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Wirtschaft: Zuckerreform – Verbraucher zahlen drauf

EU-Kommission streicht Milliarden-Hilfen, dafür gibt es neue Subventionen für Bauern und Industrie

Berlin/Brüssel - Die EU-Kommission will den hochsubventionierten Zuckermarkt radikal reformieren. Bis 2008 sollen die Stützpreise für Zucker schrittweise um rund ein Drittel gekürzt werden. Auch die Mindestpreise für Zuckerrüben und die Produktionsquoten in der EU sollen drastisch sinken. „Die Zeit ist reif für Veränderungen“, sagte EU-Agrarkommissar Franz Fischler am Mittwoch bei der Vorlage der Reformvorschläge in Brüssel. Doch die Reform, die den Zucker für Lebensmittelindustrie und Verbraucher nach Angaben Fischlers eigentlich billiger machen sollte, könnte das System sogar noch verteuern.

Die europäische Zuckermarktordnung gilt seit mehr als 30 Jahren und würde planmäßig im Juni 2006 auslaufen. Sie garantiert Bauern und Zuckerindustrie feste Preise und Abnahmemengen. Das führt dazu, dass Zucker in der EU dreimal so teuer ist wie auf dem Weltmarkt und massiv subventioniert werden muss, um ihn auf dem Weltmarkt verkaufen zu können. Das ärgert Zuckerbauern außerhalb der EU. Zudem zahlen EU-Verbraucher für Subventionen jährlich 1,3 Milliarden Euro – über ihre Steuern. Außerdem zahlt jeder Deutsche nach Berechnungen des Europäischen Rechnungshofes pro Jahr 15 Euro zu viel für Zucker, weil die Preise künstlich verteuert sind.

Mit den jetzigen Reformvorschlägen reagiert die EU auch auf Kritik der Welthandelsorganisation WTO. Ziel der laufenden Liberalisierungsrunde ist es, den weltweiten Handel zu erleichtern. Soll sie erfolgreich abgeschlossen werden, muss auch die EU Zugeständnisse machen, ihre Märkte weiter öffnen und Exportsubventionen abbauen. Große Zuckerproduzenten wie Brasilien und Australien haben vor der WTO gegen die Zuckerexporte geklagt. Die Entscheidung wird im Herbst erwartet.

Um der europäischen Landwirtschaft die Umstellung zu erleichtern, will Agrarkommissar Fischler die Reform über vier Jahren ausdehnen. In zwei Stufen soll der Stützpreis für Zucker bis 2008 um ein Drittel gesenkt werden. Ähnlich deutlich will Brüssel die garantierten Mindestpreise für Zuckerrüben verringern. Die Quoten, die in der EU die Rübenproduktion deckeln, sollen nur um ein Fünftel zurückgefahren werden. Die Exporterstattungen für den EU- Zucker will Fischler aber fast ganz streichen. „Verbraucher und Industrie zahlen zu hohe Preise“, sagte Fischler. „Die intensive Rübenproduktion führt zu Umweltproblemen, und die subventionierten Exporte stehen stark in der internationalen Kritik, vor allem von Entwicklungsländern.“

Die Zuckerindustrie und Bauern kritisierten die Reform. „Tausende Landwirte würden ihre Existenz verlieren, Zuckerfabriken müssten schließen“, sagte der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, Hans-Jörg Gebhard, in Berlin. Auch Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) sieht Nachbesserungsbedarf beim Zeitplan und den Beihilfen für die Zuckerindustrie.

Doch schon die jetzt vorgesehenen Beihilfen könnten die Reform teuer machen. Fischler will die Zuckerrübenbauern mit einem Ausgleich von 60 Prozent für die drohenden Einkommensverluste entschädigen. Außerdem plant der Agrarkommissar Ausgleichszahlungen und Preisabschläge für bestimmte bevorzugt behandelte Entwicklungsländer (AKP-Staaten), die unter der Reform leiden. Die Mehrkosten für den EU-Haushalt schätzt ein Finanzexperte der Bundesregierung auf bis zu 1,2 Milliarden Euro. „Unter dem Strich könnte die Reform der Zuckermarktordnung teurer werden als das bisherige System“, sagte der Experte.

Ob die Reform beim Verbraucher ankommt, ist ebenfalls umstritten. „Das wird der Markt entscheiden“, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie. Bei einer einzelnen Coca-Cola-Flasche dürfte sich ein verbilligter Zuckerpreis ohnehin kaum bemerkbar machen: Der auf Zucker entfallende Kostenanteil beträgt nach Angaben Fischlers rund zwei Prozent. Sinkt der Garantiepreis um ein Drittel, würden sich die Kosten je Flasche gerade einmal um 0,7 Prozent verringern. mit HB

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