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Wirtschaft: "Zügige Steuerreform für eine ordentliche Börse"

Herr Kopper, Sie sind der Standortbeauftragte der Bundesregierung.Was fehlt uns, was andere haben?

Herr Kopper, Sie sind der Standortbeauftragte der Bundesregierung.Was fehlt uns, was andere haben?

Flexibilität.

Können wir das lernen?

Wir müssen.Wie dringend, sehen Sie am klassischen Dienstleistungsbereich, den Banken.Da läuft ein Streik um die Frage, ob man nun am Sonnabend arbeitet oder nicht.Dies paßt nicht in eine moderne Gesellschaft.

Investieren deshalb die Ausländer nicht mehr bei uns?

Zumindest haben Ausländer das Gefühl, daß Investitionen in Deutschland problematisch sind.Ich kümmere mich um die Auslandsinvestitionen, versuche mit möglichst vielen Unternehmern und Unternehmen zu reden, die möglicherweise in Deutschland investieren wollen.Ich mache gute Stimmung für unser Land.Und da gilt, was im Marketing immer richtig ist: Wenn ich etwas verkaufen will, muß ich es auch positiv darstellen.Schön reden alleine nutzt aber nichts.

Welche Argumente gibt es für den Standort Deutschland?

Wir bieten einen großen Markt mit 84 Millionen Einwohnern.Wir verfügen über eine hervorragende Infrastruktur - physisch, elektronisch und mental.Wir haben sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte.

Haben Sie den Eindruck, daß die jetzige Bundesregierung mehr Flexibilität im Arbeitsleben erreichen möchte?

Das kann ich mir vorstellen - auch wenn zu kurze Zeit vergangen ist, um das abschließend beurteilen zu können.Was es in den ersten Monaten an Hin und Her gegeben hat, das ist schon ein Zeichen hoher Flexibilität.Aber im Ernst: Es ist gut, daß nun über die Reform der Unternehmensteuer gesprochen wird.Wobei es sehr schädlich wäre, wenn die Reform noch ein Jahr länger auf sich warten lassen und erst im Jahr 2001 in Kraft treten würde.Das macht meine Arbeit, im Ausland für Investitionen in Deutschland zu werben, nicht leichter.

Haben die Deutschen mehr als andere Angst vor Veränderungen?

Wir brauchen größeren äußeren Druck, um mehr zu verändern.Es geht uns noch zu gut.Im internationalen Vergleich müssen wir Tempo machen.In einer globalisierten und schnellen Welt ist Stehenbleiben oder eine langsamere Bewegung nach vorn schon ein relatives Zurückbleiben.

Wie wird die Gesellschaft, wenn sie sich ändert: Individualistischer? Amerikanischer?

An die Amerikanisierung der Gesellschaft glaube ich nicht, und auch nicht an die These von der zunehmenden Individualisierung.Wenn ich mir die großen Massenveranstaltungen anschaue, beim Sport oder in der Unterhaltung, dann habe ich keineswegs den Eindruck, daß wir bald nur noch aus Einzelgängern bestehen.

Wird Geld eine größere Rolle spielen?

Ja.Geld wird wichtiger im Sinne einer deutlich zunehmenden Konsumorientierung.Aber das ist nichts Schlechtes.Ich halte die Kombination von Wohlstand und Frieden für eine sehr erstrebenswerte Sache.

Doch der Frieden in Europa ist bedroht.Im früheren Jugoslawien ist Krieg.Wann wirkt sich der Konflikt auf die Standortqualität in Deutschland aus?

Ich sehe keine direkte Auswirkung.Das wäre auch überzogen.

Die großen Unternehmen in Deutschland orientieren sich mehr und mehr in Richtung USA - beispielsweise DaimlerChrysler und die Deutsche Bank mit Bankers Trust.Gehen die Großen weg vom Standort Deutschland?

Genau das Gegenteil.Sie sichern den Standort Deutschland.Das international gültige Schlagwort lautet: All business is local, sinngemäß also: Geschäfte werden vor Ort gemacht.Sie müssen da präsent sein, wo die großen Absatzmärkte liegen, und der größte ist nach wie vor Nordamerika.Wer da nicht mitmacht, gefährdet sich und die Arbeitsplätze in der Heimat.

Was ist mit der unterschiedlichen Mentalität?

Ein guter Banker ist ein guter Banker, egal ob in New York oder in Frankfurt.Professionalität ist international.Im übrigen sind alle großen deutschen Unternehmen seit Jahrzehnten in Amerika, haben dort Zehntausende von Mitarbeitern.

Gerade in den USA nimmt aber jetzt die Angst vor den Deutschen zu - zum Beispiel wegen des großen Einflusses der Deutschen bei DaimlerChrysler oder der Deutschen Bank bei Bankers Trust.

Die Deutschen sind doch in dem Geschäft noch der Junior-Partner.Die US-Auslandsinvesitionen in Deutschland sind weitaus größer als die deutschen in den USA.Man merkt ja oft gar nicht, ob hinter einer Firma nun deutsches oder US-Kapital steckt.Aber das ist gut so.Ist eine Firma ausländisch, weil das investierte Kapital ausländisch ist? Oder ist sie deutsch, weil vorwiegend deutsche Arbeitnehmer dort arbeiten und Steuern hierzulande bezahlt werden? Auf die Nationalität des Kapitals kommt es heute gar nicht mehr an.

Ist Kapital vaterlandslos, unverantwortlich und unzuverlässig, weil es nur nach der bestmöglichen Rendite guckt?

Ja, das gilt für das anonyme Kapital, und dazu hat es alles Recht.Das Kapital fließt dorthin, wo es am effizientesten arbeiten kann.

Wie erklären Sie jemandem, der seinen Job verliert, daß es gut ist, wenn das Kapital dorthin geht, wo die Rendite stimmt?

Die Antwort darauf fällt jedem schwer, der gerne in Deutschland lebt und der mit dafür sorgen will, daß viele Menschen hier arbeiten können.Aber man muß wissen, daß ein Unternehmen, das schlecht laufende Bereiche behält, seine Existenz insgesamt in Frage stellt - und entsprechend viele Arbeitsplätze.Man muß darüber sprechen und verhandeln.Hierzulande sind schon hervorragende Dinge geleistet worden - durch Verzicht und Flexibilität.Erst wenn es gar nicht mehr weitergeht, dann ist Schluß.

Hat das Kapital die meiste Macht, seitdem es nur noch darum geht, daß die Aktionäre von der Wirtschaft profitieren?

Ich halte viel mehr davon, neben den Aktionären auch die Kunden und die Mitarbeiter einzubeziehen.Nicht jede Entscheidung im Interesse nur einer der drei Gruppen ist nachhaltig die beste.Wer Kunden oder Mitarbeiter vernachlässigt, der wird über kurz oder lang auch dem Kapital schaden.Genauso wird, wer den Aktionär, also den Shareholder-value, vernachlässigt, Probleme bekommen.Unternehmerisches Tun ist immer mit hohem Risiko verbunden.Schließlich gehen viele Entscheidungen nicht auf.Dafür müssen sich andere um so besser rentieren, insgesamt muß dabei mehr als bei einer risikolosen Bundesanleihe herauskommen.Dieser Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite bleibt oft außen vor, wenn über hohe Renditen geschimpft wird.Der Erfolg des Kapitals ist eine ausgesprochen gute Basis für mehr Beschäftigung und besseres Wachstum.Das zeigt das Beispiel Amerika.

Kommen die deutschen Unternehmen da überhaupt noch mit?

Sie sind heute besser als früher.

Was allerdings an den Aktienkursen nicht abzulesen ist.

Auch der deutsche Aktienmarkt steht in internationaler Konkurrenz.Andere Märkte sind beweglicher, deshalb interessieren sie mehr Anleger.Das läßt dann die Aktienkurse steigen.Die enorm positive Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft treibt die Wall Street an.Da sieht niemand in den USA die Notwendigkeit, die Pferde zu wechseln.Auch der deutsche Markt kann sich wieder positiv entwickeln, wenn wir uns von einigen Verkrustungen befreien könnten.

Wie denn?

Eine nachhaltige Umgestaltung der Rahmenbedingungen sorgt für eine Hausse an der Börse.Insbesondere eine zügige Steuerreform wird die wirtschaftliche Entwicklung beleben und uns eine ordentliche Börse bescheren.Es hängt nicht nur von den Unternehmen ab, wie der Markt sich entwickelt.

Und wenn die Unternehmensteuerreform wirklich verschoben wird?

Dann haben es die Unternehmen schwerer, die Börse und der Beauftragte für Auslandsinvestitionen auch.Mehr Arbeitsplätze gibt es dann nicht.

Führt denn das Bündnis für Arbeit, das vornehmste Projekt der Bundesregierung, zum Erfolg?

Das können wir alle nur hoffen.

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