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Wirtschaft: Zu verkaufen: Eine Million Bankkunden

SEB will angeblich Deutschland-Geschäft abstoßen

Berlin – Auf dem deutschen Bankenmarkt könnte schon bald ein attraktives Kaufobjekt angeboten werden. Wie eine schwedische Nachrichtenagentur meldet, will die Bank SEB ihr Deutschlandgeschäft veräußern. Zwar wollte am Donnerstag niemand den Bericht bestätigen; das seien Gerüchte, hieß es in der schwedischen Konzernzentrale. Bankenexperten halten einen Verkauf aber durchaus für plausibel und sehen auch schon mögliche Interessenten für die deutsche SEB AG, die 2001 aus der ehemals gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) hervorgegangen war.

„Es ist plausibel, wenn sich eine Bank überlegt, ihr Geschäft zu verkaufen, weil in Deutschland zurzeit sehr hohe Preise pro Kunde gezahlt werden“, sagt Wolfgang Gerke, Professor für Bank- und Börsenwesen in Nürnberg. Besonders beliebt ist das Geschäft mit Privatkunden, das einige Großbanken lange vernachlässigt hatten und nun wieder entdecken. Zukäufe in diesem Bereich lassen sie sich einiges kosten. In diesem Sommer schlug die Deutsche Bank gleich zwei mal zu. Nach langen Bieterwettbewerben mit anderen Instituten kaufte sie sowohl die Berliner Bank als auch die Nürnberger Noris Bank – für Summen, die viele Beobachter als sehr hoch einstuften. Das Deutschlandgeschäft der SEB soll angeblich 1,6 bis 2,1 Milliarden Euro kosten.

Die ehemalige BfG ist im deutschen Privatkundengeschäft mit rund einer Million Kunden und 175 Filialen stark vertreten. Auch in Berlin betreibt sie zehn Geschäftsstellen. Der schwedischen Konzernmutter reicht aber die Rendite nicht, die der deutsche Ableger erwirtschaftet – im ersten Halbjahr waren es 10,4 Prozent, der gesamte Konzern lag mit 19,9 Prozent deutlich darüber. Unternehmenschefin Annika Falkengren hatte der deutschen Sparte ein Ultimatum bis Herbst 2007 gesetzt, um die Renditen anzugleichen. Dieses Ziel scheint mittlerweile außer Reichweite gerückt.

Als mögliche Käufer des Instituts werden vor allem die Deutsche Bank, die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank gehandelt. Alle drei wollen ihr Privatkundengeschäft stärken, denn das kommt bei den Aktionären gut an. Sie bewerten es derzeit höher als das Investmentbanking. „In Europa sind in den vergangenen Jahren die Institute zu führenden Banken geworden, die eine starke Verankerung im nationalen Privatkundengeschäft haben“, sagt Konrad Becker, Bankenanalyst bei Merck Finck. „Die Erträge im Privatkundengeschäft sind stabiler als in anderen Bereichen.“ Das Investmentbanking zum Beispiel sei deutlich schwankungsanfälliger. Hinzu kommt, dass sich inzwischen auch das lange verschmähte Massengeschäft wieder lohnt. „Die Banken haben das Angebot zusammengestrichen, Personal abgebaut und Filialen geschlossen“, sagt Becker. „So haben sie ihre Kosten deutlich gesenkt.“ Die Deutsche Bank zum Beispiel erreicht mit ihrem Privatkundengeschäft mittlerweile eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von mehr als 50 Prozent – und liegt damit deutlich über den 25 Prozent, die Vorstandschef Josef Ackermann als Ziel für den Gesamtkonzern anpeilt.

Stefan Kaiser

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