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ZUR PERSON: „Es geht um mehr als ein Geschäft“

Nicolas Berggruen über den Verhandlungspoker, Pläne für die Zukunft und die Verantwortung der Politik

Herr Berggruen, in den Verhandlungen um Karstadt haben Sie die Politik zur Hilfe gerufen, warum?

Wir haben gemacht, was zu tun ist. Wir haben sehr viel Flexibilität gezeigt und sind in den Verhandlungen an die Grenzen des wirtschaftlich Machbaren gegangen. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es nicht mehr in unseren Händen liegt. Karstadt ist eine wichtige Gesellschaft, die überall im Land mit ihren Warenhäusern vertreten ist und 25 000 Mitarbeiter hat. Deshalb sollte die Politik sich dafür interessieren und aktiv werden.

Was soll die Politik denn tun?

Ich frage überhaupt nicht nach Geld. Wir brauchen kein Geld. Aber die Politiker haben eine Verpflichtung gegenüber dem Land und der Wirtschaft. Wenn ich politische Verantwortung für ein Land trage, dann ist es auch meine Verantwortung, dass Arbeitsplätze erhalten werden und dass die Geschäfte funktionieren.

Ist ein Politiker aktiv geworden?

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen engagiert sich, um Transparenz in eine sehr komplizierte Sache mit vielen Beteiligten und Interessenslagen zu bringen mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern.

Die Valovis Bank will mit Ihnen separat verhandeln. Machen Sie das?

Ja. Wir verhandeln bereits. Aber zum Stand der Gespräche kann ich erst etwas sagen, wenn wir ein Ergebnis haben.

Wie weit sind sie denn noch voneinander entfernt?

Wir sind gar nicht mehr auseinander. Wir haben am 23. Juni einen Kompromiss geschlossen und in den Eckpunkten Einigung erzielt. Aber es gibt immer noch technische Probleme.

Welche sind das?

Darüber haben wir Vertraulichkeit vereinbart.

Die Valovis Bank hat den ehemaligen Handwerksfunktionär Hanns-Eberhard Schleyer als Vermittler engagiert.

Ich höre, dass dieser Anwalt sehr gut sein soll, daher habe ich große Hoffnung. Ich will, dass alles gut geht. Ich bin immer dafür, dass man am Ende die maximale Zahl an Gewinnern haben sollte. In diesem Fall kann es auch viele Verlierer geben.

Wie viel Geduld haben Sie noch?

Es ist keine Frage der Geduld. Wir haben gemacht, was wir konnten. Jetzt ist die andere Seite dran. Wie sagt man das auf Deutsch? It takes two to tango.

Zum Tangotanzen braucht man zwei...

Ja, und ich habe meine Verpflichtung erfüllt.

Wann läuft die Zeit endgültig ab?

Ende Juli. Danach ist Schluss.

Warum?

Dafür gibt es rechtliche Gründe, die nicht in meiner Macht liegen.

Was passiert dann?

Liquidation.

Ist es Ihnen bei einem anderen Engagement schon einmal so schwer gemacht worden wie jetzt hier bei Karstadt?

Nein. Ich habe nie gedacht, dass es sich so entwickeln würde. Normalerweise ist es ein bisschen einfacher, und die Leute sind ein bisschen rationaler.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Die andere Seite hat in der Vergangenheit ein schlechtes Geschäft gemacht. Sie hat für die Immobilien der Warenhäuser einen viel zu hohen Preis bezahlt und die Mieten sind als Resultat viel zu hoch. Nach vielen Jahren hat Highstreet nun die Realität eingeholt, der sie sich stellen müssen. Das ist eine unangenehme Sache. Hinzu kommt, dass es sich um ein kompliziertes Konsortium handelt. Aber Highstreet muss nicht der Verlierer sein, Highstreet kann sich selbst retten. Aber die Leute müssen aufhören, in einer Traumwelt zu leben.

Lohnt sich der Aufwand?

Wenn ich engagiert bin, bin ich engagiert. Ich gebe nicht auf. Ich gehe bis zum Ende.

Der Insolvenzverwalter fordert Schadenersatz von Thomas Middelhoff und anderen ehemaligen Managern der Karstadt-Mutter Arcandor. Sollten die Manager, die Karstadt in solche Probleme gebracht haben, dafür zur Verantwortung gezogen werden?

Grundsätzlich finde ich es moralisch korrekt, wenn jeder Manager Verantwortung übernimmt. Wenn ich Karstadt übernehme, schaue ich jedoch nicht zurück in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Aber der Insolvenzverwalter sollte sich mit dem Geld befassen, das vielleicht der Gesellschaft gehört.

Ist Karstadt für Sie ein knallhartes Investment oder grenzt es an eine Art soziales Engagement?

Ich hoffe, es wird ein gutes Geschäft, sonst würde ich es nicht machen. Aber ein leichtes Geschäft wird es sicher nicht. Da brauche ich viel Hilfe. Im Moment bekomme ich viel Unterstützung von den Menschen, die bei Karstadt arbeiten, von Kunden und Lieferanten. Auch von Leuten, die damit gar nichts zu tun haben. Aber es geht in der Tat um mehr als ein Geschäft. Karstadt ist ein lebender Organismus und ein Symbol für Deutschland.

Wie wollen Sie Karstadt wieder Leben einhauchen? Viele Experten halten das Warenhauskonzept für tot.

Die Leute gehen trotzdem shoppen. Man muss ihnen nur etwas Gutes anbieten. Und dass Karstadt nicht tot ist, beweist der Umsatz, der gemacht wird. Aber damit der wieder wächst, muss Karstadt sich erneuern. Das ist nicht unmöglich. Das hat in anderen Ländern funktioniert, warum sollte es in Deutschland nicht funktionieren?

Weil die Deutschen nicht so gern shoppen wie Kunden in anderen Ländern.

Ja, aber einkaufen gehen Sie doch. Wir müssen Ihnen nur Gründe geben, zu Karstadt zu gehen.

Wie stellen Sie sich das genau vor?

Ich bin nicht operativ tätig, ich werde nicht entscheiden, ob etwas so oder anders gemacht wird. Aber es geht um eine bessere Vermarktung, eine bessere Präsentation, mehr Mode und darum, zeitgemäßer zu sein. Vergessen Sie nicht, dass Karstadt über Jahre hinweg gelitten hat, es gab nur Probleme und jetzt die Insolvenz. Das ist nicht sehr inspirierend für die Angestellten. Wenn Karstadt jetzt ein neues Leben bekommt, wird sich auch die Atmosphäre ändern. Das ist sehr wichtig für ein Unternehmen.

Was erwarten Sie von den Mitarbeitern?

Ich erwarte, dass sie sich mit uns engagieren für ein neues Karstadt. Karstadt gehört auch den Mitarbeitern. Für sie ist es fast wichtiger als für uns.

Wie viel wollen sie investieren?

Wir gehen von etwa 80 Millionen Euro pro Jahr über die nächsten drei Jahre aus.

Welche Pläne haben sie für das KaDeWe?

Das KaDeWe funktioniert sehr gut. Wenn wir da helfen können, werden wir das tun. Ich weiß nicht, wie man es auf Deutsch sagt, aber wir halten es wie in dem amerikanischen Sprichwort: If it’s not broken, don’t fix it.

Sie wollen nicht an etwas herumbasteln, das gar nicht kaputt ist?

Genau. Man kann alles verbessern, aber das KaDeWe steht nicht im Zentrum.

Wo gehen Sie einkaufen?

Ich gehe eher selten einkaufen.

Das Gespräch führte Corinna Visser

DER SAMMLER

Nicolas Berggruen wurde 1961 in Paris als Sohn des Kunsthändlers und Mäzens Heinz Berggruen und der Schauspielerin Bettina Moissi geboren. Mit 17 Jahren geht er nach New York, ein paar tausend Dollar von seinem Vater in der Tasche. Auch Nicolas Berggruen sammelt Kunst. Die Sammlung ist eingelagert, denn seine Häuser und Wohnungen hat er verkauft. Er jettet im eigenen Flugzeug um die Welt und lebt in Hotels.

DER INVESTOR

Nach seinem Wirtschaftsstudium beginnt Berggruen zu investieren, gründet 1984 die Berggruen Holdings – und macht ein Vermögen. Seine Firma hat Büros in New York, Berlin, Istanbul, Mumbai und Tel Aviv. Allein in Berlin besitzt er 60 Immobilien.

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