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Zumwinkel

© picture-alliance / dpa

Zumwinkel: Kurzer Prozess

Kommende Woche beginnt die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel. Zwei Termine sind angesetzt.

Der Absturz des Klaus Zumwinkel begann am Morgen des Valentinstags 2007. Da wurde der damalige Postchef vor laufenden Kameras aus seiner Kölner Villa abgeführt. Es folgte der freie Fall: Der „Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes“, der „Manager des Jahres“ verlor seinen Vorstandsvorsitz, seine Aufsichtsratsmandate und darüber hinaus sein Ansehen und seine Ehre. Am kommenden Donnerstag beginnt nun vor der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Bochum der Prozess. Wie es zur Anklage kam, wie die Verhaftung inszeniert wurde und auch der erwartete kurze Prozess, sind bei Experten umstritten.

Die Anklage wirft Zumwinkel vor, in den Jahren 2002 bis 2006 fast eine Million Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Ursprünglich wurde ihm sogar die Hinterziehung von knapp 1,2 Millionen Euro zur Last gelegt. Doch das Gericht sah die Vorgänge aus 2001 als verjährt an und ließ sie nicht zu. Der einst hoch angesehene Manager soll Einkünfte aus dem Vermögen seiner Liechtensteiner Familienstiftung Devotion verschwiegen haben, die er 1986 gründete. Zumwinkel bestreitet die Vorwürfe nicht, er hat die Steuerschuld inzwischen beglichen.

Auf die Schliche kam die Justiz dem prominenten Angeklagten und weiteren Steuersündern, weil der Bundesnachrichtendienst einem Informanten 4,5 Millionen Euro für gestohlene Unterlagen der Liechtensteiner LGT-Bank zahlte. 450 Verfahren sind eingeleitet, 147 Millionen Euro an Steuernachzahlungen geflossen und ein Kaufmann ist bereits verurteilt.

So empört die Öffentlichkeit über Zumwinkels Vergehen war, so empört sind Strafrechtler über das gesamte Verfahren – beginnend bei den gestohlenen Bankdaten. „Das Landgericht müsste die Verwertbarkeit dieser Daten ablehnen“, sagt der Münchner Strafrechtsprofessor Bernd Schünemann. „Es kann nicht sein, dass mit strafbaren Handlungen Strafprozesse munitioniert werden.“ Eine weitere Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien sei die öffentliche Bloßstellung Zumwinkels bei seiner Festnahme gewesen. „Das war einfach schamlos“, sagt der Strafrechtsprofessor. Der Staat hätte den Prominenten besser schützen müssen, auch für ihn gelte schließlich die Unschuldsvermutung.

Das Gericht hat für die Hauptverhandlung nur zwei Termine anberaumt. Dies und weitere Gerüchte lassen Beobachter davon ausgehen, dass es zuvor Absprachen zwischen dem Angeklagten und der Justiz gegeben hat. Womöglich kommt Zumwinkel mit einer Haftstrafe von weniger als zwei Jahren zur Bewährung davon, plus einer Geldbuße. Solche Deals werden in vielen Strafprozessen verabredet. Die abgetretene Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen bestreitet aber, dass es im Fall Zumwinkel eine Absprache gegeben hat, wie sie dem „Focus“ sagte.

Unter Strafrechtlern sind Deals ohnehin umstritten, Schünemann nennt sie Erpressung. „Absprachen dienen nicht der materiellen Wahrheitsfindung, wie es im deutschen Prozessrecht vorgesehen ist“, kritisiert er. Sollten sie gesetzlich verankert werden, wie es das Bundesjustizministerium plant, müsse die gesamte Verfahrensstruktur neu geregelt werden. Im Fall Zumwinkel sei ein Deal doppelt unzulässig, da die Justiz rechtswidrig erlangte Daten benutzt habe. „Hier wird eine Rechtsstaatswidrigkeit mit einer anderen Rechtsstaatswidrigkeit zugedeckelt“, sagt Schünemann. Sein Fazit: „Dieses Verfahren ist eine Groteske, ein Skandal und eine Tragödie zugleich.“ Corinna Visser

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