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Wirtschaft: Zentralbank reagiert auf Konjunkturflaute

EZB senkt den wichtigsten Leitzins auf 2,75 Prozent – trotzdem reagieren die Börsen mit hohen Kursverlusten

Frankfurt (Main)/Berlin (ro/brö). Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die Leitzinsen für die EuroTeilnehmerländer um einen halben Prozentpunkt gesenkt und damit die Geldpolitik deutlich gelockert. EZB-Präsident Wim Duisenberg begründete die Entscheidung mit einem weiter gesunkenen Inflationsdruck und mit den nach wie vor bestehenden Risiken für die Konjunktur. Er deutete zugleich an, dass weitere Schritte für längere Zeit unwahrscheinlich seien. An den Börsen verpuffte die Zinssenkung.

Dies war die erste Aktion der EZB nach mehr als einem Jahr. Der wichtigste Zinssatz liegt nun bei 2,75 Prozent. Kritiker hatten der Zentralbank vorgeworfen, zu lange mit diesem Schritt gewartet und damit der Konjunktur in Europa geschadet zu haben. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hatte seit Anfang 2001 den Preis des Geldes zwölf Mal auf nun 1,25 Prozent zurückgenommen und so dazu beigetragen, dass die US-Wirtschaft ihre Krise nun allmählich überwindet.

„Die Leitzinsen sind jetzt auf einem sehr niedrigen Niveau“, sagte Duisenberg nach der Entscheidung. Auf die Frage, ob die Leitzinsen jetzt für längere Zeit auf diesem Niveau bleiben würden, antwortete er mit ja. Nach Ansicht des EZB-Präsidenten sind jetzt die Regierungen Europas gefragt. „Wir brauchen sichtbare Fortschritte in der Politik“, sagte er. Duisenberg forderte mehr Haushaltsdisziplin, die Begrenzung der Staatsdefizite und Reformen der Wirtschaftspolitik.

Es gebe klare Indizien, dass der Preisdruck nachgelassen habe und die Inflationsrate im Euro-Raum 2003 unter die Warnschwelle von zwei Prozent sinken werde, befand der EZB-Chef. Verantwortlich dafür sei die dürftige Konjunkturlage. „Die Einstellung der Wirtschaft ist lustlos, das Vertrauen der Verbraucher ist weiter zurückgegangen.“ Die EZB rechnet damit, dass das Wachstum erst im Laufe von 2003 wieder bei zwei Prozent oder mehr liegen könnte. Einen Einbruch der Konjunktur in der ersten Jahreshälfte erwartet Duisenberg aber nicht.

Gebannt ist die Inflationsgefahr der EZB zufolge auch, weil das Wachstum der Geldmenge nicht bedrohlich sei. Zuletzt hatte die EZB Zinssenkungen auch deshalb abgelehnt, weil die Geldmenge stärker wachse als gewünscht und damit die Gefahr der Geldentwertung wachse.

An der Frankfurter Börse stieg der Dax nach der Entscheidung nur kurz um rund 30 Punkte und erreichte ein Plus von 1,77 Prozent bei 3379 Zählern. Kurze Zeit später stürzten die Kurse wieder ab. Der Dax schloss bei 3224,74 Punkten, das waren 2,89 Prozent weniger als am Vortag. Grund waren schlechte Vorgaben von der Wall Street, wo erneut Angst vor einem Nahost-Krieg die Kurse drückte. Der Euro reagierte mit einem Kursanstieg, kam aber nicht nachhaltig über die Marke von einem Dollar.

Experten begrüßten die Senkung der Zinsen. Die Commerzbank erwartet, dass „vor allem die psychologische Wirkung die Konjunktur unterstützen wird“, sagte Volkswirt Ralph Solveen. Rüdiger Pohl, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), fürchtete jedoch, dass der Zinsschritt verpuffen werde. Allenfalls werde er sich Mitte 2003 auf Deutschland auswirken. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag teilte mit, für mehr Wachstum sei eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik nötig.

Andere Fachleute plädierten für weitere Maßnahmen seitens der EZB. Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht in den nächsten Monaten Spielraum eine Reduzierung der Zinsen um weitere 50 Basispunkte. Dies könne in den kommenden Monaten in „ein zwei Schritten“ geschehen. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Invesco, rechnet trotz der gegenteiligen Signale von der EZB fest mit weiteren Zinssenkungen. „Bis Ende März 2003 wird es wegen der schlechten Wirtschaftslage eine weitere Senkung um 0,25 Prozentpunkte geben.“

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