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ZUR PERSON: „Beim A400M haben wir Fehler gemacht“

EADS-Chef Louis Gallois über den Militärtransporter, Belegschaftsfrust und die Euro-Schwäche

Monsieur Gallois, EADS wurde vor zehn Jahren aus drei europäischen Konzernen zusammengefügt. Seit vier Jahren stehen Sie an der Spitze. Was haben Sie in der Zeit bewegt?

Zusammen haben wir eine Menge bewegt. Angefangen bei der Organisation im oberen Management. Da gibt es heute keine franco-deutschen Rivalitäten mehr. Wir ziehen an einem Strang. Sie werden in den vergangenen drei Jahren keine Schlagzeile gelesen haben, in der es hieß, es gäbe nationale Streitigkeiten im Vorstand. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt.

Aber über Streit innerhalb des gesamten Konzerns konnte man jede Menge lesen.

Wir haben intensive Diskussionen mit den Gewerkschaften der Werke, zum Beispiel in Hamburg und Toulouse, geführt. Sie wollen die Interessen ihrer jeweils eigenen Standorte verteidigen. Das ist doch selbstverständlich und legitim.

Sie haben 2009 eine große Mitarbeiterumfrage durchführen lassen, die ein großes Frust-Potenzial in der Belegschaft offenbarte.

Ja, und unsere Mitarbeiter haben klare Erwartungen geäußert: Sie wollen mehr Nähe und Dialog mit dem Management, eine größere Berücksichtigung ihrer Ideen oder verbesserte Entwicklungsmöglichkeiten. Wir arbeiten daran und haben eine ganze Reihe an Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Wir werden die gleiche Umfrage dieses Jahr erneut durchführen. Aber es dauert natürlich ein wenig, bis die eingeleiteten Maßnahmen greifen.

Wie wollen Sie diesen Frust denn konkret bekämpfen?

Indem wir die Bedürfnisse sehr ernst nehmen und unseren Mitarbeitern noch mehr Vertrauen entgegenbringen als bisher. Konkret werden wir zum Beispiel unser mittleres Management – rund 4000 Leute – stärken, ihnen mehr Verantwortung übertragen. Wir werden unsere Prozesse schlanker machen: In einigen Abteilungen wird ein Antrag heute erst nach zehn Unterschriften genehmigt. Drei müssen künftig genügen. Statt Telefonkonferenzen über unsere verschiedenen Standorte hinweg abzuhalten, müssen sich die Leute öfter persönlich treffen. Und unsere Mitarbeiter müssen ihre Ideen so einbringen können, dass sie auch bei der Entscheidungsebene ankommen. Das gilt für technische Innovationen wie auch für Personal- oder Finanzthemen sowie viele weitere Bereiche.

Was hat sich noch in der Ära Gallois getan?

EADS ist jetzt bekannt für gute Technologie und gut im Verkauf.

Sie meinen den Verkauf der 32 neuen A380 an Emirates?

Nicht nur den, obwohl er natürlich fantastisch ist. Bis vor drei Monaten etwa war der Dollar, in dem Flugzeuge bezahlt werden, ja extrem schwach gegenüber dem Euro. Da wir hauptsächlich im Euro-Raum fertigen, war das nicht verkaufsfördernd. Trotzdem war Airbus Nummer Eins bei den Aufträgen. Wir haben aber gegen einen starken Wettbewerb das weltweit größte Grenzschutzsystem nach Saudi-Arabien verkauft oder 50 Helikopter nach Brasilien. 75 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Exporten außerhalb der Euro-Zone.

Und jetzt fällt der Euro tiefer und tiefer. Was bedeutet das?

Ein stärkerer Dollar schadet uns sicher nicht. Allerdings profitieren wir erst mittelfristig davon: Wir hatten uns ja schon vor dem Anziehen des Dollars gegen Währungsschwankungen für die Jahre 2010 bis 2012 abgesichert. Das heißt, die Bedingungen werden sich für uns erst ab 2013 entscheidend ändern – wenn der gegenwärtige Trend denn anhält.

Euro-Krise bedeutet aber auch, dass hier Staatshaushalte gekürzt werden.

Ja, aber Frau Merkel hat diese Woche betont, nicht bei Forschung, Entwicklung und Bildung sparen zu wollen. Das ist uns wichtig, da wir sehr forschungsintensiv arbeiten. Ich bin überzeugt: Eine innovative Industrie ist ein unverzichtbarer Pfeiler für eine starke europäische Wirtschaft.

Fürchten Sie angesichts knapper Haushalte denn um Staatsaufträge – etwa bei Kampfjets oder ihrer Raumfahrttochter Astrium?

Bei Astrium geht es tatsächlich viel um europäische Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Aber natürlich werden knappe Budgets Auswirkungen haben, da müssen wir realistisch sein. Wir wollen einen aktiven Dialog mit den Regierungen, um die Auswirkungen der Einsparungen abzudämpfen.

Ihre Airbus-Leute kämpften zuletzt an zwei Fronten: Mit Europas Politikern um den Militärtransporter A400M und mit Amerikanern um die Tankflugzeuge. Was ist eigentlich komplizierter?

Die A400M-Verhandlungen sind komplex, da wir gleichzeitig mit sieben Staaten verhandeln. Ich kann verstehen, dass sie nicht zufrieden damit sind, dass der Preis um rund zehn Prozent steigt. Aber wir haben unsererseits vier Milliarden Euro an Rückstellungen für das Programm gebildet. Gemessen daran, ist die Lösung ausgeglichen. Wichtig ist: Wir haben uns grundsätzlich geeinigt.

Ist die Einigung von vor einigen Monaten denn heute noch zu 100 Prozent gültig?

Wir diskutieren derzeit noch Details. Wie gesagt: Bei sieben Kunden dauert das natürlich seine Zeit. Aber alle Absprachen bewegen sich innerhalb des Rahmens, den wir gemeinsam abgesteckt haben. Keines der Bestellerländer sagt, wegen der Krise gelte unsere Einigung nicht mehr. Aber ich gebe zu: Aus heutiger Sicht war es natürlich ein Fehler, zu unterschreiben, dass der A400M so unrealistisch rasch fertig wird. Zusammen mit unseren Kunden müssen wir daraus unsere Lehren ziehen: Wir müssen künftig offener, transparenter und realistischer miteinander umgehen.

Das Interview führte

Kevin P. Hoffmann

DER MANAGER

Der 66-Jährige Louis Gallois stammt aus dem südfranzösischen Montauban. Der Absolvent zweier Elitehochschulen begann seine Karriere im Finanzministerium und im Verteidigungsressort. Ab 1989 leitete er den Triebwerkshersteller SNECMA und von 1996 bis 2006 die Bahn SNCF. 2006 übernahm er einen von zwei Chefposten bei EADS. Seit Juli 2007 führt er den Konzern allein.

DAS UNTERNEHMEN

Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ist Europas größter Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern. Er entstand vor zehn Jahren durch die Fusion dreier Konzerne. 2009 machte die Airbus-Mutter 42,8 Milliarden Euro Umsatz, beschäftigte 119 000 Mitarbeiter. Beteiligungen halten unter anderem Daimler und der französische Staat. 49 Prozent der Aktien sind in Streubesitz.

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