zum Hauptinhalt
Rund fünf Millionen Tonnen Zucker werden jedes Jahr in Deutschland produziert. In Brasilien sind es 50 Millionen.

© picture alliance / dpa

Zuckerkartell vor Gericht: Schokoladenhersteller will Schadensersatz von Zuckerhersteller

Das Geschäft mit Zucker ist süß – und verführt bisweilen zu Tricksereien. Hierzulande gibt es nur drei Hersteller, und die stehen jetzt vor Gericht.

Eine paar hundert Millionen Euro Strafe – das kann der größte Zuckerhersteller der Welt verkraften. Die in Mannheim ansässige Südzucker-Gruppe kam im vergangenen Geschäftsjahr auf einen Gewinn von 240 Millionen Euro. Der Konzern mit 29 Zuckerfabriken in einem Dutzend europäischer Länder bildet mit Nordzucker (Braunschweig) und Pfeifer & Langen (Köln) hierzulande ein Oligopol. Und das kann gefährlich sein – für Kunden und Konzerne. Vor ein paar Jahren hat das Bundeskartellamt wegen des Verdachts auf Preisabsprachen unter den drei Zuckerproduzenten ermittelt und sich dabei auf die Aussagen von Nordzucker verlassen – aus Sicht der Ermittler ein Kronzeuge, aus Sicht der beiden Konkurrenten ein Denunziant. Jedenfalls kam es 2014 zu einem Vergleich mit dem Kartellamt: Südzucker zahlte 195 Millionen, Pfeiffer & Langen gut 70 Millionen und Nordzucker kam wegen der besonderen Rolle mit einem einstelligen Millionenbetrag davon. Doch damit ist die Sache noch lange nicht erledigt.

Drei Dutzend Lebensmittelfirmen klagen

Am Freitag verhandelte das Landgericht Mannheim die Klage des sächsischen Schokoladenherstellers Goldeck (Zetti) gegen Südzucker. Goldeck will Schadenersatz wegen zu hoher Zuckerpreise und steht mit diesem Ansinnen nicht allein – schließlich braucht fast jeder Lebensmittelhersteller Zucker: In Mannheim sind mehr als 20 Klagen anhängig, in Hannover klagten zuletzt acht Lebensmittelfirmen und in Köln sind es vier. Allein Bauer, Ehrmann und Zentis fordern von den Zuckerherstellern 119 Millionen Euro. Insgesamt ist von 500 Millionen Euro die Rede. Südzucker wehrt sich mit dem Argument, den Klägern sei überhaupt kein Schaden entstanden. Das ist nicht ganz abwegig, denn die betroffenen Firmen haben die Kosten für den Zucker selbstverständlich an ihre Kunden weitergereicht, die Verbraucher. Knapp 20 Kilo Zucker konsumiert der Durchschnittsdeutsche im Jahr.

2017 wird der Zuckermarkt liberalisiert

Über die Dimension der juristischen Auseinandersetzung macht man sich beim Marktführer keine Illusion: „Das wird uns die nächsten Jahre beschäftigen“, sagt ein Südzucker-Sprecher. Allerdings habe man noch wichtigere Themen auf der Agenda. Zum Beispiel das Ende der Zuckermarktregulierung 2017, danach ist der europäische Markt frei für Zucker aus Übersee, aus Brasilien, Australien oder Indien, das sind die großen Zuckerrohrproduzenten. 113 Länder produzieren Zucker – 71 davon aus Zuckerrohr, was viel wirtschaftlicher ist als die Verarbeitung von Rüben. In den Ländern mit gemäßigtem Klima, in Europa und Nordamerika, in China und Japan wird der Zucker aus Rüben gewonnen, in den subtropischen Anbaugebieten wächst das Zuckerrohr. Vor allem in Brasilien: 50 der 177 Millionen Tonnen, die 2015 weltweit produziert wurden, stammten aus Brasilien. Deshalb ist das Land auch der größte Hersteller von Bioethanol.

18 Millionen Tonnen Rüben ergeben 4,5 Millionen Tonnen Zucker

In Deutschland reichten die gut 18 Millionen Tonnen Rüben für 4,5 Millionen Tonnen Zucker. Davon landen fast 90 Prozent bei der Zucker verarbeitenden Industrie, also den Lebensmittelherstellern. Elf Prozent wurden als Haushaltszucker in Form von Raffinade, Puder-, Würfelzucker, Kandis und anderen Sorten im Lebensmittelhandel verkauft. Immerhin eine Million Tonnen exportieren die drei deutschen Hersteller, die im Verein der Zuckerindustrie ihre Interessen bündeln. Dessen Vorläufer ist übrigens der „Verein für Rübenzuckerindustrie im Zollverein“, gegründet 1850 und damit der älteste Industrieverband Deutschlands.

Den Marktführer Südzucker, 1926 gegründet, zeichnet die Partnerschaft zu den süddeutschen Rübenbauern aus, deren Produkte die Basis des Geschäfts sind und die als größte Aktionärsgruppe auch maßgeblichen Einfluss auf den Konzern haben. Südzucker kam mit Zucker, Pizza, Ethanol und Fruchtsaftkonzentraten zuletzt auf einen Jahresumsatz von 6,4 Milliarden Euro. Im Streit mit dem Kartellamt ließ sich das Unternehmen mit seinen knapp 17 000 Mitarbeitern vor Jahren auf den teuren Vergleich ein, um ein jahrelanges Verfahren zu vermeiden. Das könnte auch jetzt wieder die Strategie sein. Zuckerhersteller und Zuckerverarbeiter können sich eine konfliktreiche Beziehung nicht leisten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false