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Wirtschaft: Zur schnellen Schaffung von Jobs taugt der Euro nicht

Selbst Optimisten erwarten neue Stellen erst mittelfristig / Verantwortung auch bei den TarifpartnernVON TOM WEINGÄRTNERDie voraussichtlich elf Mitgliedsländer der EU beginnen die Währungsunion mit einer schweren Hypothek.18 Millionen Arbeitslose, rund elf Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in der Union belasten das Jahrhundertprojekt.

Selbst Optimisten erwarten neue Stellen erst mittelfristig / Verantwortung auch bei den TarifpartnernVON TOM WEINGÄRTNERDie voraussichtlich elf Mitgliedsländer der EU beginnen die Währungsunion mit einer schweren Hypothek.18 Millionen Arbeitslose, rund elf Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in der Union belasten das Jahrhundertprojekt.In Deutschland wird der Start in das Euro-Zeitalter durch eine ausgeprägte Skepsis der Bürger erschwert.Nur dreißig Prozent der Deutschen stehen der einheitlichen europäischen Währung vorbehaltlos aufgeschlossen gegenüber.Nahezu die Hälfte geht davon aus, daß die Arbeitslosigkeit in der Währungsunion noch steigen wird.Diese Befürchtung ist zumindest nicht gegenstandslos.Daß der Euro neue Arbeitsplätze schaffen wird, glaubt nur die Regierung.Sie ist schließlich zur Zuversicht verpflichtet.Unter den Experten besteht dagegen weitgehende Übereinstimmung darin, daß der Euro zumindest unmittelbar nicht dazu beiträgt, die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.Entscheidend werden deshalb die mittelbaren Auswirkungen sein. Hier stehen sich zwei Schulen gegenüber.Die Optimisten sehen vor allem die Vorteile, die der Euro für die Exportwirtschaft mit sich bringt.Der Nationalökonom Peter Bofinger ist einer ihrer Wortführer.Er verweist auf den starken Rückgang der Beschäftigung seit 1992, den er auf die Aufwertung der D-Mark in dieser Zeit zurückführt.Eine Aufwertung der Mark habe die gleichen Konsequenzen wie eine Lohnerhöhung und führe dazu, Arbeit durch mehr Maschinen zu ersetzen. Rund zwei Drittel der deutschen Ausfuhren gehen in die Länder der EU.Sie würden durch den Eintritt in die Währungsunion vor einer Aufwertung der D-Mark geschützt.Investoren müßten nicht mehr damit rechnen, daß ihre Anlagen über Nacht unrentabel werden, weil sich die internationale Spekulation auf die Mark stürzt.Das Währungsrisiko für den Standort Deutschland entfällt.Der jüngste Exportboom, der sich als Folge der Abwertung im vergangenen Jahr eingestellt hat, unterstreicht die Richtigkeit dieses Argumentes.Daß die Unternehmen trotzdem keine Einstellungen in nennenswertem Umfang vorgenommen haben, führt Bofinger auf das Fortbestehen des Währungsrisikos zurück. Die Skeptiker bestreiten das nicht, sehen jedoch andere Risiken, die in der Währungsunion an Bedeutung gewinnen.Bofingers Kollege Manfred Neumann etwa verweist auf den eigentlichen Sinn der Währungsunion.Er besteht darin, den Wettbewerb innerhalb der Union zu verstärken, um so die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften zu erhöhen.Das wird den Strukturwandel beschleunigen.Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen bislang weitgehend ungestört von lästiger Konkurrenz absetzen konnten, müssen damit rechen, daß ihnen neue Wettbewerber ihr angestammtes Geschäft streitig machen.In diesem Wettbewerb müssen sie enger kalkulieren - auch den Einsatz von Arbeitskräften - oder Marktanteile abgeben.In beiden Fällen wird die Beschäftigung eher zurückgehen als zunehmen.Der Wegfall der Umtauschkosten von einer Währung in die andere etwa bringt unstreitig eine Kostensenkung, die damit beschäftigten Menschen werden aber dafür auch nicht mehr gebraucht.Grundsätzlich muß das kein Problem sein, denn dadurch werden neue Produkte erschwinglich, so daß die frei werdenden Arbeitskräfte wieder eingesetzt werden können.Im Idealfall sind das sogar mehr als vorher.Neumann und seine Anhänger sind allerdings nicht sehr zuversichtlich, daß der Idealfall rasch eintritt.Dafür seien die Arbeitskräfte in Europa nicht flexibel genug.Deshalb rechnen sie damit, daß der verschärfte Wettbewerb Arbeitskräfte freisetzt, neue Arbeitsplätze aber vorerst nicht entstehen.Zumal die Lohnkosten nicht mehr über eine Veränderung der Wechselkurse angepaßt werden können. Diese Aufgabe müßten in der Wirtschafts- und Währungsunion die Tarifpartner übernehmen, aber das trauen ihnen die Skeptiker nicht zu.Tatsächlich spricht wenig dafür, daß die Tarifpartner sich rasch in ihre neue Rolle finden.Auf längere Sicht sind Verhaltensänderungen aber nicht ausgeschlossen.Entscheidend wird sein, daß die neuen Strukturen, die in der Währungsunion entstehen, auch neue Verteilungsspielräume eröffnen.Mit anderen Worten: der Euro wird nur dann ein beschäftigungspolitischer Erfolg, wenn er zu mehr Wachstum beiträgt.

TOM WEINGÄRTNER

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