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Keine Hellseherei. Im Zentrum des Studiums steht die Untersuchung von möglichen, wünschenswerten und wahrscheinlichen Entwicklungen.

© picture-alliance / dpa

Zukunftsforschung: Die Zeichen der Zeit

Im Master-Studiengang Zukunftsforschung der FU Berlin dreht sich alles um das Morgen.

Wie leben die Menschen in 30 Jahren? Was interessiert und bewegt uns? Wie sieht unsere Gesellschaft aus? Wirklich beantworten kann diese Fragen niemand. Aber es können Vermutungen angestellt, Möglichkeiten formuliert und Prognosen getroffen werden. Die Zukunft wird von vielen Faktoren bestimmt. Und eine genaue Analyse von Politik, Gesellschaft, Klima, demographischem Wandel und Technik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ein neuer und in Deutschland bisher einzigartiger Masterstudiengang Zukunftsforschung am Institut Futur an der Freien Universität Berlin widmet sich diesen Themen. In vier Semestern werden Studenten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen zu Experten der Zukunft gemacht.

„Mich fasziniert an Zukunftsforschung, dass dort globale Fragestellungen bearbeitet werden und die Zukunft aktiv mitgestaltet wird“, sagt Nicole Ambacher. Das Interesse der 30-Jährigen Pflegepädagogin an Zukunftsforschung entwickelte sich 2005, als sie für eineinhalb Jahre als Krankenschwester für eine NGO in Westafrika arbeitete und dort für die Gesundheitsversorgung von Frauen zuständig war. Dabei wurde ihr klar, dass Entwicklungshilfe interdisziplinär ansetzten müsse. „Insellösungen funktionieren nicht“, sagt Nicole Ambacher.

Auch die Mischung der Studenten des Masterstudiengangs Zukunftsforschung ist fächerübergreifend. Neben der Pflegepädagogin Nicole Ambacher gibt es etwa Psychologen, Wirtschaftswissenschaftler, Politikwissenschaftler, Modedesigner, einen Humanmediziner und einen Student aus dem Bereich Bildungsplanung. „Genau diese Heterogenität ist es, die das Feld der Zukunftsforschung verlangt und spannend macht“, sagt Gerhard de Haan, Erziehungswissenschaftler an der FU und Leiter des Instituts Futur an der Freien Universität. Denn die Zukunft stecke in jedem Thema und der Austausch über die Fachbereiche hinweg sei befruchtend.

Das sieht auch Nicole Ambacher so. Zusammen mit 15 anderen Studenten begann sie 2010 mit dem Studium. Für ihr Praxissemester war Nicole Ambacher für vier Monate am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe tätig. Dort untersuchte sie mittels einer Studie das Potenzial von Methoden der Zukunftsforschung in Unternehmen. Ein Teilergebnis zeigte, wie gefragt ihr Wissen auf dem Arbeitsmarkt ist – es fehlen Experten und auch methodisches Wissen für den Bereich Zukunftsforschung. Auch in ihrer Masterarbeit wird sie sich mit den Ergebnissen ihrer Studie beschäftigen.

Zwar haben große Auto- oder Energiekonzerne längst eigene Abteilungen für Zukunftsforschung. Und auch in Bereichen wie der Klimaforschung, der Technikfolgeabschätzung oder den erneuerbaren Energien steht die Zukunft im Mittelpunkt der Forschung. Doch neben dem Studiengang an der Freien Universität Berlin gibt es lediglich an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen eine Professur in diesem Bereich in Deutschland. „Der Impuls für die Gründung des Studiengangs kam aus der Wirtschaft“, sagt Gerhard de Haan. Bisher kamen Zukunftsforscher aus den Medienwissenschaften oder waren Historiker, Soziologen oder Politologen und erlernten das nötige Fachwissen direkt in den Unternehmen, so der Professor. Im Zentrum des Studiums steht die Untersuchung von möglichen, wünschbaren und wahrscheinlichen Entwicklungen. Die Studenten erlernen dafür zum einen Statistik und verschiedene sozialwissenschaftliche Methoden.

Aber auch Soft Skills wie Kreativität sind gefragt. „Ein Bewerber sollte auf jeden Fall innovativ und kommunikativ sein. Auch ein gewisses Maß an Empathie spielt eine wichtige Rolle“, sagt Gerhard de Haan. Denn ein Zukunftsforscher müsse sich gut in andere Menschen hineinversetzen können. Bewerber müssen ansonsten einen Bachelorabschluss gleich welcher Fachrichtung vorweisen können.

Einer der Impulsgeber für den Masterstudiengang war Wolfgang Müller-Pietralla von der Volkswagen AG in Wolfsburg. Er leitet die Abteilung Zukunftsforschung und Trendtransfer und beschäftigt sich mit dem Thema Mobilität in der Zukunft. „Gut ausgebildetes Personal und fundiertes Wissen im Bereich Zukunftsforschung ist wichtig für jedes große Unternehmen.“ Nur wenn sich ein Unternehmen wie Volkswagen datenbasiert mit möglichen Szenarien beschäftigt hat, könne es der Zukunft robust begegnen. „Wie die Zukunft genau aussieht, wissen wir nicht. Aber wir sind durch die Zukunftsforschung besser auf mögliche Entwicklungsprozesse vorbereitet.“

Die Dozenten des Studiengangs kommen fast ausschließlich aus der Wirtschaft. So erklären sich die Studiengebühren von 1300 Euro pro Semester. „Die Lehraufträge werden hauptsächlich durch die Studiengebühren bezahlt“, sagt de Haan. Die Berufsaussichten für Absolventen sieht de Haan sehr positiv. Zukünftige Arbeitgeber könnten große Unternehmen mit eigenen Abteilungen für Zukunftsforschung sein. Auch Forschungsarbeit oder eine Selbstständigkeit seien möglich. Trendforschung sei auch eine Option.

Nicole Ambacher möchte sich nach Abschluss des Studiums weiterhin mit der Frage beschäftigen, wie Zukunftsforschung eingesetzt werden kann, um die Gesellschaft positiv zu verändern. „Ich denke, dass sich die Frage nach Zukunftsvisionen lohnt und wir heute Dinge anpacken müssen, um ein gutes Morgen möglich zu machen.“

Viola Zech

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