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Nur noch ein halber Volkswagen.

© AFP

Zuliefererstreit bei Volkswagen: Lieferstopp betrifft rund 28.000 VW-Mitarbeiter

Durch den Streit mit zwei Zulieferfirmen können knapp 28.000 Mitarbeiter teils tagelang nicht wie geplant arbeiten. Der Konzern verhandelt, die Politik fordert schnelle Lösungen.

Die Politik schaltet sich in den Streit des VW-Konzerns mit zwei Zulieferern ein. Bundes- und Landesminister forderten am Montag ein baldiges Ende der Auseinandersetzung. Volkswagen teilte mit, insgesamt seien fast 30.000 Beschäftigte in sechs Werken von Kurzarbeit und Lieferengpässen betroffen. Der Produktionsausfall könnte sich auch negativ auf die Konjunktur auswirken. Derweil bestätigten Daimler und BMW, dass sie ebenfalls von der mit VW zerstrittenen Prevent-Gruppe beliefert werden. Daimler streitet sich mit dem Unternehmen vor Gericht. Vertreter des VW-Konzerns und der Zulieferfirma versuchten am Montag, den Streit in Verhandlungen beizulegen.

„Wir gehen davon aus und erwarten auch, dass die beteiligten Unternehmen die ungeklärten Fragen so bald wie möglich lösen können“, sagte ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). „Es geht um tausende Arbeitsplätze, die von Kurzarbeit betroffen sein könnten, und da gibt es natürlich eine hohe Verantwortung, diese Probleme so konstruktiv wie möglich anzugehen.“

Der Wolfsburger Autobauer streitet mit den Firmen Car Trim und ES Automobilguss, die zur Prevent-Gruppe gehören, über die Lieferung von Sitzen beziehungsweise Getriebeteilen. Trotz einer einstweiligen Verfügung und der Androhung gerichtlicher Zwangsmaßnahmen weigern sich die Unternehmen, zu liefern. Hintergrund ist der Streit über eine von VW gekündigte Entwicklungskooperation. Die Zulieferer fordern von dem Autohersteller Schadenersatz. Die Eskalation des Streits versetzt die Belegschaft der ES Automobilguss im sächsischen Schönheide in Angst. Die Sorgen bei den rund 350 Mitarbeitern seien groß, die Informationen aus dem Unternehmen dünn, hieß es aus Kreisen der Belegschaft. An diesem Dienstag soll es in der Firma eine Betriebsversammlung geben.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig forderte ebenfalls eine schnelle Lösung. „Es kann nicht sein, dass der Streit auf dem Rücken von tausenden Beschäftigten ausgetragen wird“, sagte der SPD-Politiker. Er appellierte sowohl an VW als auch an die beiden Zulieferer, sich möglichst rasch zu einigen. Sollte es keine Lösung geben, wollte sich Dulig mit seinem Amtskollegen Olaf Lies (SPD) aus Niedersachsen als Vermittler zur Verfügung stellen.

In Niedersachsen – das Land hält 20 Prozent der VW-Aktien – ging man am Montag davon aus, dass die Streitparteien „engagiert miteinander verhandeln wollen“. Es gebe eine „gewisse Hoffnung, dass man es ernst meint mit dem Einigungswillen“.

Auch Daimler und BMW werden von Prevent beliefert

Die Prevent-Gruppe streitet sich auch mit Daimler. Vor dem Landgericht Braunschweig wolle der Lieferant 40 Millionen Euro Schadenersatz erstreiten, sagte ein Sprecher des Gerichts. Prevent sehe demnach Verträge von Daimler als nicht erfüllt und nicht wirksam beendet an. Am 8. November werde zunächst die Frage geklärt, welche Kammer überhaupt für das Verfahren zuständig ist. Im Jahresabschluss von Prevent ist die Rede von 2013 gekündigten Aufträgen und einem „Abzug des Lieferumfanges“ der Daimler AG im Jahr 2014. Dem Vernehmen nach geht es um Sitzbezüge, allerdings nicht von der Firma Car Trim. Auch BMW erhält von der Prevent- Gruppe Bauteile, dem Vernehmen nach geht es um Getriebegehäuse der ES Guss. „Es gibt eine Lieferbeziehung“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Diese habe aber einen „sehr geringen Umfang“. Details nannte sie nicht. Von den aktuellen Problemen, die VW beschäftigen, sei man nicht betroffen. Volkswagen nannte am Montag erstmals offizielle Zahlen zu den betroffenen Werken und Mitarbeitern. Mit rund 10 000 Beschäftigten sind die meisten in Wolfsburg betroffen, wo derzeit die Produktion des VW Golf ruht. In Emden sind es 7500, in Zwickau 6000, in Kassel 1500, in Salzgitter 1400 und in Braunschweig 1300 Beschäftigte.

Ruht die VW-Produktion länger, könnte dies im dritten Quartal zu Einbußen beim Wirtschaftswachstum von 0,1 oder 0,2 Prozentpunkten führen, schätzt der Europa-Chefvolkswirt der Nordea Bank, Holger Sandte. Sichtbar werden dürfte dies vor allem im August in der Industrieproduktion, an der die Autoherstellung ein großes Gewicht habe. „Die Folgewirkungen für die gesamte Wertschöpfungskette sind schon heute beträchtlich“, sagte Christoph Feldmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik. Allein hinter der Produktion des VW Golf stünden rund „500-Top-Lieferanten, die zunehmend in Schwierigkeiten geraten“. mit dpa, rtr

Hinweis: In einer ersten Version dieses Textes war das Zitat "Wir gehen davon aus und erwarten auch, dass die beteiligten Unternehmen..." versehentlich einem Sprecher des Bundesverkehrsministers Dobrindt (CSU) zugeordnet worden. Es wurde korrigiert.

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