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Noa-Bank: Zu gut, um wahr zu sein

Die Noa-Bank wirbt mit hohen Zinsen und Moral. Erst vor sieben Monaten wurde sie gegründet. Jetzt nimmt sie kein Geld mehr an. Und weckt Zweifel an ihrem Geschäftsmodell.

Berlin - Die Bilder sind fast zu schön, um wahr zu sein. Ein kleiner blonder Junge hüpft über eine Wiese voller Pusteblumen, im Hintergrund ein Windrad, ein fröhlicher Ökobauer trägt eine Kiste mit prallen, roten Tomaten, eine schöne Frau in einem engen schwarzen Kleid hält eine Geige in der Hand. So wirbt die Noa-Bank im Internet für die Projekte, die sie finanziert. „Geben Sie Ihrem Geld den Sinn, den Sie wünschen!“, steht darunter.

Nur leider geht das jetzt nicht mehr. Die Noa-Bank nimmt kein Geld mehr von Kunden entgegen. Schon im Mai stoppte sie den Verkauf von neuen Festgeldkonten. Vor ein paar Tagen teilte sie ihren Bestandskunden per E-Mail mit, dass sie auch keine Tagesgelder mehr einzahlen können. Man wolle „die Diskrepanz zwischen Einlagen und vergebenen Krediten nicht zu groß werden lassen“, lautet die Begründung. Im Klartext heißt das, dass die Bank mehr Geld einnimmt, als sie ausleihen kann.

Als die Belgier François Jozic und Frédéric Lodewyk die Noa-Bank vor sieben Monaten gründeten, versprachen sie, es besser zu machen als die Banker, die die Welt in die Finanzkrise gestürzt haben. „Keine Spekulation“, lautet das Motto, die Gelder der Kunden sollen nur in die reale Wirtschaft fließen. Die Unternehmen, die einen Kredit bekommen wollen, müssen entweder aus einer deutschen Region stammen oder Produkte aus den Bereichen Umwelt, Soziales, Kultur oder Gesundheit anbieten.

Die Deutschen lieben solche Themen, nicht erst seit der Krise. Banken wie die Umweltbank, die GLS-Bank oder die Ethikbank, die vor allem ökologische oder ethische Projekte fördern, verzeichnen seit Jahren teilweise zweistellige Wachstumsraten. Weil die Noa-Bank zudem mit hoch attraktiven Zinsen für Tages- und Festgelder wirbt, hat sie in nur sieben Monaten 15 000 Kunden gewonnen. Sie haben insgesamt 290 Millionen Euro angelegt. Das Problem: Die Bank wird das Geld nicht los. Erst 61 Millionen Euro hat sie an Unternehmen verliehen, 26 Millionen davon an eine eigene Tochterfirma, die Noa Factoring AG. Um die hohen Tages- und Festgeldzinsen zahlen zu können, muss die Bank das Geld aber arbeiten lassen. Die Einlagen bei der Zentralbank zu parken, bringt zu wenig ein. Und spekulative Anlagen sind laut Unternehmensphilosophie ja verboten.

Für Martin Faust, Experte für nachhaltige Geldanlage an der Frankfurt School of Finance, ist das ein typisches Problem der Ethikbanken: „Die haben gerade so viel Kundenzulauf, dass sie gar nicht nachkommen mit der Kreditvergabe.“ In der Krise fragten die Unternehmen eben weniger Geld nach, zudem seien die Vertragsabschlüsse aufwendiger, wenn man neben der Kreditwürdigkeit auch noch die ethischen Standards eines Unternehmens prüfen müsse. Zumal die Ethikbanken auch mit den konventionellen Banken um die Kunden konkurrieren. Der Markt sei schwer umkämpft, die Margen gering, sagt Faust.

„Es ist immer so gewesen, dass wir im Einlagengeschäft stärker wachsen als im Kreditbereich“, sagt auch Christof Lützel, Pressesprecher der GLS-Bank. Seine Bank habe aber kein Problem damit, Kreditnehmer zu finden, die den ethischen und ökologischen Ansprüchen der Bank genügten. „Der Kapitalbedarf ist riesig“, sagt Lützel. Zu den Kunden der GLS-Bank zählten Ökobauern, Naturkosthändler oder ökologische Wohnprojekte. „Das sind alles Wachstumsmärkte.“ Tatsächlich hat die GLS-Bank die Hälfte ihrer Kundeneinlagen von insgesamt 1,4 Milliarden Euro an Krediten ausgereicht.

Der Unterschied zur Noa-Bank: Die GLS-Bank gibt es schon seit mehr als 30 Jahren, sie ist langsam gewachsen, auch weil die Zinsen, die sie ihren Kunden bietet, im Vergleich nur mittelmäßig sind. Die Noa- Bank habe sich mit regelrechten „Kampfkonditionen“ auf dem Markt bekannt gemacht, sagt Faust. Im konventionellen Bankgeschäft sei das durchaus üblich. Nur habe die Bank damit sicher nicht nur solche Kunden angelockt, die ihr Geld in regionale Kulturprojekte investieren wollen, sondern auch „die klassischen Renditejäger“. Und die würden ihr Geld wahrscheinlich schnell wieder abziehen, sollte die Bank ihre Zinsen senken. Nach Meinung des Experten birgt so ein Geschäftsmodell auch Risiken: „Wenn man unter Druck ist, ist die Gefahr größer, dass man Verträge mit Kunden macht, die woanders keinen Kredit mehr bekommen – also risikoreichere Geschäfte eingeht, um überhaupt Geschäfte zu machen.“

Bei der Noa-Bank lautet die Frage viel eher, ob ihre Geschäfte tatsächlich so moralisch sind, wie sie tut. Über die Noa Factoring AG kauft die Bankforderungen von Unternehmen ein, deren Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen. „Dadurch trägt sie zum Erhalt des Wohlstandes und der Lebensqualität der deutschen Bevölkerung bei“, heißt es auf der Webseite unter dem Anlageschwerpunkt „Region“. Was dort nicht steht: Früher hieß das Unternehmen, an dessen Gründung François Jozic und Frédéric Lodewyk ebenfalls beteiligt waren, Quorum AG. Unter diesem Namen stand es öfter vor Gericht. Der Rechtsanwalt Tim Ohnemüller hat mehrere Unternehmer vertreten, die der Quorum AG intransparente Vertragsabschlüsse und überhöhte Gebühren vorwarfen. „Zwar wurde dies bislang nicht durch ein Urteil rechtskräftig festgestellt, jedoch stützen die vorgelegten Beweise diese Behauptungen“, sagt Ohnemüller. Nach Ansicht des Anwalts war die Firma wohl auch darum bereit, Vergleiche mit den betroffenen Kunden abzuschließen. Die Noa- Bank wollte sich auf Anfrage des Tagesspiegels zu diesen Vorwürfen nicht äußern.

Ein ehemaliger Vertriebsmitarbeiter der Quorum AG gab bei dem Rechtsanwalt zu Protokoll, wie er geschult worden sei, um Unternehmer, die in Geldnöte geraten waren, zu einem Vertragsabschluss zu drängen: „Ziel des Gespräches war es, den Kunden derart unter Druck zu setzen, dass dieser den von uns überlassenen Formularvertrag ,Factoringvertrag’ ohne weiteres Zögern und Nachfragen unterschreibt.“ Weiter heißt es: „Sollte der Kunde mit entsprechenden Fragen beispielsweise bezüglich des Vertragsinhalts oder der AGB kommen, sollten diese Fragen möglichst schnell beiseite gewischt werden.“ Jozic und Lodewyk seien bei solchen Schulungen teilweise dabei gewesen, behauptet der Zeuge.

In Bankenkreisen heißt es, die Finanzaufsicht Bafin prüfe die Noa-Bank. Die Bafin nimmt dazu keine Stellung, aus ihrem Umfeld ist aber zu hören, dass man bei jungen Banken gelegentlich etwas genauer hinschaue.

Dass die Noa-Bank keine neuen Festgeldkonten mehr eröffnet, müsse die Kunden nicht beunruhigen, sagt Peter Lischke von der Verbraucherzentrale Berlin. Abheben könnten sie ihr Geld schließlich jederzeit. Zudem garantiert die staatliche Einlagensicherung Beträge in Höhe von bis zu 50 000 Euro. Die Bank verzichtet auf die Mitgliedschaft im Einlagensicherungsfonds der privaten Banken, der höhere Summen versichert. „Mehr als 50 000 Euro sollte man bei diesem Institut auf keinen Fall anlegen“, warnt Lischke daher. Aber Geld nimmt die Noa- Bank ja sowieso nicht mehr an.

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