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Jedes Jahr werden mehr als 450 000 Kurse angeboten.

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Zertifikate in der Weiterbildung: Nicht ohne Siegel

Zertifikat, Zeugnis, Urkunde — es gibt selten einheitliche Abschlüsse bei Weiterbildungen. Welcher Nachweis für Chefs zählt.

Nach fünf Jahren Bürojob, beschließt Michael Tanner aus seiner Arbeitsroutine auszubrechen. Termine machen, Präsentationen für den Chef erstellen oder Rechnungen schreiben – diese Aufgaben beherrscht er perfekt. Doch dann wird der Wunsch nach einer Veränderung immer größer. „Ich will einen Schritt weiter auf der Karriereleiter“, sagt Tanner.

Buchführung, Marketing und Personalwirtschaft: Tanner weiß genau, was er lernen will. Am liebsten möchte der 32-Jährige bei einer großen Speditionsfirma arbeiten, die auch Zweigstellen im Ausland hat. Mit dem Plan sich weiterzubilden, kommen die Fragen: Studium oder Lehrgang? Wochenendkurs oder Feierabendseminar? Und vor allem: Welcher Abschluss kommt in der Branche am besten an? Tanner informiert sich über das Internet und bemerkt schnell: „Ich habe keine Ahnung, welcher Nachweis für Firmenchefs zählt.“

Rund 20 000 Weiterbildungsträger gibt es in Deutschland, schätzt die Stiftung Warentest. Jedes Jahr werden mehr als 450 000 Kurse angeboten. Doch allein die Teilnahme an einem der Angebote reicht nicht aus, um mit dem schnellen Tempo am Arbeitsmarkt Schritt halten zu können. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa bestehen zwei von drei Personalchefs auf ein Dokument, das die Leistungen nachweist.

Teilnahmebescheinigung, Zertifikat oder Zeugnis: Am Ende einer Weiterbildung werden ganz unterschiedliche Dokumente an die Teilnehmer ausgehändigt. „Was genau der Abschluss bedeutet, ist häufig diffus“, sagt Christina Engel, Weiterbildungsexpertin bei der Stiftung Warentest. Ein Problem bei der Anerkennung bereiten vor allem die Voraussetzungen für den Abschluss.

Einige Kurse schließen mit einer Klausur ab, andere mit einer Heimprüfung, bei der die Aufgaben zuhause gelöst werden können. Manchmal genügt es auch, Prüfungstexte einzusenden. „Manche Arbeitgeber können mit dem Abschluss nur wenig anfangen, vor allem, wenn es sich um einen weniger bekannten Weiterbildungsträger handelt“, sagt Engel. Selbst der Preis sagt nichts über die Qualität des Kurses aus. „Es gibt auch an den vergleichsweise preiswerten Volkshochschulen Angebote, die gut sind“, sagt Engel.

Grundsätzlich gilt: Weiterbildungen, die von Hochschulen angeboten werden, enden mit Weiterbildungszertifikaten oder mit dem Master oder einem Bachelor-Abschluss, die international anerkannt sind. Abschlüsse, die im Rahmen einer Berufsausbildung stattfinden, orientieren sich an den jeweiligen Ausbildungsvorgaben. Diese Regeln legen die Berufsbezeichnung, die Ausbildungsdauer, die beruflichen Fertigkeiten, sowie die Prüfungsanforderungen fest. Für alle anderen Bildungsangebote gibt es kein einheitliches anerkanntes Siegel.

Ob eine Weiterbildung sinnvoll oder nützlich ist, orientiert sich deshalb an anderen Kriterien. Für Jobs in der jeweiligen Branche geben die Berufs- oder Branchenverbänden, Kammern oder Innungen einen wichtigen Anhaltspunkt. Wer etwa als Metallbauer oder Friseur anbieten will, muss eine Gesellen- oder Meisterprüfung, ausgestellt vom Berufsverband, mitbringen. Sonst darf er bestimmte Jobs nicht übernehmen. Die Branchenvertreter bieten Weiterbildungen an, die zu ihren Fachgebieten passen. Über diese Programme lernt der Metallbauer schweißen oder der Friseur erhält ein anerkanntes Zertifikat über eine spezielle Schnitttechnik. Ähnliches gilt für Sprachkurse. Der Europarat hat den Europäischen Referenzrahmen für Sprachen entwickelt.

Über diese Kriterien kann jeder seine Sprachkenntnisse einstufen. Auf dessen Grundlage spielt es für den Abschluss keine Rolle mehr, ob der Englischkurs in London oder Berlin stattfand. Die Anbieter sind vergleichbar.

Michael Tanner hat seine Ausbildung zum Bürokaufmann in einem kleinen Logistikunternehmen in Berlin gemacht. Nach drei Jahren wird er übernommen und kann in dem Familienbetrieb jede Menge verantwortungsvolle Jobs übernehmen. Was ihm für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter fehlt, ist fundiertes betriebswirtschaftliches Wissen. Bereits in der Berufsschule hat er von der Industrie- und Handelskammer (IHK) gehört, der Innung, die auch seinen Berufszweig vertritt.

Nach einem Beratungsgespräch wird Tanner schließlich dort fündig. Er entscheidet sich für den Kurs „Betriebswirtschaftliche Grundlagen“. Fünf Monate lang lernt er zweimal pro Woche nach Feierabend Rechnungswesen, Steuerfachwissen oder Organisationsmanagement. Rund 1500 Euro kostet ihn der Kurs. Sein Abschluss: Ein Zertifikat der IHK. „Diese Abschlüsse kennt jeder in der Branche“, sagt Tanner. „Außerdem kann ich jederzeit weitere Fortbildungen auf dem Zertifikat aufbauen.“

Dank Fachkräftemangel und schnellen Veränderungen in den Berufen, müssen sich Mitarbeiter immer häufiger weiterbilden, um sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ob es am Ende eines Kurses einen Teilnahmeschein, ein Zeugnis oder ein Zertifikat gibt, ist dabei nicht ausschlaggebend. „Viel wichtiger ist, welchen Wert und welchen Nutzen die Weiterbildung für mich hat“, sagt Frank Schröder, Geschäftsführer der Berliner k.o.s GmbH und verantwortlich für das Projekt „Koordinierungsstelle Qualität“. Die Einrichtung unterstützt und fördert die Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. „Der Kurs muss zu den Bedürfnissen der Teilnehmer passen", sagt Schröder. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Inhalten, den Lernbedingungen und den Fähigkeiten des Lehrpersonals. Erst dann kommt der Abschluss. Schröder rät Arbeitnehmern sich vorab genau zu überlegen, wohin sie mit der Weiterbildung möchten. Steht ein Karrieresprung an oder doch eher ein Berufswechsel? Erst dann sollten entsprechende Angebote geprüft werden. „Ein wichtiges Kennzeichen sind die Referenzen des Anbieters und die Nähe zum Arbeitsmarkt und zur Branche“, sagt Schröder. Sie geben Aufschluss, ob das Erlernte auf dem Markt wirklich gefragt ist.

Für Michael Tanner hat sich die BWL-Weiterbildung auf jeden Fall gelohnt. „Das habe ich in erster Linie für mich gemacht“, sagt Tanner. Jetzt will er noch einen Wirtschaftsenglisch-Kurs machen, damit er sich auch bei internationalen Firmen bewerben kann. Auch er hofft, dass neue Arbeitgeber ihm eine Chance geben und ihn für verantwortungsvolle Jobs anstellen. Das Abschluss-Zertifikat sei für Tanner ein „Türöffner“. Angst, dass Firmenchefs seinen Lehrgangsnachweis doch nicht anerkennen, hat er nicht. „Der Kurs hat mir Selbstbewusstsein gegeben“, sagt er. „Ich weiß genau, was ich kann.“

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