin jedoch an die neue Rechtslage angepasst werden, indem die Prämien gesenkt oder der Vertrag mit weiteren Inhalten aufgepeppt wird.

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