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Wirtschaft: Zeitarbeitsfirma Adecco stürzt ab

Unternehmen verschiebt wegen Unregelmäßigkeiten in den USA die Jahreszahlen – Börse fürchtet Bilanzskandal

Berlin/Zürich (dr/HB). In der Schweiz droht ein Bilanzskandal bisher unbekannten Ausmaßes. Das weltgrößte Zeitarbeitsunternehmen Adecco kündigte am Montag an, seinen Jahresabschluss nicht wie geplant Anfang Februar vorzulegen. Der Grund seien Schwachstellen in der Bilanz. Händler zogen bereits Parallelen zu Skandalen wie Enron, Worldcom oder Parmalat. Der Kurs der AdeccoAktie stürzte an der Züricher Börse zwischenzeitlich um fast 50 Prozent auf rund 43 Schweizer Franken ab.

Adecco hatte vor Börsenbeginn mitgeteilt, bei internen Kontrollen seien in Nordamerika „Schwächen“ festgestellt worden. Zudem müssten bestimmte Fragen im Bereich Buchhaltung und Controlling in diversen Ländern beantwortet werden. Es sei ein unabhängiger Berater hinzugezogen worden, der nun seine Untersuchungen beginnen werde. Dies benötige Zeit. Wann der Abschluss fertiggestellt werden könne, lasse sich derzeit noch nicht sagen. Weiter gehende Auskünfte lehnte ein Sprecher von Adecco mit Hinweis auf Börsenvorschriften ab.

Die Anleger reagierten mit massiven Verkäufen. Es gibt eine regelrechte „Panikreaktion“, sagte Thomas Veillet von der Schweizer Investmentgesellschaft Dynacapital. Rolf Kunz, Analyst bei der Züricher Kantonalbank, sprach von großen, unabschätzbaren Unsicherheiten. Bei den Problemen könne es sich um einen Betrugsfall wie bei Parmalat oder um simple Schwierigkeiten bei der Umsatzerfassung handeln. Analysten nannten die amerikanische Filiale Olsten im Zusammenhang mit den Problemen.

Als Besorgnis erregend bezeichneten Analysten die Bilanz von Adecco. Bei einer Eigenkapitalquote von rund 23 Prozent schlummern 2,12 Milliarden Franken Goodwill in den Büchern von Adecco. Der Konzern hatte auf dem Höhepunkt des Börsenbooms mehrere Unternehmen gekauft, die mit dem Kursverfall an den Börsen an Wert verloren haben und jetzt abgeschrieben werden müssten. Die Analysten von Dresdner Kleinwort Wasserstein stuften die Aktie von „Buy“ auf „Sell“ ab. Jürgen Kurtz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte: „Der Hinweis auf materielle Schwächen im Controlling lässt wirklich nichts Gutes erhoffen.“ Auswirkungen für Deutschland sehen Börsianer indes nicht. Volker Pietsch von der Commerzbank sprach von einem „Nichtereignis“ für die deutsche Börse. „Die Ampeln stehen auf grün. Da werden solche Dinge vernachlässigt“, sagte Pietsch. Auch Stefan Keitel, Chefstratege bei der Credit Suisse Deutschland, rechnet mit stabilen Aktienmärkten.

Adecco war 1996 aus den Unternehmen Adia und der französischen Ecco entstanden und beschäftigt rund 28000 Mitarbeiter in rund 5800 Niederlassungen in 68 Ländern. Weltweit wurden im Jahr 2000 rund drei Millionen Arbeitskräfte vermittelt. In Deutschland verfügt die Adecco-Gruppe über 195 Niederlassungen, darunter auch in Berlin. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in der Schweizer Stadt Cheserex. Zu den Gründern gehört Klaus J. Jacobs, der heute 15,2 Prozent der Aktien hält und Vorsitzender des Aufsichtsrates ist. Größter Einzelaktionär ist die französische Akila Finance SA mit 18,3 Prozent der Anteile. 66,5 Prozent der Aktien befinden sich in Streubesitz.

In der Branche heißt es, Adecco sei in den vergangenen Jahren zu schnell gewachsen. Während sich Konkurrenten wie die DIS auf hochwertige Zeitarbeit im Dienstleistungsbereich oder wie Manpower im Industriebereich spezialisiert hätten, habe Marktführer Adecco alles gemacht – und an Profil verloren. Dazu sei gekommen, dass die Fusion von Adia und Ecco das Unternehmen auf einen Wachstumskurs gezwungen hat, den das Management offenbar nicht in den Griff bekommen habe. Mehrere Wechsel an der Unternehmensspitze sowohl in Europa als auch in den USA seien außerordentlich problematisch gewesen, heißt es.

So stieg Adecco 1997 mit der Übernahme der amerikanischen TAD zum drittgrößten Personaldienstleistungsunternehmen in den USA auf. 1999 kaufte Adecco die Career Staff in Japan und übernahm im Frühjahr 2000 für 1,6 Milliarden Dollar die amerikanische Olsten Corporation. Das Nordamerika-Geschäft steuert heute rund 23 Prozent der Umsätze bei. In den ersten drei Quartalen des Geschäftsjahres 2003 steigerte Adecco den Gewinn um 18 Prozent auf umgerechnet 254 Millionen Euro. Der Umsatz im gleichen Zeitraum schrumpfte um sechs Prozent auf 12,12 Milliarden Euro.

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