zum Hauptinhalt
Weihnachtsschokolade? Nichts hier sieht aus wie der klassische Weihnachtsmann.

© Doris Spiekermann-Klaas

Zipfelmännchen vs. Weihnachtsmann: Wie Schokolade und Weihnachten die Gesellschaft spalten

Deutsche lieben Figuren aus Schokolade. Doch wehe sie sind nicht weihnachtlich genug. Der Riss durch unsere Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt an der Frage, welche Schokolade wir kaufen.

Von Ronja Ringelstein

In Zeiten, in denen soziale Netzwerke und Kommentarfunktionen im Internet Normalität sind, verwundert es trotzdem manchmal, wie viel Hass den scheinbar banalsten Dingen entgegenschlagen kann. Das ging auch dem Social-Media-Team der Supermarkt- Kette Penny so. Als Penny seine Schokoladenhohlfigur, das „Zipfelmännchen“, auf Facebook ankündigte, kommentierten erboste Nutzer, die das Weihnachtsfest und das Abendland in Gefahr sahen etwa: „Ihr könnt euch euer Zipfelmännchen in den Ar... schieben, ich kauf nur da wo es Nikoläuse und Weihnachtsmänner gibt“ – und weitaus Schlimmeres. Der viel beschriebene Riss, der durch unsere Gesellschaft geht, zeigt sich also nicht zuletzt an der Frage, welche Schokolade wir im Dezember kaufen.
Die Deutschen lieben Hohlfiguren – die hiesige Süßwarenindustrie stellt jedes Jahr rund 140 Millionen her. Das Zipfelmännchen ist dem typischen Schokoladen-Weihnachtsmann eigentlich ähnlich in Form und Größe, auch der Geschmack (Alpenvollmilchschokolade) dürfte identisch sein. Doch der aufgemalte Bart ist rot, nicht weiß und das Gewand ist blau, nicht rot. Der weihnachtliche Bezug fehlt. Und doch kommt das Männchen der Penny-Hausmarke Douceur alle Jahre wieder zur Vorweihnachtszeit in die Regale. Auch andere Marken erweitern zu dieser Zeit ihr Sortiment um nicht-weihnachtliche Winterschokoladen. Milka hat einen Schneemann, Lindt&Sprüngli führt neben dem „Schatz der Zaren“ mit einer Matroschka-Puppe inzwischen auch eine Eule und einen Schoko-Teddybären.

Der Schoko-Nikolaus hat nur selten Ähnlichkeit mit dem Bischof von Myra

Christliche Motive verschwinden dagegen immer mehr. Der Schoko-Nikolaus hat inzwischen nur noch in seltenen Ausführungen Ähnlichkeit mit dem Bischof von Myra, dessen Güte am 6. Dezember eigentlich gedacht wird. Heute kennen Kinder und Erwachsene weniger das Christkind, mehr den Weihnachtsmann, der als Santa Claus im 19.Jahrhundert im angloamerikanischen Raum „entstand“. Dieser Weihnachtsmann aber wird inzwischen als christliches Symbol akzeptiert, offenbar auch von der breiten Masse der Facebook-Kommentarschreiber. Nicht so das Zipfelmännchen. Wird Weihnachten also „aufgeweicht“? Ist Weihnachten einer vermeintlichen political correctness zum Opfer gefallen?

Sonne-Mond-und-Sterne-Fest oder Sankt Martin?

Einen ähnlichen Aufreger gab es schon einmal. Eine Bad Homburger Kindertagesstätte hatte 2013 das Sankt Martinsfest in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenannt. Der damalige Vorsitzende der Linkspartei Nordrhein–Westfalen, Rüdiger Sagel, hatte das begrüßt, um auch muslimische Kinder anzusprechen. Letztlich war die Empörung dann aber so groß, dass die Polizei die Kindern begleitete. Aufgebrachte Menschen hatten Gewalt angedroht, sie wollten so deutsche christliche Werte schützen. Die Kita erklärte, die Idee habe von einer Nudelsuppe hergerührt, die Nudeln in Form von Sonne, Mond und Sternen hatte. Viel Lärm um nichts. So sieht es auch Pennys Pressesprecher, Andreas Krämer: „Das Zipfelmännchen sorgt für Aufregung, weil die Kunden nicht sehen, dass es weder eine politische noch religiöse Botschaft hat. Es verdrängt ja nicht den Nikolaus. “ Nicht nur Penny muss sich immer wieder mit derartigen Anfeindungen beschäftigen. Im vergangenen Jahr erregte der Lindt-Adventskalender „1001 Weihnachtstraum“ Hass-Kommentare. Der Kalender zeigt Zwiebeltürme, Menschen mit Turbanen und Kamele. Auf die Empörung hin sagte der Hersteller: „Die Verpackung stellt eine Visualisierung der damaligen lokalen Lebensumstände dar. Dazu gehört auch Architektur und Kultur, wie diese in der orientalischen Welt zu Christi Geburt gewesen sein könnte.“

"Meine braune Farbe hat übrigens auch nichts mit Politik zu tun"

Letztlich geht es den Herstellern aber doch nur ums Geschäft. Und das scheint bei dieser Hohlfigurendebatte nicht die schlechteste Nachricht zu sein. Der Trend, das Angebot auch um Nicht-weihnachtliches zu erweitern ist, ist aus ökonomischer Sicht normal. „Wir sind Händler und leben vom Angebot“, sagt Krämer. In der vorweihnachtlichen Zeit würden Kunden eben mehr Süßigkeiten kaufen, deshalb würden die Angebote individualisiert. Doch das klassische Sortiment werde deshalb nicht kleiner. Auch mit den Abverkaufszahlen des Zipfelmännchens sei Penny übrigens zufrieden. Vor allem weil einige Kunden strikt bis zur Adventszeit mit dem Kauf des Weihnachtssortiment warten, habe es sich schon ab Oktober gut verkauft.
Auf Facebook meldete sich das anders aussehende Schoko-Männchen übrigens selbst zu Wort: „Politik und Religion haben mich noch nie interessiert. Meine braune Farbe hat bei uns Hohlfiguren übrigens auch nichts mit Politik zu tun. So viel Ablehnung, Aufregung und Anfeindung. Ich mache mir Sorgen um Euch Menschen. Was wäre das für ein Land, in dem schon Schoko-Hohlfiguren nicht willkommen sind.“ Für die einen ist das Marketing, für die anderen Politik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false