zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Zuviel Vertrauen in das Internet

Middelhoff hat seinen Konzern auf das Web ausgerichtet – viele Visionen gingen aber nicht auf

Als einen der Gründe für die Entlassung von Thomas Middelhoff nennen Branchenkreise die Ausrichtung des Konzerns auf das Internet-Geschäft. Der Ex-Bertelsmann-Chef habe sich mit seiner Einschätzung des Internets als dem wichtigstem Vertriebsweg der Zukunft verhoben.

Im Stile eines Risikokapitalinvestors streute Middelhoff seine Engagements breit über alle Bereiche des Internetgeschäfts. Dabei investierte er ebenso in die europäische Expansion des weltgrößten Online-Dienstes AOL wie in den Aufbau des Netzbetreibers Mediaways. Im E-Commerce stieg Bertelsmann mit BOL in den Internet-Buchhandel ein. Noch heute gehört die Berliner Multimediaagentur Pixelpark genauso zum Konzern wie Anteile am Internetportal Lycos Europe, das von Christoph Mohn, dem Sohn des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn, geleitet wird. In Hamburg entstand mit dem „Bertelsmann Valley" sogar ein so genannter Inkubator, der jedes Jahr einem halben Dutzend neuer Internetfirmen mit Rat und Tat sowie finanzieller Unterstützung Pate stehen sollte. Und der Einstieg bei der Online-Musiktauschbörse Napster verschaffte Middelhoff mit einem Schlag Popularität bei Millionen von Jugendlichen.

Nach dem Platzen der Internetblase verloren diese Visionen aber an Glanz. Middelhoff musste zurückrudern. So lebt Pixelpark heute von Millionentransfers aus der Konzernkasse. Lycos Europe hat zwar – dank Börsengang – genügend eigene Finanzmittel, doch die enttäuschende Entwicklung der Online-Werbung hat dem Geschäftsmodell geschadet. Der Online-Buchhandel BOL wurde in das Buchclub-Geschäft integriert. Noch immer offen ist die Frage, was aus Napster wird. Nach einem langen Rechtsstreit besteht zwar die Möglichkeit, dass Bertelsmann Napster als Marke nutzen kann. Viele Kunden sind aber längst abgewandert.

Trotz dieser zahlreichen Misserfolge ist Thomas Middelhoff aber auch einer der wenigen Manager, die mit dem Internet auch beträchtliche Summen Geld verdient haben: Den Netzbetreiber Mediaways verkaufte er für 1,6 Milliarden Dollar an den spanischen Telefonkonzern Telefónica. Für den Kauf der Anteile von AOL Europe bezahlte AOL-Time Warner an Bertelsmann die Summe von 8,2 Milliarden Euro – zum größten Teil in bar. tnt/HB

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false